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MotorsportStarpilot Valentino Rossi im Interview: „Ein Sieg verleiht immer positive Kräfte“

Motorsport / Starpilot Valentino Rossi im Interview: „Ein Sieg verleiht immer positive Kräfte“
Valentino Rossi bei den letzten Diskussionen vor dem Start Foto: Norbert Nickels, Marie-Jo Nickels, Fernande Nickels

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Valentino Rossi ist zweifelsohne einer der bekanntesten und erfolgreichsten Motorradpiloten der Welt. Mittlerweile hat der mehrfache italienische Weltmeister auf der Rennstrecke sein Motorrad allerdings gegen ein Auto ausgetauscht. Im Gespräch mit dem Tageblatt spricht er über die Herausforderungen, die der Wechsel mit sich bringt.

Früher war es nicht unüblich, dass Automobilsportler wie Jacky Ickx und Mike Hailwood ihre Karriere auf zwei Rädern begonnen haben. John Surtees hat es aber als Einziger geschafft, sowohl Motorrad- als auch Formel-1-Weltmeister zu werden, aber dies ist schon 62 Jahre her. Heute versucht sich der wohl größte MotoGP-Champion der letzten 20 Jahre im Automobilsport: Valentino Rossi. Der nunmehr 44-jährige Italiener hat seinen Motorrad-Helm an den Nagel gehängt und bestreitet seit 2022 die Fanatec-GT-World-Challenge (GTWC). Letztes Jahr gab Rossi sein Debüt in einem Audi R8 LMS des WRT-Teams zusammen mit Frédéric Vervisch und Nico Müller. In dieser Saison geht er immer noch für das belgische WRT-Team an den Start, doch dieses hat inzwischen die Marke gewechselt und setzt nun BMW M4 GT3 ein. Den blau-gelben Boliden mit der symbolträchtigen Nummer 46 steuert Rossi zusammen mit dem belgischen GT-Routinier Maxime Martin in den GTWC-Sprint-Rennen. Das Duo wird in den GTWC-Endurance-Läufen vom Brasilianer Augusto Farfus unterstützt (siehe Tageblatt vom 8. August).

Nachdem sich Rossi über den Winter vom heckgetriebenen Audi auf den frontgetriebenen BMW umstellen musste, kommt er nun immer besser mit seinem neuen Renngerät zurecht. Martin/Rossi haben im Mai in Brands Hatch das Sprint-Rennen auf Platz zwei beendet und standen am 16. Juli beim Sprint in Misano ganz oben auf dem Siegerpodest: eine Premiere für Valentino Rossi. Bei den bisherigen GTWC-Endurance-Rennen reichte es noch nicht für eine Podiumsplatzierung.

Das Tageblatt nahm kürzlich in Spa und am Nürburgring an Interviews mit dem neuen GTWC-Publikumsliebling teil.

Tageblatt: Valentino Rossi, wie schwierig war eigentlich der Umstieg vom Audi auf den BMW?

Valentino Rossi: Der BMW und der Audi sind sehr unterschiedlich, insbesondere da der Erstgenannte einen Frontmotor hat und beim Audi der Motor hinten liegt. Auch das Motorenkonzept ist komplett verschieden: Der BMW ist ein Turbo und der Audi ein Sauger. Der Audi ist sehr schwierig zu fahren. Um das Limit zu erreichen, braucht man viele Testkilometer. Vor allem in schnellen Passagen fährt sich der BMW leichter, er liegt besser und gibt dem Piloten ein gutes Feedback. Das ist z.B. in den sehr schnellen Passagen in Spa, wie Blanchimont und Raidillon, natürlich von großer Bedeutung.

Sie fahren zusammen mit zwei sehr erfahrenen GT-Piloten, Maxime Martin und Augusto Farfus. Sehen Sie sich jetzt bereits mit ihnen auf gleichem fahrerischem Niveau?

Augusto und Maxime sind ganz klar (noch) ein bisschen schneller als ich, aber ich bin nicht weit von ihnen entfernt. Ich bin eigentlich mit meiner Performance zufrieden. Es hängt von verschiedenen Gegebenheiten ab, manchmal bin ich näher an ihnen dran, manchmal etwas weiter von ihnen entfernt. Ich bin immer noch in einer Lernphase. So z.B. ändert sich das Fahrverhalten unserer GT3-Autos im Laufe eines Stints durch die Reifenabnutzung und die Spritmenge an Bord. Meine beiden Teamkollegen sind Top-Piloten mit sehr viel Erfahrung und sie wissen genau, wie sie mit den verschiedenen Situationen umzugehen haben. Ich kann gut und viel von ihnen lernen, da ich Einsicht in ihre Daten und Aufzeichnungen habe. Eins ist sicher, das Level der Top-Piloten ist sehr hoch.

