Am Sonntag reagierte RNT-Teamchef Johan Bruyneel im Tageblatt-Interview. Er zweifelt die Schwere der Verletzung an und antwortet auf die Frage, was an einem ganz bestimmten Gerücht dran ist, das Mitte vergangener Woche die Runde machte.
Tageblatt: Seit heute (Sonntag) ist der Giro definitiv für Frank Schleck gelaufen. Die nächste Enttäuschung für das Team RadioShack-Nissan diese Saison …
Johan Bruyneel: «Heute (Sonntag) Morgen sah es nicht so aus, als ob er aufhören würde. Er hat vielleicht eine Verletzung an der Schulter, aber gestern (vorgestern) ist er mit den Besten angekommen. Seine körperliche Verfassung kann nicht schlecht gewesen sein, wenn er um die Top-10-Plätze mitfährt.»
Denken Sie, dass die Verletzung vorgeschoben wurde, um vorzeitig aufzugeben?
«‹Je pense que la blessure n’était pas suffisante pour abandonner›. Ich bin sehr enttäuscht, dass er aufgegeben hat. Ich bin vor allem enttäuscht, dass er sich aufgegeben hat und dass er das Team im Stich gelassen hat. ‹Il n’a pas trop insisté pour continuer le Giro.'»
Es ist kein Geheimnis, dass Frank Schleck den Giro gar nicht fahren wollte …
«Ich hoffe sehr, dass er nicht deshalb aufgegeben hat. Das wäre gar nicht gut.»
Bereits Mitte der Woche ging ein Gerücht umher, das besagte, Frank Schleck würde am Sonntag aufgeben bzw. spätestens am Dienstag nach dem Ruhetag nicht mehr an den Start gehen …
«Ich habe auch davon gehört. Und ich habe ihn heute (Sonntag) gefragt, ob das stimmt. Er hat mir das verneint, gesagt, dass das nicht stimmt.»
Frank Schleck hatte einen recht guten Giro-Anfang. Was ist dann passiert?
«Er hatte alle Optionen, ein gutes Rennen zu fahren. Eine Zeit lang war das auch der Fall. Nach dem Mannschaftszeitfahren war seine Moral gut, nach seinem Sturz hat er dann im Kopf abgebaut. Fahrer sind allerdings auch keine Maschinen.»
Wie sieht nun sein Programm aus?
«Nach dieser Aufgabe müssen wir sein Programm ändern. Er wird nun die Tour de Luxembourg fahren und die Tour de Suisse.»
Und die Tour de France?
«Die ist noch weit weg. Derzeit ist keiner im Team auf der Höhe dessen, was wir erwartet hatten. Lediglich Fabian Cancellara war es, ehe er stürzte. Alle anderen haben nichts umgerissen. Derzeit ist kein einziger Fahrer für die Tour de France gesetzt.»
Keiner?
«Keiner!»
Es scheint Redebedarf zu herrschen, intern …
«Ja, wir müssen uns zusammensetzen und reden. Ich habe einige Sachen intern zu sagen. Ich bin nämlich sehr unzufrieden. Welchen Tag haben wir heute? Den 20. Mai. Und wie sieht unsere Bilanz aus? Null. Sie ist null. Und das muss sich ändern. Es liegt in unserer Verantwortung, dass sich was ändert.»
Aber das ganze Team hat bislang enttäuscht.
«Damit eine Mannschaft funktioniert und Resultate einfährt, müssen in erster Linie ihre Leader, ihre Kapitäne, gut fahren. Sie müssen wie Leader auftreten, und das haben wir diese Saison noch nicht gesehen. Außer vielleicht Chris Horner, u.a. bei Tirreno-Adriatico.»
Verstehen Sie, dass die allgemeine Unzufriedenheit wächst?
«Natürlich verstehe ich die Leute, die unzufrieden sind. Auch ich bin nicht stolz auf das, was wir bislang gezeigt haben.»
Hatten Sie erwartet, dass Ihre Aufgabe bei RadioShack-Nissan derart schwer werden würde?
«Nein, das hatte ich sicher nicht so erwartet. Aber manchmal kann sich alles sehr schnell wenden. Ein paar schöne Siege, und schon sieht wieder alles anders aus. Ich nehme jetzt das Team, das bei der Tour of California im Einsatz ist. Die haben gestern alles versucht, wirklich alles, und obwohl sie nicht gewonnen haben, dürfen sie stolz auf sich sein. Ich will in Zukunft von allen sehen, dass sie stolz auf sich sein können. Das durften wir dieses Jahr noch nicht oft sein, so einfach ist das. Lediglich das Klassiker-Team, das Fabian Cancellara helfen sollte, durfte es sein.»
Was vermissen Sie sonst noch?
«‹Il me manque le Killer Instinct›.»
Den haben wir diese Woche bei der Flèche du Sud gesehen. Ein Wort zu Bob Jungels?
«‹Cette équipe-là, a l’enthousiasme. Ils ont cette volonté pour se battre.› Ich will jetzt Bob nicht unter Druck setzen, aber er hat unglaubliches Talent. Er ist bekannt dafür, ein knallharter Arbeiter zu sein. Er ist sehr professionell und ein Perfektionist. Und nur mit diesen Eigenschaften geht es, kommt man voran. Die Flèche du Sud zu gewinnen, war sein großes Ziel, dieses Rennen ist eine ‹épreuve de prestige›. Er hat es gegen Fahrer geschafft, die zwei, drei Jahre älter sind und bereits Profis waren. Und das sagt einiges aus.»
Wann wird er sich das Trikot von RadioShack-Nissan überziehen dürfen?
«Wir haben mit Leopard-Trek ein langfristiges Projekt auf die Beine gestellt. Wir müssen gut nachdenken und dann eine Entscheidung treffen. Aber Achtung, es ist nicht weil Bob jetzt die Flèche gewonnen hat, dass er auch bei den Profis gleich alles gewinnen wird … Ihr Luxemburger dürft jedenfalls sehr stolz auf ihn sein.»
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