„Es hat alles mit Liebe zu tun.“ Stefanos Tsitsipas’ Begründung für seine ungewöhnliche Extra-Belastung bei den French Open erweicht auch TV-Experte Boris Beckers Herz. „Ich bin der Erste, der versteht, wenn man aus Liebe Dinge macht, die man mit normalem Menschenverstand nicht machen würde“, sagte die ehemalige Tennis-Ikone schmunzelnd bei Eurosport. Doch dann wandte er sich direkt an den Griechen: „Stefanos, liebe deine Freundin und deinen Bruder weiter – aber bitte nach dem Turnier. Konzentriere dich auf den Titel. Das ist doch alles viel zu anstrengend.“
Am Montag strich der griechische Tennisstar zum Leidwesen der Fans zumindest das am Nachmittag angesetzte Mixed-Doppel mit seiner spanischen Freundin Paula Badosa. Mit Bruder Petros trat der Weltranglisten-Neunte aber im Herren-Doppel zur zweiten Runde an – und das einen Tag vor seinem Viertelfinalmatch gegen den Spanier Carlos Alcaraz. „Das macht keiner außer Tsitsipas“, sagte Becker kopfschüttelnd: „Der ist schlecht beraten, sorry!“
Unnötiger Verlust von Zeit und Kraft
Und das Doppelmatch mit seinem Bruder war am Montag alles andere als ein Selbstläufer. Das Match gegen das amerikanisch/kroatische Duo Krajicek/Dodig ging über drei Sätze – erst nach 2:27 Minuten brachten die Tsitsipas-Brüder den Einzug in die nächste Runde mit 4:6, 7:5, 6:3 unter Dach und Fach. Viel Zeit zur Erholung bleibt aber eben nicht. Knapp 24 Stunden später wartet am heutigen Dienstag schon Alcaraz, dessen mentale und spielerische Leichtigkeit zurück zu sein scheint. Zuvor hatte der Spanier wochenlang mit Unterarmproblemen zu kämpfen. Bei den French Open spielt er sich immer mehr in Titelform. „Ich bin mit allem sehr glücklich, mit meinen Gedanken während des Matches, mit meinen Bewegungen“, sagte Alcaraz, der für Becker gegen Tsitsipas den Vorteil besitzen dürfte, dass er ausgeruht in die Partie auf dem Court Philippe Chatrier geht.
Warum Tsitsipas sich sogar einen Dreifach-Start antun wollte, wurde er während des Turniers gefragt. „Es hat alles mit Liebe zu tun“, hatte der 25-Jährige geantwortet: „Die Möglichkeit zu haben, Liebe und Tennis zu verbinden, ist wirklich außergewöhnlich.“ Zumal in Paris, der Stadt der Liebe, wo das Tennis-Traumpaar „Tsitsidosa“ sein erstes Date hatte.
Körperlich macht der French-Open-Finalist von 2021 bislang einen ausgezeichneten Eindruck. Und trainiert hätte Tsitsipas einen Tag vor seinem Viertelfinal-Match am Dienstag gegen Alcaraz ohnehin. Also alles halb so wild? Nicht für Becker.
„Du hast noch nie ein Grand Slam gewonnen, du hast wieder eine Topform, du gewinnst Monte-Carlo, du bist jetzt im Viertelfinale gegen Alcaraz“, sagte der sechsmalige Grand-Slam-Turniergewinner. Darauf solle er sich konzentrieren, mit Starts im Doppel würde Tsitsipas nur „Zeit und Kraft“ verlieren.
Ein Gefühlsmensch
Doch Tsitsipas ist ein Gefühlsmensch, der gerade in diesen Tagen von Paris emotional auf einer Wolke schwebt. Das Liebes-Comeback kurz vor den French Open mit Badosa scheint ihn auch sportlich zu beflügeln. Nach wenigen Wochen Beziehungspause habe er gespürt, „wie intensiv die Liebe“ zur spanischen Tennisspielerin sei, erzählte Tsitsipas: „Es war schwer für uns, getrennt zu sein. Ich habe schwere Zeiten durchgemacht.“
Tsitsipas hat eine für seine Verhältnisse schwache Hartplatz-Saison hinter sich, und kurz nach seinem Erstrunden-Aus auf Sand in Madrid verkündete er die Trennung von seiner „Seelenverwandten“, wie er Badosa einmal genannt hat. Die Verbindung von Arbeit und Privatleben habe er damals als „einen Berg“ empfunden, der für ihn unüberwindbar erschien. Doch Tsitsipas kann offenbar noch schlechter ohne Badosa.
Mit der 26-Jährigen an seiner Seite sei nun alles wieder einfacher. „Wir sprechen sehr viel über Tennis“, sagte Tsitsipas: „Ich habe das Gefühl, dass wir uns in dem, was wir tun, gleichermaßen gut auskennen und viel Verständnis dafür haben, wie mit bestimmten Situationen umzugehen ist.“ (dpa/jw)
De Minaur schlägt Medwedew überraschend
Beim Sandplatz-Klassiker in Paris läuft bislang vieles wie erwartet. Doch den Achtelfinalsieg von Alex De Minaur gegen Daniil Medwedew haben nicht viele vorausgesagt. Der australische Tennisprofi hat bei den French Open in Paris so für eine erste größere Überraschung gesorgt und das Viertelfinale erreicht. Der 25-Jährige besiegte am Montag den Weltranglisten-Fünften Medwedew aus Russland mit 4:6, 6:2, 6:1, 6:3. Für De Minaur, der sich auf Hartplätzen deutlich wohler fühlt, ist es erst das zweite Viertelfinale bei einem Grand-Slam-Turnier. Medwedew war als Favorit ins Duell mit De Minaur gegangen, obwohl auch der Russe kein Sandplatz-Experte ist. Beim Stand von 2:3 im zweiten Satz musste sich der US-Open-Gewinner von 2021 wegen Blasen an den Füßen behandeln lassen. Danach lief bei ihm nicht mehr viel zusammen. Bei den Frauen haben sich die beiden Tennisstars Aryna Sabalenka und Jelena Rybakina keine Blöße gegeben. Die an Nummer zwei gesetzte Belarussin Sabalenka setzte sich am Montag gegen Emma Navarro aus den USA mit 6:2, 6:3 durch. Die frühere Wimbledon-Gewinnerin Rybakina aus Kasachstan bezwang die Ukrainerin Jelena Switolina mit 6:4, 6:3.
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