Nico Rosberg hatte wohl nie eine echte Wahl. Der Sohn eines Weltmeisters hatte die Formel 1 einfach im Blut. Schon als Baby hörte er das Brüllen der Boliden in der Wahlheimat Monaco, mit sechs Jahren saß er im Kart, als Teenager steuerte er ein Formel-1-Auto. Sein Werdegang war vorgezeichnet, und doch war es kein einfacher Weg. Seit elf langen Jahren ist der heute 31-Jährige in der Königsklasse unterwegs, er arbeitete hart, durchlebte Höhen und Tiefen und hat nun endlich den Gipfel erreicht: Nico Rosberg, Weltmeister der Formel 1 – der dritte deutsche Champion nach Michael Schumacher und Sebastian Vettel.
Bis 2014 hatte Rosberg zunächst warten müssen, ehe er endlich in einem Sieger-Auto saß. Doch anfangs war Lewis Hamilton, sein einstiger Jugendkumpel, ein zu starker Teamrivale. Der Engländer erntete in den vergangenen beiden Jahren irgendwie ja auch die Früchte von Rosbergs Arbeit – schließlich hatte der Deutsche schon seit 2010 geholfen, das neue Werksteam aufzubauen, das nun seit drei Jahren fast unschlagbar ist. Die Niederlagen gegen Hamilton prägten den Sohn von Ex-Weltmeister Keke Rosberg, und sie stärkten auch so manches Vorurteil gegen ihn. Hamilton, ein Meister der Psychospielchen, half dabei kräftig mit. «Ich komme aus einer nicht gerade noblen Gegend in Stevenage und habe auf der Couch im Apartment meines Vaters geschlafen», sagte er einmal: «Nico ist in Monaco mit Jets, Hotels und Booten aufgewachsen – der Hunger ist ein anderer.»
Kein verwöhnter Jet-Set-Boy
Rosberg also ein verwöhnter Jet-Set-Boy? Mitnichten. Natürlich merkt man Rosberg an, dass er nicht aus einem Vorstadt-Ghetto kommt. Aber gute Manieren, Höflichkeit, Bildung, Fremdsprachenkenntnisse als Makel? Auch ein schneller Rennfahrer darf fünf Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch) sprechen. Oder wissen, wie man Messer und Gabel benutzt. Zudem wurde er in all den Jahren immer wieder als der «nette Herr Rosberg» beschrieben. Zweifellos ein guter Rennfahrer, aber zu lieb, mit fehlendem Killerinstinkt. Ein ewiger Zweiter, dem angeblich das letzte Quäntchen für den großen Coup fehlte. So ein Stereotyp ist ziemlich beständig, und obwohl Rosberg seit Jahren durchaus mal Ecken und Kanten zeigt, hielt sich dieser Ruf hartnäckig.
Nach Rosbergs Meisterstück sollte damit Schluss sein. Natürlich hatte Hamilton in diesem Jahr viel Pech, aber das hatte Rosberg in den Jahren zuvor auch. Und 2016 sah die Motorsport-Welt einen häufig dominanten Nico Rosberg. Seine Stärken: Akribie, Cleverness, starke Nerven. Aber eben auch hartes Racing in entscheidenden Momenten. Mit dem WM-Titel schließt Rosberg daher eine Entwicklung ab, die vor rund einem Jahr den entscheidenden Impuls erhielt.
Wie ein echter Champion
Im Oktober 2015 verlor er in Austin das WM-Duell gegen Hamilton, drei Rennen vor Saisonschluss. Der Engländer fuhr hart, drängte Rosberg geradezu ab – und kam damit durch. Anschließend unterlief Rosberg noch ein merkwürdiger Fahrfehler, alle Chancen waren dahin. Selten hat man Rosberg so wütend erlebt wie damals in Texas. Wütend auf Hamilton, aber auch wütend auf sich selbst. Nach diesem Rennen, das räumt Rosberg heute ein, habe er sich «viele Gedanken gemacht und etwas mitgenommen. Ich versuche immer, aus den schwierigen Momenten zu lernen.» Was folgte, war eine eindrucksvolle Siegesserie, saisonübergreifend feierte Rosberg sieben Erfolge in Serie und legte den Grundstein für den Titel. Zwar kam Hamilton im Sommer noch einmal stark zurück, doch Rosberg blieb gelassen, kühl, fokussiert.
Im Alter von 31 Jahren hat sich Rosberg sportlich längst von seinem Weltmeister-Vater emanzipiert, er ist viel erfolgreicher. Seine Frau Vivian und die einjährige Tochter Alaïa geben ihm zusätzlichen Halt. Und die Rückschläge in den vergangenen Jahren machen diesen Titel noch viel wertvoller. Rosberg hat Charakter gezeigt, als es nötig war, Klasse bewiesen. Wie ein echter Champion.
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