Die Farben und die Startnummer 46 sind geblieben: Valentino Rossi im BMW M4 GT3 des belgischen WRT Teams
Die Farben und die Startnummer 46 sind geblieben: Valentino Rossi im BMW M4 GT3 des belgischen WRT Teams Foto: Norbert Nickels, Marie-Jo Nickels, Fernande Nickels

Die 24 Stunden von Spa sind das Highlight der Fanatec GT World Challenge, was können Sie uns zu diesem Kult-Event sagen?

Ja, die 24 Stunden von Spa sind das größte Rennen der Fanatec GT World Challenge und ich bin glücklich, dieses Jahr zum zweiten Mal mit dabei zu sein. Hier sind 70 gleichwertige GT3-Autos von so vielen verschiedenen Fabrikaten am Start, mit den wohl weltbesten GT-Fahrern überhaupt. Spa ist wirklich eine wunderbare Strecke. Es ist für den Automobilsport das, was Assen für die Moto GP ist. Über das Wochenende können sich die Streckenverhältnisse permanent ändern: vom Starkregen über teilnasse Strecke bis hin zu völliger Trockenheit.

Sie haben noch nicht so viel Erfahrung mit Nachtrennen. Wie schwierig ist dies für Sie, insbesondere wenn es auch noch regnet, was in Spa ja sehr oft der Fall ist?

Letztes Jahr hatten wir das Glück, die 24 Stunden von Spa bei völlig trockenen Bedingungen zu fahren. Trotzdem hatten wir, damals zusammen mit Nico Müller, zwei kleine Unfälle, die uns zurückwarfen. Generell fühle ich mich auch bei nassen Bedingungen sehr wohl im Auto, da der BMW eher leicht zu fahren ist. Bei Regen in der Nacht ist es aber besonders schwierig, überhaupt die Strecke zu sehen. Es ist sehr hart; dies gilt aber für jeden.

Mein Schwachpunkt bei den Rennautos ist genau der gleiche, den ich auch schon in der MotoGP hatte: Ich bin nicht so gut im Qualifying. Hier leide ich am meisten im Vergleich zu den Top-GT3-Piloten.

Valentino Rossi

Wie sieht es mit Doppelstints im Rennen aus?

Ich liebe Zwei-Stunden-Doppelstints, da man hier wirklich in Schwung kommt (Originalton: ‚to take the pace’), aber besonders in der letzten halben Stunde ist es nicht leicht. Doppelstints des einen Fahrers ermöglichen natürlich auch längere Pausen für dessen Teamkollegen.

Sie sind schon etliche Male auf der Nürburgring-Grand-Prix-Strecke gefahren. 2024 stehen die 24 Stunden vom Nürburgring auf der Nordschleife im Kalender der IGTC (International GT Challenge). Fiebern Sie dem jetzt schon entgegen?

Es ist nun das dritte Mal, dass ich in einem GT3 am Nürburgring fahre. Die GP-Strecke kenne ich aber auch schon von früher aus meiner Moto-GP-Zeit. Die Strecke ist eng, sehr technisch, hat wenig Grip und das Überholen ist nicht so leicht. Besonders die ersten Kurven sind ziemlich langsam. Ich liebe die Nordschleife und es war seit jeher mein Ziel, in der „Grünen Hölle“ das 24-Stunden-Rennen zu fahren. Was man aber wissen muss, ist, dass man, um daran teilzunehmen, den sogenannten Nordschleifen-Führerschein haben muss. Diesen bekommt man aber erst, wenn man einige Rennen in einem „kleinen“ Rennwagen bestritten hat. Es ist sehr schade, doch ich glaube, dass ich nicht über die nötige Zeit verfügen werde, um noch an zwei oder drei Wochenenden zum Nürburgring zu kommen, um dies zu tun. Übrigens mag ich es auch nicht, mit „kleinen“ Rennwagen zu fahren.

Welche Punkte sehen Sie zum jetzigen Zeitpunkt Ihrer langen Karriere als die stärksten und welche als die schwächsten an, wenn es denn solche gibt?

Mein Schwachpunkt bei den Rennautos ist genau der gleiche, den ich auch schon in der MotoGP hatte: Ich bin nicht so gut im Qualifying. Hier leide ich am meisten im Vergleich zu den Top-GT3-Piloten. Ich muss mich also unbedingt bei der optimalen Reifennutzung mit sehr wenig Sprit im Tank verbessern. In der GTWC gibt es nur ein ganz kurzes Qualifying und die erste gezeitete Runde muss gleich sitzen – es muss sofort „BANG“ machen. Im Rennen selbst habe ich eine gute Pace. Bei längeren Stints bin ich ziemlich konstant von Anfang bis zum Schluss. Ich weiß also, wo ich an mir zu arbeiten habe.

