Coco Gauff weinte überwältigt in den Armen ihres Vaters, schwärmte von ihrem großen Vorbild Serena Williams und freute sich über die Glückwünsche von Barack Obama. An einem Abend der ganz großen Emotionen erfüllte sich Amerikas Tennis-Liebling im Alter von 19 Jahren den Kindheitstraum vom Triumph bei den US Open – und richtete danach deutliche Worte an alle Kritiker und Zweifler. „Danke an alle, die nicht an mich geglaubt haben“, sagte sie in der Siegesrede vor mehr als 23.000 Zuschauern über ihre besondere Extramotivation. „Die, die gedacht haben, dass sie Wasser in mein Feuer schütten: Sie haben nur Benzin hinzugefügt und jetzt brenne ich so hell.“
Noch zehn Minuten vor Matchbeginn hatte sie auf ihrem Handy in sozialen Medien Kommentare gelesen, dass sie nicht gewinnen werde. Mit dieser Wut im Bauch bezwang Gauff in einem packenden Finale die kommende Weltranglistenerste Aryna Sabalenka aus Belarus mit 2:6, 6:3, 6:2. Dabei bewies der US-Jungstar nach einem deutlich verlorenen ersten Satz wie schon mehrfach im Turnier einen immensen Kampfgeist.
„Ganzes Land elektrisiert“
„Du hast das Arthur Ashe Stadium und das ganze Land elektrisiert“, gratulierte US-Präsident Joe Biden via X, vormals Twitter, „der erste (Titel) von weiteren, die noch kommen werden, und der Beweis, dass alles möglich ist, wenn man nicht aufgibt und immer daran glaubt.“
Bewegend sprach Gauff über ihre Selbstzweifel und den steinigen Weg vom Riesentalent zur gefeierten erstmaligen Grand-Slam-Siegerin. „Ich wünschte, ich könnte diese Trophäe meinem früheren Ich geben, sodass sie sieht: „Alle Tränen sind für diesen Moment“, sagte sie mit Blick auf den Silberpokal und gab ihrem großen Tag selbst eine Überschrift: „Träume werden wahr.“
Die Rolle der strahlenden Siegerin war für Gauff eigentlich schon sehr früh vorbestimmt gewesen. 2019 qualifizierte sie sich mit 15 beim Rasen-Klassiker in Wimbledon als jüngste Teilnehmerin der Turniergeschichte, katapultierte sich mit einem Sensationssieg über Venus Williams endgültig ins öffentliche Rampenlicht. Doch der große Triumph blieb zunächst aus. Vergangenes Jahr verlor Gauff bei den French Open gegen die Polin Iga Swiatek ihr erstes Grand-Slam-Finale, die Traumkarriere schien ins Stocken zu geraten.
Der Tiefpunkt war vor zwei Monaten mit dem Erstrunden-Aus in Wimbledon erreicht. „Sie hatte ihren Höhepunkt. Sie ist erledigt. Es war alles nur Hype“, erinnerte sie am Samstagabend die Kommentare im Internet. Mit mehr Aggressivität und Trainer-Legende Brad Gilbert in einem neu zusammengestellten Team an der Seite schaffte sie wieder die Trendwende, ging nach zwei Titeln vor den US Open als Mitfavoritin in Turnier.
Dort kam sie im Finale nach dem Auftaktsatz immer besser mit der kraftvollen Spielweise von Sabalenka zurecht und profitierte auch von vielen Fehlern der Belarussin, die am Montag die neue Nummer eins der Welt sein wird. „Ich hoffe, wir spielen noch viele Finals gegeneinander“, gratulierte Sabalenka. „Dann hoffentlich mit anderem Ergebnis.“
Als achtjähriger Fan tanzte Gauff noch auf der Tribüne des Arthur Ashe Stadiums, nun gewann sie die US Open als erste amerikanische Teenagerin seit Serena Williams vor 24 Jahren. „Sie sind der Grund, warum ich diese Trophäe habe. Sie haben mir erlaubt, an diesen Traum zu glauben, als ich aufwuchs“, sagte die 19-Jährige über Serena und deren ältere Schwester Venus. „Es gab nicht viele schwarze Tennisspielerinnen, die den Sport dominiert haben – nur sie. Sie haben den Traum glaubhaft gemacht.“
Prominente Gratulanten
Serena Williams hat in ihrer Karriere 23 Grand-Slam-Titel gewonnen, ihre ältere Schwester sieben. Auch Ex-Präsident Obama erwartet, dass es nicht bei einem Triumph von Gauff bleiben wird. „Wir könnten auf und neben dem Platz nicht stolzer auf dich sein – und wir wissen, dass das Beste noch kommen wird“, schrieb der 62-Jährige in seiner Gratulation.
Am Samstag jubelten ihr Star-Gäste wie die Schauspielerinnen Nicole Kidman, Charlize Theron und Diane Keaton und Basketball-Star Kevin Durant von der Ehrentribüne zu. Mit dem größten Erfolg der bisherigen Karriere werden nun auch die Erwartungen an Gauff nicht geringer.
Ob sie bereit sei, für das, was jetzt auf sie einprasseln werde, wurde Gauff gefragt. „Ich bin bereit“, sagte sie mit fester Stimme und verwies auf ihre bisherigen Erfahrungen mit dem öffentlichen Druck. „Ich weiß, wie ich meinen Frieden bewahre und alles aufsaugen kann.“
Im Finale der Männer standen sich Novak Djokovic und Daniil Medwedew in der Nacht von Sonntag auf Montag gegenüber. (dpa)
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