Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy verspricht seinem Land gar einen „unermesslichen Gewinn“, wenn Madrid im Rennen gegen Istanbul und Tokio den Zuschlag bekomme. Olympia als Wunderwaffe gegen die aktuelle tiefe Finanz- und Wirtschaftskrise Spaniens?
Beim Volk kommen diese Sprüche nicht durchweg gut an, Medienumfragen zufolge ist die öffentliche Meinung ziemlich geteilt. Auch eine Reihe von Bürgerinitiativen wie etwa „Ecologistas en Accion“ mobilisieren bereits gegen die „unverantwortliche“ und „hirnrissige“ Olympiabewerbung der spanischen Hauptstadt für das Jahr 2020. Vor allem, weil der hochverschuldete Staat, der heute als Kandidat für den Euro-Rettungsschirm gilt, jetzt schon „ruiniert“ sei. Und angesichts eines tiefen Lochs in der Haushaltskasse Milliarden in der öffentlichen Gesundheitsversorgung, im Bildungsbereich, bei Familienförderung, Arbeitslosengeld, Pflegeleistungen und Renten einspare. Epizentrum des spanischen Sparzwangs, der immer mehr Menschen auf die Barrikaden treibt, ist übrigens ausgerechnet der Olympia-Kandidat Madrid.
Die Drei-Millionen-Einwohner-Stadt ist mit derzeit 7,4 Milliarden Euro die am höchsten verschuldete Kommune des ganzen Krisen-Königreichs. Das könnte mit Olympia bald noch mehr werden. Tägliche Demonstrationen und Streiks gegen immer härtere Kürzungen illustrieren heute schon die angespannte Lage in der Großstadt. Genauso wie im ganzen Land, wo die Euphorie nach dem Gewinn der Fußball-WM in 2012 dem Wehklagen über wachsende Armut und Massenarbeitslosigkeit gewichen ist.
Im dritten Versuch
Doch Spaniens Olympia-Politiker versuchen, ihre Landsleute mit dem Versprechen der „sparsamsten“ Spiele aller Zeiten zu überzeugen. Nur 1,5 Milliarden Euro müsse man für neue Sportstätten und Organisation ausgeben, sagt Projekt-Chef Alejandro Blanco. „Aller guten Dinge sind drei.“ Mit der Kandidatur für Olympia 2012 und 2016 sei Spanien gescheitert, nun werde es klappen.
Gerade wurde die Bewerbung beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) abgegeben, am 7. September wird das IOC über den Austragungsort entscheiden. Zuletzt wurden in Spanien im Sommer 1992 in der Mittelmeer-Metropole Barcelona die Spiele ausgetragen; in Madrid gab es noch nie eine Olympiade.
„Es gibt keine bessere Geldanlage als die Spiele“, wischt Blanco alle Bedenken vom Tisch. Die großen Investitionen habe man bereits für die beiden früheren Olympia-Kandidaturen gemacht, die meisten Sportstätten seien bereits gebaut. „In diesem Moment gibt es kein Projekt in Spanien, das so viel Einnahmen und Arbeitsplätze schaffen kann“, glaubt Blanco. Mit ähnlichen Versprechungen hatten freilich auch schon Olympia-Städte wie Athen (2004), Peking (2008) und London (2012) gelockt, ohne dass die finanziellen Träume in Erfüllung gegangen wären. In allen Fällen waren die Kosten explodiert.
Originelle Ideen
Doch immerhin wartet Madrid mit originellen Ideen auf, um Geld zu sparen und bestehende Veranstaltungsorte zu nutzen: So soll etwa die gigantische Stierkampfarena die Basketball-Wettkämpfe beherbergen. Im Real-Madrid-Stadion sollen die Fußballer um Medaillen kämpfen. Für die Beachvolleyballer will man einen See im zentralen Retiro-Park trockenlegen. Die neue Heimat des Real-Madrid-Rivalen Atletico Madrid würde als Olympia-Stadion dienen.
Ungute Gefühle weckt derweil, dass die Handballer in einer städtischen Halle namens „Madrid Arena“ spielen sollen, die gerade bei einer Megaparty zur Todesfalle für fünf Teenager geworden war – Ursache des Unglücks waren massive Baumängel und Schlampereien.
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