Sie haben jetzt mit BMW zwei Siege erzielt: einen Lauf der „Road to Le Mans“ im Vorprogramm der 24 Stunden von Le Mans und einen Sprint-Lauf in der GTWC in Misano. Hat dies etwas für Sie verändert?

Ich habe jetzt bald eine zweijährige Erfahrung in der GTWC und in dieser Serie gibt es viele ganz verschiedene Aspekte, die man kennenlernen muss. Ich komme immer besser mit dem BMW M4 zurecht und werde mit der Zeit immer optimistischer und stärker. So haben wir es fertiggebracht, seit Saisonbeginn in Dubai einige Male auf dem Podium zu landen. Ein Sieg ist natürlich immer etwas ganz Besonderes, es verleiht einem positive Kräfte. Die Rennen und Strecken in der GT World Challenge sind sehr verschieden und so gilt es, stark zuzuschlagen, wenn alles gut läuft, aber auch das Beste daraus zu machen, wenn das Package nicht so optimal stimmt. Wir als Team verbessern uns stetig und meistens können wir uns besonders im Laufe des Rennens selbst steigern.

Seine größten Erfolge feierte Valentino Rossi auf zwei Rädern
Seine größten Erfolge feierte Valentino Rossi auf zwei Rädern Foto: Jean-François Monier/AFP

In der Sprint-Cup-Gesamtwertung liegen Sie zurzeit auf Platz zwei. Trauen Sie sich den Titel zu?

Ich bin schon sehr froh Platz, zwei innezuhaben, denn die Fahrer, die vor uns liegen, genauso wie mein Teamkollege Maxime Martin, sind alle sehr schnelle GT-Piloten. Wer weiß, ob wir Platz eins erzielen können, es wird sicherlich schwierig. Aber egal, wir spielen bei der Musik mit. In den vier bisherigen Rennen haben wir es zweimal aufs Podium geschafft.

Sprechen wir über die zwei Rennformate der GTWC: Sprint und Endurance. Im Sprint haben Sie bereits gewonnen, was bleibt zu tun, um auch in den Langstreckenrennen erfolgreich zu werden?

Zuerst möchte ich betonen, dass beide GTWC-Formate sehr verschieden sind zu dem, was ich aus der MotoGP kannte. Hier gibt es die An- und Ausfahrt zur Box, die Fahrerwechsel und die Arbeit der Boxencrew. Im Sprint-Cup ist natürlich alles viel schneller und kürzer: Jeder der zwei Fahrer sitzt nur jeweils 30 Minuten im Auto (bei den zwei Rennen an einem Wochenende; Anm. d. Red.). Bei den Endurance-Rennen sind mehr Autos am Start, es gibt also viel mehr Verkehr (Überrundungen; Anm. d. Red.) auf der Rennstrecke und es sind auch oft andere Piloten mit am Start. Bei den längeren Endurance-Rennen von sechs, zwölf oder 24 Stunden spielt natürlich die Strategie ebenfalls eine ganz große Rolle und man fährt auch bei Dunkelheit. Hier brauche ich noch etwas mehr Erfahrung. Mein nächstes Ziel ist es jetzt, einen Endurance-Lauf zu gewinnen.

Wissen Sie bereits, was für 2024 auf Ihrem Programm steht?

Ich werde wohl auch nächstes Jahr in einem GT-Auto starten. Ich will die 24 Stunden von Le Mans und eventuell auch die anderen Rennen der WEC in der LMGT-Klasse bestreiten und dann weiterhin in der GTWC antreten, denn diese Rennserie mag ich sehr. Alles wird natürlich von den verschiedenen Rennkalendern abhängen. Das BMW-Hypercar ist ganz interessant und sehr schnell. Wenn ich zu Saisonende Zeit habe, wäre es sehr cool, dieses Auto zu probieren – Rennen werde ich 2024 aber im GT-Auto fahren.

Im Kurzporträt

Valentino Rossi
Geboren am
16. Februar 1979 in Urbino (Italien)
Spitznamen: „The Doctor“ und „Vale“

Karriere: 1990: Einstieg im Kart-Sport, 1991: Umstieg auf den (Mini-)Motorrad-Sport, 1996: erste Teilnahme an der Motorrad-Weltmeisterschaft (125 ccm), ab 1998: Motorrad-Weltmeisterschaft (250 ccm), ab 2000: Motorrad-Weltmeisterschaft (500 ccm), Ende 2021 Rücktritt aus der Moto-GP, seit 2022 Automobilrennfahrer in der GT World Challenge

Erfolge in der Motorrad-Weltmeisterschaft:
1997: Weltmeister 125 ccm
1999: Weltmeister 250 ccm
2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2008, und 2009: Weltmeister 500 ccm
115 Siege bei 432 Starts (Siegquote von 26,62%)