Auf der Zielgeraden gibt die Ukraine noch einmal alles. Mit großem Pomp wurde am vergangenen Wochenende in Charkow ein neues supermodernes Stadion eröffnet. Dort soll während der EURO 2012 vor 40.000 Zuschauern gespielt werden – wenn der europäische Fußball-Verband (UEFA) es so will. Das aber steht in den Sternen. / Von unseremKorrespondetenKnut Krohn (Warschau)
Morgen wird die UEFA bei einer Sitzung des Exekutiv-Komitees auf der Insel Madeira (Portugal) entscheiden, welche Städte in der Ukraine die Gastgeberrolle übernehmen dürfen.
Co-Ausrichter Polen hat für seine vier Stadien in Warschau, Danzig, Breslau und Posen von der UEFA bereits grünes Licht erhalten. Komplizierter gestaltet sich die Sache in der Ukraine. Nur Kiew gilt bisher als sicherer Kandidat, die Städte Charkow, Lwiw (Lemberg) und Donezk müssen noch zittern. Dabei sind Charkow und Donezk die einzigen Gastgeber, die fertige Stadien vorzuweisen haben. Die Probleme liegen in der Ukraine allerdings eher um die Sportstätten herum.
Ein grundsätzliches Handicap ist das politische und wirtschaftliche Chaos in dem Land. Der erbitterte Streit zwischen Präsident Viktor Juschtschenko und Regierungschefin Julia Timoschenko liegt wie Mehltau über der Ukraine – auch über dem Projekt EURO 2012. Die Stadien konnten nur so schnell hochgezogen werden, weil milliardenschwere Oligarchen dafür das nötige Geld auf den Tisch gelegt haben. Die dazugehörige Infrastruktur müsste allerdings der Staat aufbauen, tut dies aber nicht. So endet in Donezk die glatt geteerte Straße in Richtung Stadtzentrum nicht weit entfernt vom Stadion in einer für normale Autos kaum zu passierenden Schlaglochpiste. Für den Transport der Fans wurde zwar eine Straßenbahnlinie gebaut, die aber ist viel zu klein, um den Ansturm nach einer Begegnung zu bewältigen.
Ein größeres Problem sind die fehlenden Hotels. Niemand will in Donezk oder Charkow die nötigen Nobelherbergen bauen, da die beiden unansehnlichen Arbeiterstädte nicht gerade als Touristen-Hochburgen gelten und sie nach der EM mit Sicherheit leer stehen würden. Der Plan der Verantwortlichen in Donezk, die Gäste in Kasernen unterzubringen, wurde von der UEFA entsetzt abgeschmettert. Ungeklärt ist auch noch, wie die ausländischen Fans überhaupt in die Ukraine gelangen sollen. Die Flughäfen an den Spielorten sind hoffnungslos unterdimensioniert, das Straßennetz schlecht ausgebaut und die Zugverbindungen in einem miserablen Zustand.
In Polen blickt man inzwischen mit einiger Gelassenheit auf das Chaos beim Nachbarn. Manche hoffen insgeheim sogar, dass aus diesem Grund für das eigene Land noch etwas mehr herausspringt. So macht sich zum Beispiel Krakau berechtigte Hoffnungen, von den UEFA-Gewaltigen morgen als EM-Ersatzort nominiert zu werden. Hotels gibt es dort genug und das Stadion wird gerade modernisiert.
Offiziell aber steht Polen brüderlich zur Ukraine. „Das Land hat in den vergangenen Monaten große Fortschritte gemacht“, betont Marcin Herra, der auf polnischer Seite für die Organisation des Spektakels zuständig ist. „Man muss endlich damit aufhören, die Frage ‹Ob› zu stellen, sondern sich auf das ‹Wie› konzentrieren“, fordert der Manager.
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