Zehn Tage vor dem Champions-League-Endspiel im englischen Heiligtum Wembley will eine britische Mannschaft Geschichte schreiben. Denn ein Jahr nach dem Triumph in der Königsklasse gegen den FC Bayern München im Elfmeterschießen wollen die Londoner zumindest die „kleine“ europäische Trophäe in den Nachthimmel von Amsterdam recken. „Wenn du mal einen Titel gewonnen hast, kriegst du Hunger auf mehr“, sagt Defensivspieler David Luiz: „Im letzten Jahr gab es ein gutes Steak. In diesem Jahr immerhin Hühnchen.“
In die Historie eingehen
Dass es diesmal nur um die Europa League geht, kümmert bei Chelsea niemanden. Zumindest nicht mehr, seit klar ist, dass man viele Seiten der Geschichtsbücher neu schreiben kann. Als erster Klub könnten die Londoner für zehn Tage – bis zum Showdown zwischen Bayern München und Borussia Dortmund – im Besitz beider Europapokale sein. Als fünfter Verein nach den Bayern, dem FC Barcelona, Ajax Amsterdam und Juventus Turin könnten sie alle drei Europapokale in der Vitrine stehen haben. Und Trainer Rafa Benitez könnte als erster Coach nach Udo Lattek mit einem dritten Verein einen Europapokal gewinnen.
All das trieb Chelsea an, in einer Saison, die nach eigenen Maßstäben zum Vergessen war. In der Meisterschaft waren die Chelsea-Stars gegen die beiden Manchester-Klubs chancenlos, bei der Klub-WM verloren sie das Finale gegen Corinthians São Paulo (0:1), im FA-Cup und im Ligapokal scheiterten sie jeweils im Halbfinale. Nun geht es eben um den Trostpreis. „Es fühlt sich schon ein bisschen anders an als Champions League“, sagt Torhüter Petr Cech: „Es ist schon komisch, wenn man vor dem Anpfiff nicht die Hymne hört. Aber wir behandeln diesen Wettbewerb mit Respekt. Und jetzt, wo wir so weit gekommen sind, wollen wir auch den letzten Schritt machen.“ Kapitän John Terry ergänzt: „Es tat sehr weh, den Champions-League-Pokal abzugeben. Aber schon in den ersten Spielen in der Europa League haben wir gemerkt, wie viel der Wettbewerb den anderen Vereinen und den Fans bedeutet. Nun sind wir im Endspiel, und ein Sieg könnte den Schmerz ein wenig vergessen lassen.“ Für Benitez bedeutete es eine Menge Arbeit, die Truppe nach dem ersten Vorrunden-Aus eines Champions-League-Titelverteidigers für den „Cup der Verlierer“ zu begeistern. „Die Motivation war zunächst am Boden“, äußerte der Spanier: „Aber ich kannte den Wettbewerb und habe das Team dafür begeistern können.“
Benitez gewann 2004 mit dem FC Valencia den UEFA-Cup und führte den FC Liverpool ein Jahr später zum Triumph in der Champions League. Seinen Job wird der 53-Jährige nicht mehr retten können, Nachfolger wird wohl sein Erzfeind José Mourinho. Doch Benitez könnte seine Ehre retten.
Kampf gegen den Endspiel-Fluch
Benfica kämpft derweil gegen seinen Endspiel-Fluch an. Seit dem Triumph im Landesmeister-Cup 1962 verloren die Portugiesen sechs europäische Finals in Folge. „Als Benfica seine große Zeit in der Sportgeschichte hatte, war ich noch ein Kind“, sagt Trainer Jorge Jesus: „Aber ich habe viel darüber gelesen; auf dem Weg in mein Büro muss ich im Flur an 30 oder 40 Fotos vorbei, die zeigen, welche Bedeutung Benfica in den 60er Jahren hatte. Dass wir nun wieder ein Endspiel erreicht haben, ist ein bedeutender Moment in der Geschichte des Vereins. Und nun wollen wir auch das i-Tüpfelchen.“
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