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Paris-RoubaixDas Glück des Tüchtigen: Van der Poel gewinnt sein viertes „Monument“ – Kirsch 87.

Paris-Roubaix / Das Glück des Tüchtigen: Van der Poel gewinnt sein viertes „Monument“ – Kirsch 87.
Mathieu Van der Poel gewann am Sonntag Paris-Roubaix. Im Hintergrund jubelt sein Teamkollege Jasper Philipsen, der noch eine Runde im Velodrom zu fahren hatte und sich dann Platz zwei sicherte. Foto: Anne-Chrstine Poujoulat/AFP

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Paris-Roubaix wurde vom Holländer Mathieu Van der Poel gewonnen, der damit als vierter Fahrer nach dem Belgier Cyrille van Hauwaert (1908), dem Iren Sean Kelly (1986) und dem Deutschen John Degenkolb (2015) das Doublé „Mailand-Sanremo – Paris-Roubaix“ schaffte. Es war Van der Poels vierter Sieg bei einem „Monument“. Alex Kirsch wurde 87. auf 17‘03“.

Paris-Roubaix ist und bleibt ein spezielles Rennen. Um es zu gewinnen, muss man nicht nur ein tüchtiger Fahrer sein, sondern auch das Quäntchen Glück einsammeln können, das den Hauptkonkurrenten in den entscheidenden Momenten von den Pedalen fällt.

Dass Mathieu Van der Poel ein tüchtiger „Allrounder“ ist, hat er in der Vergangenheit zur Genüge bewiesen. Der 28-Jährige aus dem Team Alpecin (geb. am 19. Januar 1995 in Kapellen/B) wurde nicht nur fünfmal Cyclocross-Weltmeister, sondern gewann neben der „Ronde van Vlaanderen“ (2020, 2022) und zweimal „Dwars door Vlaanderen“ (2019, 2022) dazu das „Amstel Gold Race“ (2019), die „Strade Bianche“ (2021), „Mailand-Sanremo“ (2023) sowie je eine Etappe der Tour de France (2021) und des Giro d’Italia (2022).

Was wäre, wenn …

Van der Poel ist also ein Ausnahmefahrer, der vor Paris-Roubaix schon drei sogenannte „Monumente“ (2x „Vlaanderen“, 1x „Sanremo“) in seinem Palmares stehen hatte. Bei der „Reine des classiques“ galt er neben seinem belgischen Widersacher Wout Van Aert als Mitfavorit, sodass sein Solo-Erfolg im Velodrom von Roubaix beileibe keine Überraschung war.

Die Frage bleibt allerdings auf immer unbeantwortet, ob alles so wie geschmiert vonstatten gegangen wäre, wenn das Glück des Tüchtigen Van der Poel an diesem Tag nicht in hohem Maße geholfen hätte.

Da wäre zum Ersten der Ausfall von Van Aerts Edelhelfer Dylan Van Baarle und Christophe Laporte. Der eine stürzte in der berüchtigten „Trouée d’Arenberg“*), der andere wurde kurz danach ausgangs des Waldes durch einen Reifenschaden zurückgeworfen. Von da an pendelte Laporte mit anderthalb Minuten Rückstand hinter der siebenköpfigen Spitzengruppe, der neben Van der Poel und Van Aert auch noch Jasper Philipsen, Filippo Ganna, Mads Pedersen, John Degenkolb und Stefan Küng angehörten.

In diesem erlesenen Feld durfte Van der Poel als Einziger auf einen Teamgefährten zählen. Und dieser (Jasper Philipsen) war mitverantwortlich, dass ein zweiter Konkurrent um den Sieg „ausgeschaltet“ wurde. Im entscheidenden Sektor des „Carrefour de l’Arbre“ schwenkte Philipsen nach rechts und drückte seinen Leader Van der Poel gegen den auf dem „Sommerweg“ fahrenden John Degenkolb.

Rechte Schulter gegen linke Schulter, Van der Poel blieb auf dem Rad, Degenkolb kippte in die Zuschauer und musste sich später mit dem 7. Rang begnügen. Weinend lag er im Zielraum und war untröstlich, dass er einen durchaus möglichen zweiten Roubaix-Sieg nach 2015 verpasst hatte.

