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Zeitenwende in der Eurogruppe

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Von unserem Korrespondenten Eric Bonse, Brüssel

Der Portugiese Mario Centeno galt lange als „Anti-Schäuble“. Nun soll er das ebenso mächtige wie dogmatische Gremium der Euro-Finanzminister führen.

Es ist eine Entscheidung mit hohem Symbolwert: Zum ersten Mal hat die Eurogruppe einen Südeuropäer aus einem ehemaligen Krisenland zu ihrem Präsidenten gewählt. Der 50-jährige Portugiese Mario Centeno soll am 13. Januar den bisherigen Amtsinhaber Jeroen Dijsselbloem an der Spitze des informellen, aber mächtigen Gremiums ablösen.
Centeno setzte sich gegen drei Mitbewerber durch – darunter auch Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna.

Auf seine Wahl sollen sich Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Rande des EU-Afrikagipfels Ende letzter Woche in Abidjan geeinigt haben. Auch die europäischen Sozialdemokraten unterstützten den Sozialisten aus Lissabon. Dijsselbloem kündigte das Ergebnis bereits vor Beginn der Eurogruppen-Sitzung an: «Ich bin bis zum 12. Januar Präsident und Mário Centeno am 13. Januar», sagte der Niederländer. Da die Abstimmung da noch gar nicht stattgefunden hatte, ruderte er sofort zurück: «Habe ich Mário Centeno gesagt? Nun, das weiß ich wirklich nicht. Offenbar ist das in meinem Kopf. Entschuldigung.»

Die Panne bestätigt Kritiker der Eurogruppe, die seit langem geheime Deals und intransparente Wahlen bemängeln. Auch diesmal blieb das genaue Abstimmungsergebnis geheim. Auf Kritik stößt auch, dass der Posten des Eurogruppenchefs traditionell einem Sozialdemokraten zufällt. Es dürfe keine Absprachen zwischen den Parteien geben, forderte der Luxemburger Gramegna, die Liberalen müssten auch eine Chance erhalten. Doch er wurde nicht erhört.

Der «Ronaldo» der Finanzminister

Mit Centenos Wahl beginnt eine Zeitenwende in der Eurogruppe. Der undogmatische Volkswirt galt in dem Gremium, in dem neoliberale Sparpolitiker und nordeuropäische Gläubiger den Ton angeben, lange als Außenseiter.

Centeno begann seine Karriere in der portugiesischen Zentralbank und übernahm erst im November 2015 das Finanzministerium in Lissabon. Dort wehrte er sich zunächst erfolglos gegen die harten Sparauflagen aus Brüssel. Später führte er sein Land mit viel Fortune aus dem Hilfsprogramm – mit einem sozial ausgewogenen Kurs, der sogar den deutschen Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble Respekt abnötigte.

Von Schäuble stammt auch Centenos Spitzname: Er nannte ihn – in Anspielung auf den berühmten Fußballspieler – den «Ronaldo» der Finanzminister. In Brüssel sehen ihn hingegen viele als «Anti-Schäuble». Denn Centeno machte immer wieder das Gegenteil von dem, was Schäuble verlangte, um sein Land aus der Krise zu führen.

Viele Herausforderungen

«Portugals Erfahrung zeigt, dass es in Europa möglich ist, Haushaltssanierung und Wachstum unter einen Hut zu bekommen», sagte Centeno, als er seine Kandidatur für den Vorsitz der Eurogruppe ankündigte. Sein Ziel sei es, aus dem Euro «ein Instrument zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Annäherung» zu machen.
Bisher ist dies nicht gelungen, im Gegenteil.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Europäischen Zentralbank zeigt, dass Nord- und Südeuropa seit der Einführung der Gemeinschaftswährung auseinanderdriften. Immerhin konnte unter Noch-Eurogruppenchef Dijsselbloem ein Auseinanderbrechen der Währungsunion verhindert werden.

Doch Griechenland ist weiter von Hilfen abhängig. Ob das Land wie geplant ab Sommer 2018 wieder auf eigenen Beinen stehen kann, ist offen. Unklar ist auch, ob der Internationale Währungsfonds weitere Hilfen gewährt. Zu Centenos ersten Aufgaben wird es gehören, diese Fragen zu klären. Außerdem dürfte er eine wichtige Rolle beim geplanten Umbau des Euro-Rettungsfonds ESM zum Europäischen Währungsfonds spielen.

Denn der neue Eurogruppenchef ist zugleich Vorsitzender des Gouverneursrats des ESM. Auch hier sind Konflikte programmiert – denn Deutschland fordert, den ESM zu einer Art Finanzaufsicht über alle Euroländer zu machen. Statt für den sozialen Zusammenhalt zu arbeiten, müsste Centeno dann über die Einhaltung des Sparkurses wachen.