Seine Gegner heißen Peter Sagan und Tom Boonen, der Gewinner von 2005, 2006 und 2012. Am Start ist mit Jempy Drucker auch ein Luxemburger.
Für die Flamen ist der Ostersonntag weitaus mehr als nur ein freier Tag. Die «Ronde», die vor 100 Jahren «erfunden» wurde (erste Austragung 1913), fährt wieder durch Flandern, und das bedeutet für die Leute in diesem Teil Belgiens etwa so viel, wie wenn zusätzlich zu Ostern auch noch Weihnachten und der Nationalfeiertag am selben Datum gefeiert würden.
Die Flaggen werden gehisst, überall sind die Häuser geschmückt, und das Volk zieht zu Hunderttausenden hinaus in die Straßen, wo die «Ronde van Vlaanderen» passiert. So wird es auch am Sonntag sein, wenn die Fahrer den «Groote Markt», den schönsten Startplatz eines Rennens überhaupt, erst einmal verlassen haben.
Giftige Anstiege
Die „Ronde“ sorgt für so viel Gesprächsstoff wie kein anderes belgisches Rennen. Und das, weil Veranstalter Walter Vandenhoute, der die Flandern-Rundfahrt vor vier Jahren kaufte, im Vorfeld der 2012er Auflage an der Strecke gefummelt hat und das frühere Grundgerüst mit u.a. dem «Mur de Grammont» und dem Bosberg 16 und 12 Kilometer vor dem Ziel in die Geschichtsbücher verbannt hat.
Stattdessen stampfte er letztes Jahr einen neuen Parcours aus dem Boden, der in der Entscheidung eine Schleife über den Oude Kwaremont und den Paterberg vorsieht, die alle beide dreimal erstiegen werden müssen, zum letzten Mal 16 und 13 km vor dem Ziel. Dies deckt sich in etwa mit den bisherigen Abständen im Finale mit «Mur de Grammont» und Bosberg.
Die Änderungen mit dem Entfernen des legendären «Muur» stört die sogenannten «Puristen», erhielt aber die Zustimmung von anderen (wie beispielsweise Eddy Merckx), die meinten, dass Außenseiter seit jeher ihre Chance hatten. Ein Beispiel gefällig: 2011 spurtete Nick Nuyens kurz vor dem Strich in Meerbeke an Sylvain Chavanel und dem damals das Rennen dominierenden Fabian Cancellara vorbei ins Ziel.
Drohungen
«Die Trilogie Kwaremont-Paterberg bietet vor allem den Zuschauern, die live dabei sein wollen, etwas», so der Organisator. Es gibt aber auch Leute, die von einem «Kirmesrennen» reden oder solche Verrückte, die ihr Entsetzen über die Streckenänderung durch Drohungen ausdrücken. So erhielt der Bürgermeister von Oudenaarde, wo das Rennen am Sonntag zum zweiten Mal zu Ende gehen wird, schon mal ein Schreiben, in dem unbekannte Absender ankündigten, Nägel auf die Strecke zu streuen.
Insgesamt 17 Anstiege («hellingen») und acht «Pavé»-Abschnitte («kasseien») mit einem Total von rund 20 km stehen auf dem Menü der Fahrer. Die Veranstalter haben 26 Teams eingeladen. Das Feld besteht aus den 19 UCI-World-Tour-Mannschaften sowie sieben «Zweitligisten», die eine Wildcard erhielten.
Mit dabei ist auch die belgische Mannschaft Accent Jobs-Wanty mit dem Luxemburger Jempy Drucker als Leader («kopman», wie die Flamen sagen). Letztes Jahr musste Drucker wegen eines Schlüsselbeinbruchs drei Wochen vor der «Ronde» schweren Herzens auf sein Lieblingsrennen verzichten. Ihm zur Seite stehen die Fahrer Roy Jans, Staf Scheirlinckx, Stefan van Dijk, James Vanlandschoot, Benjamin Verraes und Tim De Troyer.
«Cancis» Revanche?
Topfavorit ist für die meisten Beobachter Fabian Cancellara, der den Klassiker in den Jahren 2010 (Sieg) und 2011 (3. Rang) nach Strich und Faden dominierte. Vor zehn Tagen gewann der Schweizer die Generalprobe beim E3-Preis in Harelbeke. 35 Kilometer vor dem Ziel wimmelte er am Oude Kwaremont alle Gegner ab. Bei der «Ronde» klebte Cancellara oft das Pech am Sattel. 2009 musste er beispielsweise im Koppenberg wegen einer gebrochenen Kette passen. Letztes Jahr endete sein Angriff auf einen zweiten Erfolg in der Verpflegungszone vor dem Steenbeekdries.
Etwas mehr als 60 Kilometer vor dem Ziel geriet «Canci» beim «Ravitaillement» aus dem Gleichgewicht und stürzte schwer. Er blieb minutenlang am Boden liegen, wurde dann in die Klinik von Oudenaarde transportiert. Dort stellte man einen vierfachen Bruch des rechten Schlüsselbeins fest. Der mehrfache Zeitfahr-Weltmeister wurde noch am Abend in einer Basler Klinik operiert.
Nach dem «Out» Cancellaras war der Weg frei für Tom Boonen. Der Favorit aller Belgier ließ sich nicht bitten. Im Sprint einer Dreiergruppe setzte er sich auf souveräne Manier gegen seine beiden Begleiter Filippo Pozzato und Alessandro Ballan durch. Das Trio hatte sich rund 18 km vor dem Ziel in Oudenaarde vom Peloton abgesetzt. Boonen gewann damit zum dritten Mal nach 2005 und 2006 die «Ronde van Vlaanderen» und zog gleich mit den bisherigen Dreifachsiegern Achile Buysse, Fiorenzo Magni, Eric Leman und Johan Museeuw.
Favoriten
Neben Cancellara und Boonen, dessen Knieverletzung ausgeheilt zu sein scheint, gehört in Abwesenheit des erkälteten Weltmeisters Philippe Gilbert auch der Slowake Peter Sagan zum Trio der ganz großen Favoriten. Er ließ sich vor zwei Wochen beim Finale von Mailand-San Remo vom Deutschen Gerald Ciolek überraschen, nahm aber am letzten Sonntag bei Gent-Wevelgem auf beeindruckend Revanche.
Genau wie Boonen stieg Sagan im Laufe der Woche nach zwei Etappen aus den «Drei Tagen von La Panne», um die «Ronde» besser vorbereiten zu können. «Canci» seinerseits zog sich für einige Tage ins heimische Berner Gelände zurück, bestätigte aber am Freitagnachmittag auf einer Pressekonferenz im Mannschaftshotel «Weinebrugge» in Sint-Michiels noch einmal seine Ansprüche aufs oberste Treppchen. Zu den schärfsten Gegnern zählte er neben Boonen und Sagan auch den Sieger der «Drei Tage», Sylvain Chavanel. Warum eigentlich nicht? Wenn drei sich streiten, könnte sich der Vierte freuen. Gut möglich, dass endlich des Franzosen große Stunde in der «Ronde» schlägt.
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