Erst mit 19 Jahren steigt Chris Leesch vom Geländemotorrad auf Straßenrennen um. Beim ersten 24-Stunden-Rennen steigt der 21-jährige Senkrechtstarter im Team 33 Accessoires – Louit Moto gleich aufs Podium der Superstock.
Tageblatt: Ganz frisch nach Ihrer Premiere: Wie war es, als Zweiter der Superstock und Gesamt-Neunter über die Linie zu fahren?
Chris Leesch: Top, top! Das war schon cool, dass mich das Team den letzten Relais fahren ließ. Das ist schon ganz speziell vor enorm vielen Leuten, 80.000 Menschen. Alle großen Teams, alle großen Fernsehsender, die übertragen. Das ist schon cool, die letzten Runden mit all den großen Piloten über die Strecke zu fahren. Das hat wirklich Spaß gemacht. Das würde ich gerne wieder machen. Und auch gerne wieder mit einem Podium.
So viel Motorrad sind Sie vorher noch nie an einem Tag gefahren, wie anstrengend war das physisch und auch mental?
Das ist schon enorm anstrengend. Physisch ist es ohne Physiotherapeuten und Osteopathen gar nicht auszuhalten, da man unheimlich verkrampft, an den Schultern, am Rücken, den Unterarmen. Nach jedem Relais blieb ich fünf Minuten in der Box, um mit den Mechanikern zu reden und danach bin ich gleich in den Lkw zum Osteopathen und wir haben zwanzig Minuten gearbeitet, um mich für den nächsten Relais aufzupäppeln. Mental ist es natürlich die Müdigkeit, die über die Zeit kommt. Das ist nicht zu vermeiden und da stellt sich die Frage: Willst du schlafen oder nicht? Nach dem Aufwachen bist du nicht sofort in der Verfassung, auf ein Motorrad zu steigen. Vor allem kannst du in den ersten Runden den größten Unterschied machen und musst gleich da sein. Deshalb habe ich mich entschieden, die 24 Stunden nicht zu schlafen und jetzt habe ich so 30 Stunden runter. Es ist schon bitter. Aber wenn du dich ordentlich vorbereitest und vor allem die Leute um dich enorm gut organisiert sind, um Helme und Kombi vorzubereiten, Essen und Getränke, das kannst du nicht alles selber machen … Bei einem 24-Stunden-Rennen ist das Team noch wichtiger als die Piloten selber.
Zum Teamplay: Wie viel Druck macht man sich denn? Also schaut man, wo man steht? Oder kümmert sich der Teammanager darum und sagt einem, wie man fahren soll?
Da gibt es gewisse Strategien: Die ersten Stunden gilt es, drauf sitzen zu bleiben und keine Fehler zu machen. Nicht gleich am Anfang alles wegschmeißen. So nach sechs Stunden schaut man nach den Hauptkonkurrenten und man versucht, sich taktisch zu organisieren, um Zeit zu gewinnen. Durch Safety-Car-Phasen, Reifenwechsel zum richtigen Moment, … Es ist viel einfacher, zehn Sekunden in der Boxengasse als auf dem Circuit zu holen. Die Spitzenleute fahren alle innerhalb einer Sekunde, da ist es unmöglich, große Abstände herauszufahren. Mit der richtigen Strategie geht das einfacher.
Schaut man sich auch die Zeiten der Teamkollegen an oder besteht dann die Gefahr, zu viel Risiko zu nehmen, um gleichzuziehen?
Das kann sehr kompliziert sein, wenn man in einem Team untereinander Konkurrenten ist und sich nicht unbedingt gut versteht. Wir haben wie Freunde miteinander gearbeitet. Und auch wenn einer von uns wesentlich schneller war und enorm gute Zeiten fuhr, so hatte er Schwierigkeiten, die über lange Zeit zu bringen. Wir wussten, dass er die besten Zeiten fährt. Aber als nachts die langen Turns anstanden, waren andere stärker und so haben wir uns angeglichen. Über Datenanalyse haben wir uns auch seine Sachen angeschaut und gekuckt, wo wir die auf uns anwenden können. Wo wir unser Fahren verändern können, um näher an seine Zeiten zu kommen. Es war eher gegenseitiges Helfen, denn schließlich gewinnt das Team. Du kannst nicht allein gewinnen. Du musst dein Ego zur Seite stellen und gut zusammenarbeiten.
Wie zufrieden sind Sie denn mit der Leistung Ihres Teams?
Das Rennen ist ziemlich perfekt gelaufen. Es hat keiner von uns einen Fehler gemacht, niemand ist gestürzt, es gab keine technischen Probleme, unsere Leistung ist fast perfekt. Wir konnten alles durchsetzen, was wir wollten. Wir haben die Erwartungen übertroffen. Wir haben alle Ziele erreicht. Wir sind alle sehr zufrieden.
So nach drei Viertel des Rennens habt ihr auf Platz neun gelegen, die ersten Superstock waren auf fünf, aber alles innerhalb einer Runde. Man ist bereits müde. Besteht dann nicht die Gefahr, zu überreizen und zu viel zu pushen?
Unsere Strategie heute Morgen war, das Rennen erst einmal weiterlaufen zu lassen, den Abstand von anderthalb Minuten konstant zu halten und dann noch einmal anzugreifen. Als wir aber bei einem Boxenstopp etwas Zeit verloren haben und zweieinhalb Runden zurücklagen, ging es darum, abzusichern.
Das heißt, am Ende wurde gesagt: Ihr könnt jetzt Tempo rausnehmen?
Auf meinen beiden letzten Relais fuhr ich spazieren, also nicht ganz, aber ich habe kein Risiko genommen. Dafür kann einfach zu viel passieren. Wir waren das ganze Rennen so bis auf die Zehntelsekunde ausgeglichen mit den Gewinnern. Besser war, wer gerade die frischeren Reifen hatte. Da war es ohne zu viel Risiko gar nicht möglich, Zeit auf der Strecke gutzumachen.
(Chrëscht Beneké)
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