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Physische Aktivität bei Kleinkindern war 2015 ein Thema während der Luxemburger EU-Ratspräsidentschaft. Jetzt wurde ein interessantes Video veröffentlicht.

Auf der Internetseite des Sportministeriums (Link) ist dieses Video nun zu finden, in französischer und englischer Version. Hier werden verschiedene Bewegungsmöglichkeiten für Kinder im Alter zwischen 0 und 5 Jahren aufgezeigt.

Das Video war anlässlich einer Konferenz der portpädagogin Prof. Dr. phil. Renate Zimmer Mitte September gezeigt worden.

In den folgenden Zeilen veröffentlichen wird einige ausgewählte Fragen aus dem Tageblatt-Interview mit Renate Zimmer.

Tageblatt: Wie wichtig ist Bewegung im frühen Alter?
Prof. Dr. phil. Renate Zimmer: Das ist von Beginn an wichtig. Der Mensch ist ein Bewegungswesen, das schon gleich nach der Geburt seine Befindlichkeit über seinen Körper ausdrückt. Die Stimme und der Körper sind die beiden Ausdrucksmedien. Das setzt sich fort: Erst ist der Körper ein Ausdrucksmedium und dann ist der Körper ein Erkundungsmedium.

Wie kann man Bewegung in den Schulalltag einbinden?
Wichtig ist, dass das Kind zu Hause den Freiraum für Bewegung hat und dass es auch nach draußen kann. Die Natur ist natürlich eine große Herausforderung. Und dann kommen die Institutionen: die Krippe, der Kindergarten, die Schule. Diese müssen darauf achten, dass der Körper und seine Bedürfnisse nicht nur unter dem Aspekt von gesundem Aufwachsen, sondern auch mit einer Rhythmisierung des Alltags – Ruhephasen, Anspannungsphasen, aktive Phasen – gemischt ist. In den ersten Lebensjahren wird die Basis dessen gelegt, worauf ein Mensch ein Leben lang aufbaut: das Knochen- und Muskelsystem, das Skelett.

Es gibt einen Unterschied zwischen Bewegung und sportlicher Aktivität. Wann sollten Kinder mit Sport anfangen?
Bewegung ist vom ersten Lebenstag an wichtig und dann kommt die spielerische Bewegung in den ersten Lebensjahren. Und dann folgt das Interesse am Sport: Das kann schon im Kindergarten-Alter aufgebaut werden. Ein Kind geht gerne zum Schwimmen, klettert gerne, macht gerne Purzelbäume: Das sind alles Hinführungen zu den späteren Sportarten. Wenn dies alles nicht gewesen ist, kommt der Sport nachher zu plötzlich und das Kind fühlt sich nicht wohl dabei.

Wie viele Stunden Sport sollten Ihrer Meinung nach in den verschiedenen Altersstufen im Schulprogramm integriert sein?
Meine ideale Stundenzahl ist täglich eine Stunde. Da dies aber nicht einzuhalten ist, würde ich aus der Not eine Tugend machen: zwei bis drei Stunden pro Woche – drei wäre die richtige Anzahl. Aber es muss Bewegung im gesamten Schulalltag geben. Das ist die nächste Konsequenz: Mathematik kann nicht im Sitzen stattfinden. Das Leben der Schule kann sich nicht im Klassenzimmer abspielen. Es muss Bewegung in den Klassenunterricht reinkommen.

Es ist bewiesen, dass Bewegung und Sport schlauer machen, überspitzt formuliert.
„Toben macht schlau“ ist ein Slogan, den ich für ein Buch gewählt habe. Ich habe dies aber noch differenzierter dargelegt. Bewegung ist ein Mittel der Problemlösung. Sportarten sind künstliche Problemlöse-Situationen: Sie müssen nicht über die Hürde springen, sondern können auch drumherum laufen. Sie setzen sich das Problem, weil Sie Lust dazu haben. Und nur wenn Sie Lust dazu haben, gelingt es. Man muss dranbleiben. Schlau heißt nicht, den höchsten Intelligenzquotienten zu haben; schlau heißt auch, sich mit Situationen der Problemlösung auseinanderzusetzen. Das Gehirn und die Nervenverbindungen werden aktiviert. Das Gehirn soll so als arbeitsfähiges Organ besser funktionieren.

„Schafft die Stühle ab“: Muss ein Kind still sitzen, um besser zu lernen?
Sitzen ist die Ungesündeste aller Körperhaltungen. Jedes Sitzen ist ungesund. Der Tag verlangt von uns viel Sitzen. Das ist in Ordnung, wenn es ausgeglichen wird. Wenn Sitzen zur Dauerhaltung wird, ist das ein Problem.

Sie haben Ihr Buch „Toben macht schlau“ bereits erwähnt. Es muss also nicht immer ein streng koordiniertes Sportprogramm sein?
Ein bisschen mehr Gelassenheit in der Freizeitgestaltung, mehr Anregungen und Aufmerksamkeiten für das, was Kinder lieben: das Abenteuer in der Natur, Verabreden mit anderen, Spielen nach eigenen Regeln. Kinder sind oft in einen Stundenplan eingebunden und haben ein striktes Programm. Und die Eltern meinen es gut. Aber es müsste auch zu einer Aufklärung der Eltern kommen, dass zu viel Programm für die Kinder nicht gut ist.

Bewegung und Sport als Integrations- oder Sozialisierungsfaktor wird auch immer wieder unterschätzt, ja fast schon übersehen. Warum?
Wir erleben das ja aktuell in der Flüchtlingskinder-Debatte. Ich bin mit meinen Studierenden sofort in die Unterkünfte gegangen. Wir haben einen Ball, ein Seil mitgebracht. Wir hatten Sprachkontakt und es gab keine Barrieren. Die Kinder haben sich dem Spiel und der Bewegung geöffnet. Es gibt sofort eine Kommunikationsebene, von beiden Seiten. Das gemeinsame Tun weckt auch Verständnis füreinander.