Das europäische Sportmodell, wie man es seit vielen Jahren kennt, würde mit der Entstehung einer Super League im Fußball komplett über den Haufen geworfen werden. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Jurist Marc Theisen nannte diese Möglichkeit „eine große Gefahr.“ „Man riskiert, dass der Großteil des Geldes nur noch unter den ohnehin schon Großen verteilt wird.“ Die Rede ist nicht von ein paar Millionen Euro, sondern von massiven Summen.
Am Montagnachmittag fanden die ersten Anhörungen auf Kirchberg statt. Die spanische Gesellschaft „European Super League Company“ (ESLC) – angetrieben von Real Madrid, Juventus Turin und dem FC Barcelona – hatte in Spanien Klage gegen den europäischen Fußballverband UEFA sowie den Weltverband FIFA eingereicht. Doch die Konsequenzen sind weitreichend: Die Spanier baten den EuGH, ein EU-Recht für das Verfahren auszulegen, weshalb sich alle Augen der Sportwelt nach Luxemburg richteten. Nach der ESLC hatten am Nachmittag sowohl UEFA, FIFA als auch der spanische Verband und 20 europäische Staaten die Möglichkeit, ihre Vorträge darzulegen. „Sie sind alle gegen die Pläne einer Super League. Es ist allerdings schade, dass Luxemburg es verpasst hat, Stellung zu nehmen“, fügte Theisen hinzu.
Am Dienstagmorgen werden die 15 Richter ihre verbleibenden Fragen an die Vertreter stellen, bevor der Staatsanwalt das Datum für seine Entscheidung vorschlagen wird. „Dass sich das Maximum von 15 Richtern mit diesem Dossier beschäftigt, beweist auch, wie groß das Interesse des Europäischen Gerichtshof an diesem Fall ist.“ Mit einer Entscheidung wird im kommenden Frühling gerechnet.
Hervorgehoben hat der Luxemburger Experte des Sportrechts dann den Vortrag des deutschen Staats. „In der Stellungnahme ging es um die Grundprinzipien ‚höher, weiter, schneller’, denen man in Zukunft noch eine vierte Kategorie hinzufügen müsste: die Gemeinsamkeit. Solidarität im Sport gibt es mit einer Super League nicht. Die soziale Komponente des Sports würde komplett verschwinden.“
Die UEFA hatte Fußballern, die an einer Super League teilnehmen würden, nicht mit Sanktionen gedroht, sondern eine Austragung komplett untersagt. Die Statuten der unterschiedlichen Verbände besagen, dass im Konkurrenzfall für den Verband eine Genehmigung ausgestellt werden muss. So war das „Problem Super League“ eigentlich bereits nach 72 Stunden geregelt, als – auch nach dem großen Druck der Fans und der Presse – erste Vereine einen Rückzieher machten. Von den 15 Initiatoren sind nur drei geblieben, die weiter auf ihr Recht beharren.
Monopolisierung
Für Theisen handelt es sich trotzdem um eine rein rechtliche Angelegenheit: Ist das Verbot der Super League konform zum europäischen Kartellrecht der „libre circulation“ und Konkurrenz? Dies ist die Frage, mit der sich die Richter beschäftigen müssen. In der Vergangenheit hatte es bereits andere Fälle gegeben, bei denen Sportler gescheitert waren. Bei der Meca-Medina-Entscheidung aus dem Jahr 2006 geht es um zwei Schwimmer, die Dopingkontrollen als Eingriff in ihre Privatsphäre angeprangert hatten. Der EuGH hatte damals entschieden, dass Restriktionen im Sportbereich gestattet sind, solange sie ein legitimes Ziel verfolgen und diesbezüglich verhältnismäßig sind.
Die „European Super League Company“, die UEFA und FIFA eine Monopolisierung des Marktes vorwirft, berief sich auch auf andere Sportarten – nannte das „Tournoi des six nations“ (Rugby) oder die „Tour de France“ (Radsport) als Beispiele für identische Wettbewerbsmodelle in anderen Verbänden. „Der Unterschied ist aber, dass diese Events nicht nur von den betroffenen Verbänden geduldet werden, sondern auch finanziell klar geregelt sind. Dieser Vergleich hinkt also.“
Eine mögliche Super League würde nicht nur den Fußball betreffen, sondern die gesamte Sportwelt. „Wovon würden die Verbände denn leben, wenn private Organisationen die Machtstellung einnehmen würden? Was würde das im Umkehrschluss für die Regierungen bedeuten, die ja in den meisten Fällen die Infrastrukturen bereitstellen? Es wäre ein Erdbeben für den Sport“, sagte Theisen. „Es wäre eine größere Revolution als das Bosman-Urteil.“
Nach diesem aufschlussreichen ersten Tag am Gerichtshof sind Vorhersagen für den Ausgang weiterhin schwierig. Trotzdem sieht Theisen die Chancen für eine Super League eher klein, „aufgrund der Basis, dass es bereits Urteile gegeben hat, die die Spezifizität im Sportmilieu hervorheben. Es würde mich überraschen, wenn man mit so einem Urteil die Türen für andere aufmachen würde. Vorstellbar ist, dass die aktuellen Vorantreiber der Super League später ein anderes Modell präsentieren könnten.“
Das zweite Urteil
Bevor sich der Europäische Gerichtshof mit dem Thema Super League beschäftigte, ging es auf Kirchberg um den internationalen Eiskunstverband ISU. Der Fall war ähnlich: Eine Privatorganisation plant ein Spezialevent im Speedskating. Der internationale Verband drohte den Teilnehmern mit lebenslangen Sperren. Diese Verhandlung sei „symptomatisch für private Events“, sagte Theisen. „Jetzt wurde zurückbehalten, dass die Sperren zwischen fünf und sieben Jahren andauern können.“ Der Staatsanwalt hat seine Entscheidung für den 15. Dezember angekündigt.
Darum geht es beim Gerichtsverfahren
Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat die entscheidende Phase im Streit um die Gründung einer europäischen Fußball-Super-League begonnen. Am Montagnachmittag startete die mündliche Verhandlung in Luxemburg, wie das Gericht bestätigte. Die European Super League Company hatte Klage gegen die Europäische Fußball-Union UEFA und den Weltverband FIFA bei einem Gericht in Madrid eingereicht. Konkret geht es um den Vorwurf, die UEFA und die FIFA handelten wie ein Kartell, weil sie sich der Gründung der European Super League widersetzt hätten.
Die Anhörung ist der erste Schritt, ein Urteil wird nächstes Jahr erwartet. Das spanische Gericht hatte den EuGH gebeten, EU-Recht für das Verfahren auszulegen. Dabei geht es um Details etwa zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungsfreiheit, zum freien Dienstleistungs- und freien Kapitalverkehr.
Die Antworten des EuGH sind bindend, aber über die Klage entscheidet am Ende der spanische Gerichtshof. Dieser muss dabei aber die Antworten des EuGH berücksichtigen.
Zwölf Top-Clubs hatten im April 2021 die Gründung einer Superliga verkündet, den Plan nach massiven Protesten von Ligen, Verbänden und Fans jedoch schnell wieder verworfen. Die drei Spitzenvereine Real Madrid, Juventus Turin und FC Barcelona wollen aber weiterhin eine Super League als Konkurrenz zur Champions League der UEFA gründen. (dpa)
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