Wissenschaft und Medizin spielen im Leistungssport eine immer größere Rolle. Beide Aspekte sollen in Luxemburg durch das Luxembourg Institute for High Performance in Sports, kurz LIHPS, weiter gefördert werden. Es ist aber nicht so, als ob bislang in diesem Bereich nichts passiert wäre.
Von Chris Schleimer
Die Sportklinik in Eich mit dem Forschungslabor für Sportmedizin am gleichen Standort hat sich über das letzte Jahrzehnt etabliert und davon profitieren definitiv nicht nur Leistungssportler. Das Tageblatt hat sich mit Dr. Axel Urhausen und Prof. Daniel Theisen über den Stellenwert und die Herausforderungen der Sportwissenschaften und Sportmedizin in Luxemburg unterhalten.
Nicht nur für Hochleistungssportler
Als Dr. Axel Urhausen mit seinen Kollegen die Sportklinik aufbaute, waren sie es leid, immer wieder zu erklären, was Sportmedizin eigentlich ist. Dr. Urhausen druckte die Definition der Sportmedizin in verschiedenen Sprachen aus und hing sie auf sämtlichen Etagen des Gebäudes auf. Mittlerweile hat die Sportmedizin ihren Platz in der Gesellschaft gefunden.
Das Forschungslabor für Sportmedizin hinkt da noch ein wenig hinterher, wenngleich auch dem Team von Prof. Daniel Theisen immer mehr Beachtung geschenkt wird. «Als wir den Leuten zu Beginn erklärten, worüber wir forschen, dachten sie meistens, es wäre nur für Hochleistungssportler. Wir forschen aber nicht nur, damit Leistungssportler nach Verletzungen wieder schneller fit werden. Uns geht es auch darum, normalen Leuten nach einer Verletzung oder Krankheit den Weg zurück zu einem aktiven Leben so schnell es geht zu ermöglichen», erklärt Prof. Daniel Theisen, der dabei unter anderem auf die Forschungsarbeit bei Kreuzbandrissen hinweist. Das Gleiche gilt für Herz-, Krebs- und andere Patienten, die nach ihrer Krankheit wieder körperlich aktiv werden wollen.
Den meisten Menschen ist mittlerweile klar, dass Sportmedizin nicht nur den Sportlern vorbehalten ist. Das war aber nicht immer so, wie sich Dr. Urhausen erinnert. «Es gibt eine Episode aus unserer Anfangszeit, die werde ich nie vergessen. Ein älterer Herr hatte einen uralten Trainingsanzug aus dem Schrank gekramt, um sich bei uns ins Wartezimmer zu setzen. Als er dann in mein Büro kam, hat er sich entschuldigt, dass er als Nicht-Sportler in die Sportklinik kommt.»
Umständliche Finanzierung
Dabei machen Leistungssportler nur knapp zehn Prozent der Patienten der Sportklinik aus. Es sind zwei andere Kategorien, mit denen die Sportmediziner vor allem zu tun haben. «Das sind Manager um die 50 oder 60, die gesünder leben wollen und vorbeischauen, um zu wissen, ob sie Sport treiben können. Ein weiterer großer Teil sind Herz-, Krebs- oder andere Patienten, denen wir dabei helfen, wieder ein aktives Leben führen zu können», so Urhausen.
In Luxemburg arbeiten die Sportmedizin und das Forschungslabor sehr eng zusammen. «Wir haben hier ideale Bedingungen. Unsere Zusammenarbeit ist exemplarisch, was auch daran liegt, dass wir im gleichen Gebäude angesiedelt sind», so Dr. Urhausen. Prof. Theisen und sein Team können somit für ihre klinischen Studien leicht auf Patienten zurückgreifen.
Doch so gut diese Zusammenarbeit auch funktioniert, so groß ist die Herausforderung für Theisen, das Budget für sein Labor zusammenzubekommen. Sport- und Bewegungsbezogene Forschung ist kein Schwerpunkt im Sponsoring des «Fond national de la recherche» (FNR). «Der FNR hat uns zwar in der Vergangenheit einige Projekte finanziert, aber das ist bereits ein paar Jahre her. Es ist für uns sehr schwer an öffentliche Gelder zu kommen», so Theisen, der das Labor wie eine Firma führt. «Wir werden zwar vom Forschungsministerium unterstützt doch 50 Prozent des Budgets kommt nicht von öffentlichen Einrichtungen. Ich muss also dafür sorgen, dass wir Verträge mit verschiedenen Partner unterzeichnen, da ich sonst meine Leute nicht bezahlen kann.»
