Studie
Für die „Quality of Work“-Studie wurden 2.696 Arbeitnehmer im Alter von 16 bis 64 Jahre befragt, die mindestens 10 Wochenstunden arbeiten. Per Telefon oder per Online-Fragebogen wurden rund 200 Fragen zu den Arbeitsbedingungen und dem Wohlbefinden in Zusammenhang mit der Arbeit gestellt. Rund 47 Prozent der Teilnehmer waren Grenzgänger. fgg
Die ganz große Kennzahl, die aus der 2022er-Befragung „Quality of Work“ gezogen werden kann und als erste im Bericht steht, trägt den Wert 54,9. Das ist der Gesamtindex der Arbeitsqualität. Das ist zwar etwas mehr als in den zwei Jahren zuvor, da betrug der Wert 53,5 und 53,9 – doch daraus zu folgern, das könne irgendwie beruhigen, diesem Fehlschluss beugen Nora Back und die anderen Vortragenden klar vor. Denn abgesehen davon, dass der Wert in fünf ausgewerteten Jahren höher war, besteht auch viel Luft nach oben: Schließlich könnte der „Score“ theoretisch 100 betragen.
„Wir durchleben schwere Zeiten, das wissen wir alle, auch in der Arbeitswelt“, stellt jedenfalls die Präsidentin der Arbeitnehmerkammer (CSL) in deren Zentrale in der Hauptstadt am Donnerstag fest – und nennt als ein Beispiel eine immer höhere Intensität der Arbeit, welche die Beschäftigten oft auch noch bis in die Freizeit verfolge, vor allem durch ständige Erreichbarkeit dank digitaler Kommunikationsmittel.
Weil aber natürlich nicht aus einem einzelnen Wert erlesen werden kann, was die Arbeitnehmer mehr (und auch weniger) bedrückt hat im vergangenen Jahr, gibt Projektleiter David Büchel von der CSL eine detailliertere Präsentation – deren Überschrift lautet: „Wenn eine Krise die andere jagt: Arbeitnehmer zwischen anhaltenden Sorgen, dem Wunsch nach Veränderung und neuen Sorgen“.
DOWNLOAD Zwischenbericht zur Erhebung 2022 (PDF, deutsch)
Büchel erkennt an, dass die Stimmung sich erkennbar aufgehellt habe: „Das liegt daran, dass während der Pandemie die Stimmung wirklich schlecht war!“ Seine Aufschlüsselung des aktuellen Gesamtwertes auf einzelne Berufsgruppen offenbart eine starke Scherung: So kommen etwa Führungskräfte, Angehörige der Verwaltung und ganz allgemein eher geistig arbeitende Menschen auf deutlich überdurchschnittliche Werte (57 bis 59) – gegenüber etwa Dienstleistern oder Beschäftigten in Handel, Gesundheit und Pflege (49 bis 52). Anlagen- und Maschinenführer und Montagearbeiter schätzen die Qualität ihrer Arbeit am niedrigsten ein und sind mit 43 Indexpunkten weit abgeschlagen.
Phänomen Telearbeit
Klare Unterschiede gibt es auch beim Vergleich von Telearbeitern und allen, die zur Arbeit auflaufen müssen: Während die Indexwerte hier 2017 noch eng beieinanderlagen, hat sich die Bewertung derjenigen, die kein „Homeoffice“ machen können (oder dürfen), während der Corona-Zeit deutlich eingetrübt.
Mittlerweile hat sich die Stimmung hier zwar wieder etwas aufgehellt, trotzdem bleibt ein deutlicher Abstand bestehen: Telearbeit macht offenbar deutlich zufriedener (57,9 gegenüber 53,4 Punkte). Und sie nicht ausführen zu können, macht offenbar unzufrieden. Obwohl rund ein Drittel aller Befragten zugibt, dass ihre Tätigkeit gar nicht aus der Ferne zu erledigen ist, wünscht sich gleichzeitig die Hälfte aller Befragten, Telearbeit machen zu können.
Allgemein, stellt Büchel fest, ist zwar der Index für (zur Erinnerung: selbst eingeschätzte) Gesundheitsrisiken seit Jahren stark gesunken und stagniert aktuell, allerdings schwanken die Werte für verwandte Empfindungen wie „Zeitdruck“ oder „mentale Belastungen“ seit Jahren. Oft sind aktuelle Absenkungen wenig signifikant.
Alarmierende Trends
Dabei betonen auch die anwesenden Forscher der Universität Luxemburg, die die Studie in Kooperation mit der CSL erarbeiten, dass es nicht so sehr um die absolute Bewertung der Zahlen ginge, sondern vor allem deren Entwicklung von Interesse sei. Dabei zeigen viele der Detailkurven seit Jahren tendenziell nach unten: Etwa hinsichtlich der „Zusammenarbeit“ oder der „Autonomie“ an Arbeitsplatz – auch, wenn in jüngster Zeit manches wieder etwas besser werde.
