Der Anreiz: Es war ein tragischer Lebensabschnitt, der bei Dan Santos eine fußballerische Motivation hervorgerufen hat. Im Jahr 2012 musste sich der Trainer einer schweren Operation am Kopf unterziehen, ein Tumor wurde entfernt. Dadurch verzögerten sich viele Dinge, wie etwa das Ablegen des B-Scheins: „Ich hatte mir damals zwei Ziele gesetzt: Zu überleben und das höchste Diplom zu erhalten.“ Heute kann der 41-Jährige „doppelt so stolz sein“, beides erreicht zu haben.
Die Pro-Lizenz-Aufnahme: Santos war noch Cheftrainer beim RM Hamm Benfica, als er 2018 den A-Trainerschein der UEFA erhielt. Drei Jahre später ging seine Ausbildung dann offiziell weiter. „Es ist nicht einfach, in eine Pro-Klasse aufgenommen zu werden.“ Andere Nationen fordern etwa eine Erfahrung als Profi- oder Nationalspieler. Zudem können im Ausland nur zwei Kandidaten eines anderen Verbands aufgenommen werden. Es war eher ein Produkt des Zufalls, dass sich die Wege von Dan Santos und Kris Van der Haegen, dem Leiter der belgischen Trainerausbildung, bei einem Symposium kreuzten. Beide kamen ins Gespräch, der Belgier bot dem FLF-Coach einen Platz an. „Er sagte, es wäre aufwertend, wenn Nationaltrainer in der Gruppe dabei wären. Obschon ich der ‚kleine Luxemburger‘ war, gab es nicht einen Moment, in dem ich mich nicht wohl gefühlt habe.“ Bertrand Crasson (Ex-F91-Trainer), der 36-jährige Vincent Kompany oder auch Karel Geraerts von Union Saint-Gilloise sind die Weggefährten von Santos, die ebenfalls aufgenommen worden sind.
Die Kandidatur: Einen Monat bevor es im März 2021 losging, wurde Dan Santos darüber informiert, dass seine Bewerbung von der Jury zurückbehalten worden war. Zu den Bedingungen für eine Aufnahme im UEFA-Pro-Licence-Programm des belgischen Verbands zählt einerseits die Note des A-Scheins, die über dem Gesamtdurchschnitt liegen muss. „Zudem braucht man eine Empfehlung des Verbands. Als Ausländer musste ich in meinem Bewerbungsschreiben ebenfalls argumentieren, warum ausgerechnet ich einen dieser zwei Plätze bekommen sollte.“
Zweimal 8.000: Gebühren in Höhe von 8.000 Euro streckte Dan Santos vor – nach dem Erhalt der Lizenz hat die FLF ihm die Kosten zurückerstattet. Die gleiche Anzahl an Kilometern legte der Coach im Auto zurück: Neben den regelmäßigen Fahrten ins belgische Camp in Tubize stand auch ein einwöchiges Praktikum beim SC Freiburg auf der To-do-Liste.
Die Ausbilder: Wer bildet eigentlich die besten Trainer aus? In Belgien sind Kris Van der Haegen, Ariel Jacobs, Mauro Innaurato und Jeff Brouwers für die Kurse zuständig. Zudem waren regelmäßig Gäste in Tubize vor Ort, die unterschiedliche Themengebiete angesprochen haben. „Nachdem ich mein Dossier über das Praktikum in Freiburg abgegeben hatte, wurde ich gebeten, es der Gruppe zu präsentieren. Es hat ihnen sehr gut gefallen. Das war schon eine sehr coole Erfahrung.“
Der Stoff: „Eine der wichtigsten Aussagen war, man müsse am Ende des Kurses ein anderer Trainer sein, als noch zu Beginn“, erinnert sich Santos. Die Psychologie spielte eine große Rolle: Der Umgang mit dem Trainerstab, den Betreuern, der Presse oder dem Verein, etwa in Krisenzeiten, gehörten zu den anvisierten Zielen. Zudem wurden Champions-League-Begegnungen und Spielsysteme analysiert. „Bei dem Länderspiel zwischen Belgien und Wales war es unsere Aufgabe, zu beobachten, ob und wie die Vorgaben des Trainers befolgt wurden.“ Bei der WM hatten die angehenden Pro-Lizenzierten dann die Rolle, potenzielle Gegner der Belgier zu analysieren.
Das Zeitmanagement: „Die Investition hat sich gelohnt“, sagt Santos im Nachhinein. Neben dem finanziellen Aufwand und den unzähligen Kilometern hat der 41-Jährige, der weiterhin beruflich bei der Spidolswäscherei eingestellt ist, nämlich sehr viel Zeit in das Diplom reingesteckt. „Privatleben, WM-Qualifikation der Damen, die Aufgabe als Technischer Direktor der Frauen, die Auswärtsspiele der U17, die Fahrten nach Tubize … Die Batterien waren fast leer. Ich fühle mich jetzt viel leichter.“ Die letzte Hürde war die Abschlussarbeit, die er vor der Jury präsentieren musste. „Da waren schon ein paar schlaflose Nächte dabei.“
Das beste Streich-Zitat: Der Freiburger Bundesliga-Trainer Christian Streich gehörte zu den ersten Gratulanten, die Santos für seinen neuen Titel beglückwünschten. „Es war geplant, dass ich während des Praktikums dort nur zehn Minuten mit ihm reden könnte. Aber er hat mir am letzten Tag sogar angeboten, ins Restaurant zu gehen.“ Ein Praktikum im Ausland gehörte zum Pflichtprogramm sämtlicher Absolventen, Santos’ erste Wahl war der Verein aus dem Schwarzwald, wo er mit offenen Armen empfangen worden ist. Eine Woche war Santos vor Ort – und alle im Verein wussten Bescheid, „vom Türsteher bis zu den Spielern. Die Profis haben mich rumgeführt und mit Michael Gregoritsch habe ich beim Kaffee über dessen ersten Länderspieltreffer gegen Luxemburg gesprochen. Ich habe mich sofort wie ein Teil dieses Klubs gefühlt.“ Der beste Rat des Deutschen an Santos war dann: „Ändere dich nicht für die anderen, bleib’ immer, wie du sein willst.“
Und jetzt?: „Ohne Pro-Lizenz kommt man nirgendwo rein. Wenn man Ambitionen hat …“, formulierte es Dan Santos, ohne zu verheimlichen, dass er sich höhere Aufgaben vorstellen könnte. Sei es der Weg über die Grenze oder zurück in den Männer-Fußball „Ich setze mir da keine Grenzen. Jetzt steht mir alles offen, man muss sehen, was das Leben noch so parat hat. In erster Linie ging es aber um mich selbst – und das Ziel, das ich mir damals selbst gesteckt habe. Jetzt fängt es erst richtig an.“ Doch von jetzt auf morgen wird sich das Leben des früheren BGL-Ligue-Trainers nicht ändern. „Ich bin mir auch nicht zu schade, um mittwochs weiterhin unsere ‚Détection‘-Einheiten (U11) zu leiten.“
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