Obschon das Ansehen der Sportmedizin ständig wächst, steht sie in Luxemburg dennoch auf etwas wackeligen Füßen. «Das Ganze funktioniert, weil die verschiedenen Akteure wie LIH («Luxembourg Institute of Health») die Sportklinik, das COSL, das Sportministerium und noch andere sich gut verstehen. Doch es steht nirgends geschrieben, dass diese Akteure sich gut verstehen müssen», warnt Urhausen. Theisen fügt noch hinzu, dass vieles von einzelnen Personen abhänge und wenn der eine oder andere einmal wegfalle, sei das Risiko groß, dass das ganze Gerüst Schaden erleiden würde.
Hoffnungsträger LIHPS
Durch die Schaffung des LIHPS erhoffen sich Theisen und Urhausen, dass sich die Lobby für ihren Tätigkeitsbereich vergrößert. «Durch das LIHPS bekommt die Sportwissenschaft eine größere Aufmerksamkeit. Das kann für uns nur von Vorteil sein», so Theisen.
Das sieht auch Dr. Urhausen so, wenngleich die Arbeit mit Leistungssportlern sich doch vor der mit anderen Patienten unterscheidet. Das liegt bereits allein an der Tatsache, dass Hochleistungssport nicht mehr gesund ist. «Da lautet die Devise, so lange wie möglich gesund zu bleiben, trotz Spitzensport. Hier wird in Zukunft auch die Sportethik eine immer größer werdende Rolle spielen.»
Auch wenn der Hochleistungssport der Gesundheit nicht förderlich ist, so trifft das in keinster Weise auf die körperliche Betätigung von Hobbysportlern zu. «Natürlich kann man sich beim Sport verletzen, aber der Nutzen der körperlichen Betätigung ist um ein Vielfaches höher», unterstreicht Urhausen, bevor Theisen noch hinzufügt: «Viele Krankheiten sind erst dadurch entstanden, dass wir uns nicht mehr ausreichend bewegen. Die beste und wohl auch billigste Prävention gegen viele Krankheiten ist der Sport.» Und das leben sowohl Urhausen als auch Theisen vor. Während der Arzt versucht, zwei- bis dreimal in der Woche Rad zu fahren, geht der Forscher regelmäßig laufen und besucht ein Fitnessstudio.
Wissenschaft im Hochleistungssport
«Durch die Forschungen im Bereich Bewegung werden viele Erkenntnisse gewonnen, die dann auch im Hochleistungssport angewandt werden können», so Professor Theisen. Die Sportwissenschaft, die aus vielen unterschiedlichen Disziplinen besteht, wie zum Beispiel Biomechanik, Psychologie, Trainingswissenschaft oder eben Medizin, hat über die vergangenen Jahre einen enorm hohen Stellenwert erlangt. «Wenn jeder dieser Bereiche es einem ermöglicht, seine Leistung um ein halbes Prozent zu verbessern, dann kann das am Ende den Unterschied ausmachen, ob man auf dem Podium steht oder eben nicht», erläutert Theisen weiter.
Viele Sportler sind sich dieser Entwicklung bewusst. «Aus Erfahrung kann ich sagen, dass ein Athlet, der seinen Körper kennt und sich mit den verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen auseinandersetzt, eine wesentlich längere und auch erfolgreichere Karriere hat als einer, der alles von seinem Trainer vorgekaut bekommen muss», erzählt Dr. Axel Urhausen, für den die Sportwissenschaft noch einen ganz anderen Effekt hat. «Es ist eines der besten Instrumente im Kampf gegen Doping. Man kann den Sportlern aufzeigen, dass sie sich auch mit natürlichen Mitteln noch verbessern können. Das ist vor allem in den Ländern von Bedeutung, in denen der Leistungsdruck auf die Athleten noch höher ist als vielleicht in Luxemburg.»
Wie wird sich der Hochleistungssport in Zukunft noch entwickeln? Sind wir nicht so langsam an der Grenze der Belastbarkeit angekommen? Auf diese Frage meint Prof. Theisen: «Wir sind auf einer Ebene angelangt, wo auf natürliche Weise in den meisten Bereichen keine riesige Leistungssteigerung mehr möglich ist. Allerdings entwickeln sich die Sportarten immer weiter, es wird auf anderes Material zurückgegriffen, das es einem dann wieder erlaubt, die eine oder andere Tausendstelsekunde herauszuholen oder ein paar Zentimeter höher oder weiter zu springen.»
Prof. Theisen sieht aber vor allem in einem Bereich noch viel Potenzial, und zwar im Parasport. «Es wird der Tag kommen, an dem ein Athlet mit einer Beinprothese schneller laufen oder weiter springen wird als ein valider Sportler. Die Prothesen entwickeln sich nämlich sehr rasant weiter. Vor ein paar Jahren ist ein Para-Athlet beim Weitsprung noch mit seinem gesunden Bein abgesprungen – heute springen sie mit der Prothese ab.»
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