Am 29. September feierte Felice Gimondi, italienisches Radsportidol der 60er und 70er Jahre, seinen 71. Geburtstag. Er wurde am 29.9.1942 in Sedrina, einem kleinen Ort von 2.500 Einwohnern 15 km nördlich der Provinzhauptstadt Bergamo geboren.
Gimondi ist also ein waschechter „grande campione bergamasco“, was für das italienische Medienunternehmen RCS, dem auch die Gazzetta dello Sport gehört, Anstoß war, die „Giro di Lombardia“ zum zweiten Mal hintereinander in Bergamo starten zu lassen.
In der Regel fand das „Rennen der fallenden Blätter“, wie die Lombardei-Rundfahrt auch genannt wird, erst Mitte Oktober statt und bildete den Abschluss der Saison. Wie 2012 folgt auf „Il Lombardia“ noch Paris-Tours (13. Oktober).
Wo sind die Millionen?
Rekordsieger der Lombardei-Rundfahrt ist Fausto Coppi mit fünf Erfolgen (1946, 1947, 1948, 1949, 1954). Ein Luxemburger Gewinner figuriert im Palmarès (François Faber 1908), ein anderer stand auf dem Podium (Frank Schleck 2005 Dritter hinter Paolo Bettini und Gilberto Simoni).
Dieses Jahr muss sich „Il Lombardia“ außersportlichen Erscheinungen stellen und zuerst mit dem Betrugsskandal fertig werden, der seit einiger Zeit Veranstalter RCS Sport erschüttert.
So ist Giro d’Italia-Organisationschef Michele Aquarone am Donnerstag suspendiert worden – anscheinend nicht aus disziplinarischen Gründen, sondern „nur als Vorsichtsmaßnahme“, wie es im offiziellen Wortlaut heißt.
Acquarone wird sich somit kaum in Bergamo oder Lecco blicken lassen und auch nicht der Streckenpräsentation der Italienrundfahrt 2014 am kommenden Montag in Mailand beiwohnen. Er hatte erst 2011 die Nachfolge von Angelo Zomegnan als Giro-Chef angetreten.
In den Kulissen wird gemunkelt, bei RCS Sport – einem Tochterunternehmen der RCS Media Group – seien 13 Millionen Euro verschwunden. Kein Mensch weiß, wo das Geld ist und wer sich damit die Taschen gefüllt hat. Externe Ermittler sollen die Sache nun aufklären und Transaktionen zu Fremdfirmen unter die Lupe nehmen. Zugleich wurde RCS Sport dem Werbesektor RCS Pubblicità zwangsunterstellt.
Verschwunden sind scheinbar auch die Einnahmen des diesjährigen Giro. Dieses Geld wird dringend gebraucht, weil RCS Sport wirtschaftlich harte Zeiten durchlebt. Das Mutterhaus RCS Media Group ist wie viele anderen Presseunternehmen in Schräglage. Dem Vernehmen nach soll sogar das traditionelle und recht teure Büro in der Mailänder Innenstadt verkauft werden müssen, um Geld flüssig zu machen.
Glockengeläut
Doch zurück zu „Il Lombardia“. Letztes Jahr bauten die Veranstalter eine Schwierigkeit mehr in den 242 km langen Parcours der Lombardei-Rundfahrt ein. Bei km 160 müssen die Teilnehmer die sogenannte „Muro di Sormano“ ersteigen (1.124 m), die vielleicht etwas weit vom Ziel liegt, mit ihrer zeitweise 25-prozentigen Steigung aber die Spreu vom Weizen trennen dürfte. 50 Jahre lang war die „Mauer“ nicht bei „Il Lombardia“ befahren worden.
Gegenüber 2012 wurde die Strecke nur unwesentlich geändert. Der Start wird morgen Sonntag um 10.50 Uhr in der Via Borgo Palazzo in Bergamo gegeben, die Ankunft erfolgt gegen 17.00 Uhr in Lecco am Lungo Lario Isonzo.
Außer dem Anstieg nach Sormano (1,9 km, Schnitt 15,8%) müssen die Fahrer im Schlussteil über die Steigungen nach Madonna del Ghisallo (8,6 km, Schnitt 6,2%) und nach Villa Vergano (3,2 km, Schnitt 7,4%). Traditionsgemäß lässt der Pfarrer von Ghisallo die Glocken läuten, wenn das Feld an der historischen Kapelle passiert.
Favorit
Favorit ist der WM-Zweite Joaquin Rodriguez, der das Rennen letztes Jahr im strömenden Regen gewann. Damals konnte „Purito“ im Ziel am Lungo Lario Isonzo, der sich in ein Regenschirmstadion verwandelt hatte, einen seiner schönsten, wenn nicht sogar den schönsten Erfolg seiner erfolgreichen Karriere feiern. Im Spurt um den zweiten Platz verwies Samuel Sanchez den Kolumbianer Rigoberto Uran auf den dritten Rang.
Rodriguez härteste Rivalen dürften seine Gegner von Florenz sein, allen voran Weltmeister Rui Da Costa, Vincenzo Nibali, Alejandro Valverde, Rigoberto Urán, Mailand-Turin-Sieger Diego Ulissi und Philippe Gilbert, der „Il Lombardia“ in den Jahren 2009 und 2010 davontrug.
Den letzten Überraschungssieg gab es 2011, als der Schweizer Oliver Zaugg sich in der Endphase auf und davon machte und den einzigen Saisonsieg bei einem World-Tour-Rennen für RadioShack holte.
Zwei Luxemburger Fahrer
Diesmal wird das Luxemburger Team von Andy Schleck (Startnummer 181) angeführt, der am Mittwoch wegen einer Nasennebenhöhlenentzündung auf den Start bei Mailand-Turin verzichtete. An der Seite von Schleck stehen Jan Bakelants, George Bennett, Matthew Busche, Ben Hermans, Maxime Monfort, Nelson Oliveira und Haimar Zubeldia im Aufgebot. Sportdirektor ist Kim Andersen.
Neben Andy Schleck wird mit Ben Gastauer (Startnummer 14) ein weiterer Luxemburger bei „Il Lombardia“ dabei sein. Er ersetzt in der Ag2r-Mannschaft den Franzosen Guillaume Bonnafond.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können