LINK Seite der CSL zum „Quality of Work“-Index 2022
So sei zu erkennen, dass das Ende der Pandemie zu einer Verbesserung des Feedbacks über die geleistete Arbeit und der Zusammenarbeit geführt habe. Allerdings bleibt die Zufriedenheit mit der Bezahlung, das Gefühl, an Entscheidungen beteiligt zu sein, und die Autonomie dagegen auf dem niedrigsten Niveau und verzeichnet keinen nennenswerten Anstieg. Und: Als Folge einer neuen Krise, nämlich dem Krieg in der Ukraine samt allen Nebenerscheinungen, sei die Wahrnehmung der Arbeitsplatzsicherheit „fast wieder auf das Niveau von 2020 zurückgefallen“, heißt es in einer Erläuterung zur Studie.
Besonders alarmierend sei der erkennbare Trend, dass Konflikte zwischen Arbeit und Privatleben seit 2014 stetig zunehmen – wobei Menschen in Partnerschaften und mit Kindern noch einmal mehr betroffen sind.
„Obwohl sich der Wert für das allgemeine Wohlbefinden von seinem Tiefststand im Jahr 2021 erholt hat, bleibt der Trend über die letzten Jahre negativ“, muss der Bericht der Arbeitnehmerkammer feststellen. Dasselbe gelte für die Arbeitszufriedenheit und -motivation.
Der Wunsch, dem Büro fern zu bleiben …?
Dass die bereits angesprochene Telearbeit hier für mehr Zufriedenheit sorgen könnte, liegt auf der Hand. Das „Homeoffice“ war in der jüngsten Untersuchung auch ein Schwerpunktthema (neben der empfundenen Sinnhaftigkeit der Arbeit und der möglichen Einsamkeit am Arbeitsplatz, was ja auch eine negative Begleiterscheinung der Arbeit von zu Hause sein kann).
Mittlerweile geben nur noch 48 Prozent der Befragten an, überhaupt nie Telearbeit zu leisten, während das 2017 noch 72 Prozent waren. Ganz klar ist aber der Wunsch vorhanden, diese Form der Arbeit auszubauen – wohl nicht zuletzt deshalb, weil dies eben zu einer besseren „Work-Life-Balance“ führt. Fünf Prozent aller Befragten wären sogar dafür, ausschließlich aus der Ferne zu arbeiten, während 13 Prozent das überhaupt nicht wollen. 29 Prozent der Arbeitnehmer würden gerne mindestens die Hälfte ihrer Arbeitszeit in Telearbeit leisten.
Es deute jedenfalls alles darauf hin, dass für die meisten Befragten hier die Vorteile die Nachteile (wie zusätzliche Arbeitszeiten oder Einsamkeit) mehr als aufwiegen.
Und noch ein starker Trend ist zu beobachten: Der Wunsch, die wöchentliche Arbeitszeit zu verkürzen. Unter den Vollzeitbeschäftigten weisen die Statistiker 56 Prozent aus, die sich entsprechend geäußert haben.
… oder der Arbeit?
Generell sei festzustellen, dass sich die allgemeine Bewertung der Arbeitsqualität zwar leicht verbessert habe im Vergleich zu den beiden vorangegangenen (Pandemie-)Jahren, bleibe doch der Trend über die neun Erhebungsjahre negativ – im allgemeinen und bei näherer Betrachtung fallen einige Bereiche besonders problematisch ins Auge. Neben dem immer stärker empfundenen Ungleichgewicht zwischen Arbeit und Privatem gibt es eine starke Unzufriedenheit mit dem Einkommen, während der Sinn der Arbeit „in bestimmten Berufen und Wirtschaftszweigen leider immer schwerer zu finden“ sei. Das führt auch zu einem immer stärker empfundenen Risiko für das völlige Ausbrennen, neudeutsch: „Burnout“.
Alarmiert zeigen sich die Autoren der Studie von der Tatsache, dass die Einstellung sehr verbreitet sei, den Arbeitsplatz zu behalten, sich aber gleichzeitig immer weiter davon zu entfernen – eben über Homeoffice oder Arbeitszeitverkürzung. Es sei dringend nötig, der „Arbeit wieder mehr Sinn zu verleihen“ und Arbeit und Privates wieder besser miteinander zu vereinbaren. Elemente wie mehr Telearbeit oder Arbeitszeitverkürzung seien jedenfalls auch nicht nur gut und wichtig für die Arbeitnehmer, sondern auch im ureigensten Interesse der Unternehmen, die darum auch aufgerufen werden, nicht erst auf entsprechende Gesetze zu warten. Wenn diese „wirklich die benötigten Fähigkeiten und Talent anziehen und halten wollten“, müssten sie „jetzt schon innovativ sein und Maßnahmen ergreifen“, bilanzieren die Autoren der „Quality of Work“-Studie.
Das ist das Resultat von Mobbing auf dem Arbeitsplatz oder
auch moderner Skalverei,