«Porno-Studie», «Kolbe-Spritze» und ungehemmte Dopingforschung mit Steuergeldern: Um die Chancengleichheit und Konkurrenzfähigkeit mit dem übermächtigen Ostblock-Sport zu sichern, hat es laut einer groß angelegten Studie auch in der Bundesrepublik vor allem in den 70er und 80er Jahren «staatlich subventionierte Dopingforschung» gegeben. Für Medaillen und Siege tat man (fast) alles – nur Frauen und Minderjährige waren im «systemischen Doping» tabu. Der Staat gab Geld und ließ die Forscher machen.
«Wir können mit Dokumenten belegen, dass an strategischen Planungen im Forschungsbereich auch Vertreter der Sportabteilung des BMI teilgenommen haben», sagte Professor Giselher Spitzer von der Berliner Humboldt-Universität am Montag in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Zuvor hatten die Projektleiter Spitzer und Michael Krüger(Münster) den zweiten Zwischenbericht zur Studie «Doping in Deutschland» vorgestellt.
500 Seiten belastendes Material
Die Studie stützt sich auf zahlreiche Archivdokumente und Aussagen von Zeitzeugen. Das 500-seitige Dokument soll laut Spitzer bis Mitte November in einer Druckfassung vorliegen und dann auch im Internet (www.bisp.de) verfügbar sein.
Das 1970 gegründete Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp), das die aktuelle Studie koordiniert, begleitet und finanziert, habe damals die «Forschungen mit Anabolika, Testosteron und anderen für Dopingzwecke geeigneten Substanzen» koordiniert, stellte Spitzer fest, der sich speziell mit dem «Doping-Phänomen» in der Bundesrepublik zwischen 1972 und 1990 beschäftigt hat.
Bekannte Gesundheitsschäden
«Das für uns als Forschungsgruppe Erschütterndste war, dass man in der Anfangsphase der Anabolika-Forschung die Gesundheitsschäden für den Mann zweifelsfrei festgestellt hat», erklärte der Professor. Die Forschungsergebnisse seien aber «vom Sport nicht aufgegriffen und kommuniziert worden, weil damit die leistungssteigernde Rolle der Anabolika vorbei gewesen wäre».
So habe es mit Wissen des Innenministeriums (BMI) Mitte der 80er Jahre eine «multizentrische Testosteron-Studie» von vier sportwissenschaftlichen Forschungs-Instituten gegeben, stellte Spitzer fest. Entgegen der offiziellen Sprachregelung müsse dies als «Dopingforschung» bezeichnet werden, denn sie «widersprach forschungsethischen Grundsätzen».
Hohe Dosierungen
Ziel war eindeutig die Leistungssteigerung, «es wurde auch mit relativ hohen Dosierungen gearbeitet», sagte Projektleiter Spitzer, der die Testosteron-Forschung als «Geldverschleuderung» bezeichnete und ein weiteres gravierendes Problem benannte: «Die Mediziner haben falsche Informationen an die Nicht-Mediziner gegeben.»
«Der Staat schwieg lange zu den steuermittelfinanzierten Studien», betonte Spitzer, «besonders das mit Auswertung von Forschungen und Informationsverbreitung beauftragte BISp». Das galt auch für die sogenannte «Porno-Studie»: Von 1973 an wurde daran geforscht, wie sich psychosexuelle Reize auf Leistungssportler – vor und nach der Anabolika-Einnahme – auswirken.
Unrühmlicher Höhepunkt
Einen unrühmlichen Höhepunkt erreichte das «Doping-Phänomen» 1976 vor und bei den Olympischen Spielen in Montreal: Insgesamt 1200 Spritzen mit den Medikamenten Berolase und Thioctacid sollen bei westdeutschen Schwimmern, Leichtathleten und Bahnradfahrern zur Leistungssteigerung gesetzt worden sein.
«Das waren ganz klar Dopingmittel, auch wenn sie damals noch auf keiner Verbotsliste standen», betonte Professor Spitzer. Dem Ruder-Weltmeister Peter-Michael Kolbe hat die Spritz-Kur vor dem Finale nicht geholfen: Der Hamburger Skuller holte damals «nur» Olympia-Silber.
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