Einst gaben die Reichen und Adligen, die damals meist die Gleichen waren, ihren Bediensteten zum 26. Dezember frei und schenkten ihnen Pakete – „boxes“ – mit Geschenken und Essensresten.
Heute zittern die Adligen in ihren feuchten und kalten Herrensitzen auf dem Land, weil sie sich die Heizkosten nicht mehr leisten können, während die neuen Reichen Hummer und Pasteten in den VIP-Logen der Spitzenclubs knabbern und mit breitem Grinsen zusehen, wie das Fußvolk auf den Tribünen die Mannschaften anfeuert.
Im englischen Fußballbetrieb findet jedes Jahr an Boxing Day eine komplette Meisterschaftsrunde statt. Traditionell sieht man mehr Familien als üblich an diesem Tag in den Stadien, die Väter nehmen Frau und Kinder mit zum Spiel, damit diese sich vor Ort davon überzeugen können, was ihre Dads an den anderen Samstagen so alles mitmachen müssen. Auf diese Weise erfahren die Mütter ebenfalls, woher ihre Sprösslinge all diese derben Ausdrücke hernehmen, mit denen sie im Schulhof oder im Kindergarten so gerne angeben. Auch die Reichen in den Logen freuen sich an diesen Ausdrücken, sie kennen sie von ihrem Personal und verwenden sie gelegentlich selbst beim Golf, bei der Jagd, in der Sauna oder am Lenkrad ihrer Limousinen.
Kaviar aus der Tube
Fußball an Boxing Day wurde eingeführt, um das Volk am zweiten Weihnachtstag zu unterhalten und um den Jungmillionären auf dem Rasen die Feiertage zu versauen. Bei vier Spielen innerhalb von zehn Tagen sind die Stars andauernd auf Achse, sie müssen nüchtern bleiben und feiern unterwegs im Bus oder in den Flughäfen, mit kleinen Lunch-Paketen mit Kaviar aus der Tube und Gänseleber-Brötchen und Champagner in praktischen Wegwerf-Dosen, einige Teams nehmen auch einen aufblasbaren Weihnachtsbaum mit in den Bus, eine willkommene Abwechslung zu dieser aufblasbaren Puppe, die viele Jungs ansonsten mit sich rumschleppen.
Von Geschenken ist an diesem Tag keine Rede, jedenfalls nicht auf dem Platz, und von einem gemütlichen Verdauungsspaziergang schon gar nicht. Aston Villa lagen die acht Tore bei Chelsea am Samstag davor gewaltig im Magen, Truthahn und Pudding wurden an Weihnachten gestrichen und durch Lauftraining ersetzt. Die Glamour-Truppe von Manchester City, die am vergangenen Samstag mit dem Siegtor in letzter Minute gegen das übermächtige Reading eine vorzeitige Bescherung erlebt hatte, hatte diesmal genug Anstand, Sunderland in letzter Minute nicht noch die Siegesfeier zu verderben. Manchester United, mit seiner Abwehr in gewohnter Geberlaune, erzielte gegen Newcastle erneut mehr Tore als seine Verteidigung Geschenke verteilte und vergrößerte seinen Vorsprung an der Spitze, wo Chelsea langsam aber sicher wieder an City herankommt.
Wucher
Auch die Londoner U-Bahn brachte sich am Boxing Day in die Schlagzeilen, mit einem Streik, dem das Spiel Arsenal gegen West Ham zum Opfer fiel. Ohne U-Bahn gelangt man nur schwerlich zum Emirates-Stadion im Auto-feindlichen London. Hier kosten drei Stunden Parken für jemanden ohne Park-Vignette gute fünfhundert Pfund, nämlich zweihundert fürs Abschleppen, hundert fürs Falschparken, fünfzig für den Verwaltungsaufwand und hundertfünfzig für die Taxifahrt zum Fuhrpark für abgeschleppte Fahrzeuge, der sich irgendwo zwischen Birmingham und Brighton befinden soll. In Luxemburg würde so etwas nie passieren, im Gegenteil, bei uns wird in allen Stadien auch dann gespielt, wenn die Züge planmäßig fahren.
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