Titelverteidiger Vettel ist sich dabei selbst die beste Warnung. Vor dem Titel-Showdown in São Paulo sind die „Geister“ von 2010 allgegenwärtig.
Weltmeister Wenn …
o Situation: Sebastian Vettel 273 Punkte, Fernando Alonso 260 Punkte.
o Punkteverteilung: Sieger 25, 2. – 18, 3. – 15, 4. – 12, 5. – 10, 6. – 8, 7. – 6, 8. – 4, 9. – 2, 10. – 1.
o Vettel Weltmeister, wenn er vor Alonso ins Ziel kommt.
o … wenn er bei einem Alonso-Sieg mindestens 4. wird. *
o … wenn er 7. wird und Alonso höchstens 2.
o … wenn er 9. wird und Alonso maximal 3. *
o … wenn er 10. oder schlechter wird und Alonso höchstens 4.
o Alonso Weltmeister, wenn er gewinnt und Vettel höchstens 5. wird.
o … wenn er 2. wird und Vettel maximal 8.
o … wenn er 3. wird und Vettel höchstens 10.
* Punktegleichheit; dank der größeren Anzahl an Saisonsiegen (5 – 3) wäre Vettel Weltmeister.
Damals machte „Muskelprotz“ Vettel, der nun Sonderschichten im Kraftraum schob, im letzten Rennen sogar 15 Punkte wett – auf Fernando Alonso, der auch am Sonntag erneut der Rivale ist und somit auf Rache sinnt.
„Damals waren wir in der Situation, in der Fernando nun ist, und wir haben trotzdem den Titel geholt“, erinnert sich Vettel: „Dennoch: Wenn ich wählen darf, bin ich lieber der Führende vor dem letzten Rennen.“
Kein Taktieren
Trotzdem versprach er, nicht zu taktieren, sondern „Vollgas auf Sieg zu fahren“. Alonso hat derweil von seinem Team Ferrari ausgerechnet vor dem letzten Rennen offenbar weitreichendes Twitter-Verbot bekommen. Auf die Frage, ob er angesichts seiner neu entflammten Leidenschaft nicht auch mal ein Foto aus dem Cockpit twittern wolle, antwortete der Spanier: „Es gäbe natürlich schon eine Menge interessanter Dinge, die ich den Fans im Verlauf eines Rennwochenendes mitteilen könnte, aber natürlich gibt es auch eine Presseabteilung, die ständig ein Auge auf mich hat.“
Vor allem seine letzte Aktion, als er Vettel vor dem Rennen in Austin/Texas mit einem riesigen Paintball-Gewehr praktisch den Krieg erklärt hatte, war bei der Scuderia nicht gut angekommen. Die ständigen Samurai-Weisheiten, mit denen er Vettel zuvor zu verunsichern versuchte, hatte man noch zähneknirschend akzeptiert. Alonsos neuester Tweet am gestrigen Donnerstag war jedenfalls auffällig belanglos. Er twitterte ein Foto seiner Flugstrecke von New York nach Brasilien und schrieb dazu „Guten Morgen, São Paulo.“
Locker und gelöst
Dass Vettel sich um Verbote nicht kümmert, zeigte er unfreiwillig am Donnerstag. Auf die Frage nach der Kritik von F1-Boss Bernie Ecclestone („Vettel fehlt noch Charisma“), wollte er zunächst antworten, dass dieser nicht alle seine eigenen Aussagen ernst nehme und Fragesteller manchmal gerne veralbere. Dabei benutzte Vettel die englische Formulierung „to take a piss“, erinnerte sich dann aber an das neue Fluchverbot und korrigierte seinen Fehler charmant, indem er sich die Hand vor den Mund hielt.
Die Szene zeigte aber auch, dass Vettel locker und gelöst in das Saisonfinale geht. Jedenfalls hat er sich bestens vorbereitet. Neben dem speziellen Muskeltraining lotete der 25-Jährige auch alle Wetter-Eventualitäten aus. „Ich habe bei Pirelli (Reifenhersteller, d. Red.) nachgefragt, ob alle Container mit Regenreifen angekommen sind. Das ist so, deshalb fühle ich mich sicher“, sagte er schmunzelnd. Er habe auch extra Einheimische auf das Wetter in Brasilien angesprochen: „Vor zwei Tagen hat es offenbar unerwartet Regen gegeben, vielleicht kommt dafür am Wochenende keiner. Aber São Paulo ist wie Spa, da kann mit dem Wetter immer alles passieren.“ Unabhängig davon sei er „zuversichtlich, denn wir sind in einer guten Position, und die Strecke liegt unserem Auto“, so Vettel.
Alonso gab sich ebenfalls vorsichtig optimistisch. „Wir haben es nicht in unserer Hand, aber das heißt, dass wir nichts zu verlieren, aber eine Menge zu gewinnen haben“, sagte der Spanier: „Wir müssen aufs Podium fahren, damit wir mehr als 13 Punkte haben. Und dann müssen wir schauen, wie Sebastian abschneidet. In der Formel 1 kann bis zur letzten Flagge immer alles passieren. Wenn Sebastian den Titel holt, werden wir ihm gratulieren und es nächstes Jahr wieder versuchen.“
Keine Hilfe von Massa
Dabei kann sich Alonso in Brasilien wohl nur bedingt auf Felipe Massa verlassen. Der in São Paulo geborene Teamkollege, der sich in Austin selbstlos fünf Plätze zurückversetzen ließ, will Alonso in seiner Heimatstadt auf jeden Fall nicht den Sieg überlassen. „Dieses Rennen bedeutet mir sehr viel, deshalb will ich gewinnen“, sagte Massa: „Ich hoffe aber, dass Fernando hinter mir Zweiter wird und das für den WM-Titel reicht.“
Massa hat allerdings seit vier Jahren kein einziges Rennen gewonnen, das bisher letzte 2008 ausgerechnet in São Paulo.
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