Prinz William jubelte im Tollhaus Wembley begeistert auf der Tribüne und aus den Boxen dröhnte der Ohrwurm „Football’s Coming Home“. Während die „Lionesses“ den EM-Titel bejubelten, vergoss der Finalgegner aus Deutschland auf dem Rasen viele Tränen. Nach einem großen Kampf und viel Werbung für den Frauenfußball hatten sich die Gastgeberinnen in der Verlängerung mit 2:1 (1:1, 0:0) behauptet.
Chloe Maggie Kelly sorgte mit ihrem Siegtreffer in der 110. Minute vor der EM-Rekordkulisse von 87.192 Zuschauern für ohrenbetäubenden Jubel im Fußball-Tempel Londons und für den ersten internationalen Titel der „Lionesses“ überhaupt. Es war der Startschuss zu einer großen Party. Zuvor hatte Lina Magull (79.) die erstmalige Führung der Gastgeberinnen durch Ella Toone (62.) ausgeglichen.
„Es ist unglaublich, hier zu sein und den Siegtreffer zu erzielen. Diese Mädchen sind etwas Besonderes, diese Trainerin ist etwas Besonderes. Das ist großartig. Ich will jetzt einfach nur feiern“, sagte Matchwinnerin Kelly bei BBC-Sport. England bejubelte den ersten Titel seit dem WM-Triumph der Männer 1966 im legendären Finale gegen Deutschland und machte es besser als Harry Kane und Co., die im Vorjahr ihr EM-Finale gegen Italien verloren hatten.
Gänsehaut-Atmosphäre
Gänsehaut-Atmosphäre herrschte in Wembley, wo sich viel Prominenz – von Prinz William bis hin zum deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz – versammelt hatte. Es war die größte Kulisse, die jemals bei einer EM – egal ob Männer oder Frauen – verzeichnet wurde. Das DFB-Team hatte zunächst einen Schock zu verdauen. Kapitänin und Torjägerin Alexandra Popp konnte bei dem Spektakel nur mit trauriger Miene zuschauen. Die 31-Jährige hatte kurz vor dem Anpfiff wegen muskulärer Beschwerden passen müssen. Den besseren Start in ein intensives Spiel erwischten dann auch die Engländerinnen. Sie bauten sofort Druck auf, während das deutsche Team nervös begann. Erst ein Kopfball von Ellen White (3.), dann war Torjägerin Beth Mead über außen frei durch (9.) – aber DFB-Keeperin Merle Frohms ließ sich zunächst nicht düpieren.
Deutsche Aktionen gab es wenige. Bei der Neuauflage des Finals von 2009 (6:2 für Deutschland) bestimmten die „Lionesses“ auch im Anschluss das Geschehen – bis Mitte der ersten Halbzeit, als Marina Hegering plötzlich die Riesenchance zur Führung hatte, die Engländerinnen konnten allerdings kurz vor der Linie noch den Ball wegstochern. Als bei dieser Szene aber der Video-Schiedsrichter einen möglichen Handelfmeter überprüfte, wurde es plötzlich ganz ruhig im großen Rund. Der Elfmeterpfiff blieb jedoch aus.
Mehr vom Spiel hatten in dieser Phase weiter die Engländerinnen, die mit ihrem körperlichen Spiel überlegen waren und die Deutschen vor große Probleme stellten. Weil aber auch die Gastgeberinnen bei ihren Abschlüssen wie beim Schuss von White zu hastig und ungenau agierten, blieb es in den ersten 45 Minuten torlos.
Die deutsche Mannschaft kam besser aus der Pause, legte im zweiten Durchgang den Vorwärtsgang ein und kam durch die eingewechselte Tabea Waßmuth (48.) und die stark aufspielende Lina Magull (49.) zu zwei großen Chancen – nutzte diese aber nicht.
Kelly erlöst England
Das sollte sich rächen. Die sechs Minuten zuvor eingewechselte Toone setzte den Ball mit einem Lupfer ins deutsche Tor und brachte das Wembley-Stadion zum Ausrasten. Das DFB-Team wollte die schnelle Antwort. Doch Magull scheiterte mit einem Pfostenschuss (66.) gegen die nachlassenden Gastgeberinnen. Der Druck auf die Engländerinnen wurde nun immer größer – und schließlich war Magull nach Vorlage von Waßmuth doch zur Stelle.
Es wurde immer leiser in Wembley, und das hatte seinen Grund. Die Engländerinnen wurden immer mehr in die eigene Hälfte zurückgedrängt und hatten nicht mehr die gleichen großen Spielanteile wie am Anfang. Doch Luxemburgs Gegner in der WM-Qualifikation gab nicht auf und hatte dank Kelly das bessere Ende für sich. Die 24-Jährige von Manchester City stocherte den Ball ins Tor.
Damit wird der „Three Lions“-Text endlich wahr – „Football’s coming home“ – der Fußball ist zu Hause.
Beim Gegner machte sich Enttäuschung breit. „Es tut einfach nur weh. Wir haben 120 Minuten alles gegeben und uns auch durch den 0:1-Rückstand nicht beirren lassen. Wir haben uns leider nicht belohnt. Das müssen wir erst mal sacken lassen. Wir sind trotzdem froh und stolz, dass wir so viele Menschen erreicht haben“, sagte Deutschlands Ersatzkapitänin Svenja Huth.
Darf man Deutsche "Mannschaft " zu einem Frauen Team sagen?