Die definitive Entscheidung über Sieg und Niederlage fiel, als Van Aert nach dem „Carrefour de l’Arbre“ das Hinterrad wechselte. Im letzten Teil dieses Sektors erlitt er Reifenschaden und musste Van der Poel ziehen lassen. Die Birne war geschält, Van Aert blieb nichts anderes übrig, als mit Van der Poels Teamgefährten Philipsen im Schlepptau bis ins Velodrom zu fahren, wo ihn vor versammeltem Publikum die Höchststrafe ereilte. Er wurde im Spurt auf den dritten Platz verwiesen, sodass die Alpecin-Mannschaft mit Van der Poel und Philipsen einen Doppelerfolg feiern konnte.

„Es ist schade, dass ich so viel Pech hatte“, meinte Wout Van Aert im Ziel. „Ich habe mich gut gefühlt und hätte meine Chance gehabt, wenn wir als Duo bis nach Roubaix gefahren wären. So ist halt das Leben. Als ich plattlief, war es wie ein Albtraum. Ich konnte es nicht fassen und habe versucht, positiv zu denken und die Verfolgung aufzunehmen. Stellen Sie sich vor, Mathieu hätte im Finale auch einen Platten gehabt. Es wäre schade gewesen, wenn ich meine Chance nicht hätte nutzen können. Am Ende stand ich trotzdem auf dem Podium. Das ist nicht so schlecht, auch wenn es hätte besser ausgehen können.“

Rekordtempo: 46,84 km/h

„Plötzlich war ich ganz allein“, sagte Sieger Mathieu Van der Poel. „Ich habe gemerkt, dass Van Aert ein Problem hatte, aber ich wusste nicht, dass es eine Reifenpanne war. Vielleicht hätten wir gemeinsam bis zum Velodrom fahren können, aber das ist Teil des Sports. Manchmal braucht man nicht nur die Beine, um sich durchzusetzen, sondern auch das Glück. Zufällig hatte ich beides. Ich habe mehrmals versucht, Wout abzuschütteln und bin nie in Panik geraten. Ich liebe dieses Rennen, aber es ist so hart. Zum Glück fühlte ich mich sehr stark. Allein in das Velodrom einzufahren, ist ein Gefühl, das sich nur schwer beschreiben lässt. Wir haben den ganzen Tag über einen tollen Job gemacht und mit Jasper Philipsen einen Doppelsieg erzielt, der uns vielleicht nie wieder gelingen wird.“

Mit seinem ersten Erfolg bei Paris-Roubaix, das im Rekordtempo von 46,84 km/h (!) heruntergespult wurde, machte Mathieu Van der Poel es besser als sein Vater Adrie, der 1986 als Dritter aufs Podium fuhr, und sein Großvater (mütterlicherseits) Raymond Poulidor, der den Klassiker 1962 auf dem fünften Platz beendete. Auffallend war, dass Van der Poel sowohl bei Mailand-Sanremo als auch bei Paris-Roubaix die Nummer 21 trug. Mit der 21 auf dem Rücken fuhr übrigens auch Tadej Pogacar bei seinem Erfolg in der „Ronde van Vlaanderen“.

Van der Poel bestritt bisher 14 „Monumente“. Ganze 13 Mal schaffte er es unter die „Top Ten“ (93%). Diesen Prozentsatz erreichte nicht einmal Eddy Merckx mit 44 „Top Ten“ bei 51 „Monumenten“ (86%), dafür aber 19 Siegen gegenüber 4 für den „fliegenden Holländer“.

Unter den 135 Fahrern, die es bis ins Velodrom von Roubaix schafften (als Letzter wurde der Kanadier Derek Gee auf 25‘44“ klassiert), war auch der einzige Luxemburger Teilnehmer Alex Kirsch. Der Trek-Segafredo-Fahrer traf mit einem 17-köpfigen Feld als 87. mit 17‘03“ Rückstand auf Sieger Mathieu Van der Poel ein. Bei seinem fünften Paris-Roubaix figurierte Kirsch damit erstmals im offiziellen Klassement. In den Jahren 2018, 2021 und 2022 gab er auf, 2019 traf er nach Kontrollschluss ein.

*) Von den Mitfavoriten schieden durch Sturz u.a. auch Peter Sagan, Kasper Asgreen und Matej Mohoric aus.