Das Parlament sieht einem heißen Herbst entgegen; jedenfalls arbeitstechnisch. Nach den drei Sitzungen, die kommende Woche noch auf dem Programm stehen, sind im Monat Juli, vor der Sommerpause praktisch an allen Tagen, an denen dies möglich ist, Sitzungen vorgesehen.
Die Regierung hat offensichtlich noch so viele Projekte in der Pipeline, dass die institutionellen Möglichkeiten voll ausgenutzt werden. Unter anderem wird so auch auf den Staatsrat jede Menge Arbeit zukommen. Beschäftigungsminister Nicolas Schmit wird in diesem Kontext zwei arbeitsrechtliche Projekte einreichen.
1.800 Überstunden ansammeln
Die Pläne hinsichtlich der Zeitsparkonten im Privatsektor, die – nachdem Innenminister Dan Kersch die Arbeitszeitreform im öffentlichen Dienst umgesetzt hat – nunmehr als fertiges Projekt vorliegen, würden den Arbeitnehmern eine größere Flexibilität und mehr Möglichkeiten bei der Gestaltung ihres Privatlebens ermöglichen – was sich wohl auch auf ihre Motivation auswirken dürfte – und den Arbeitgebern in Zeiten hoher Arbeitsdichte zeitweise mehr Personalmittel (via Überstunden) zur Verfügung stellen. Insgesamt könnten bis zu 1.800 Stunden via Zeitsparkonto angesammelt werden – allerdings nur unter gewissen Bedingungen, die vor sogenannter Selbstausbeutung schützen. Die Perspektive auf beispielsweise ein Jahr Urlaub ist somit ein neues Moment für jene Beschäftigte, die einen Job in einem der teilnehmenden Unternehmen haben.
Ein weiteres Projekt des Arbeitsministeriums: eine erneute Reform des Reklassierungsgesetzes. Ein erster Wurf, die Reform von 2015, ließ nämlich eine Reihe von Wünschen offen und wies zudem zahlreiche gesetzliche Unzulänglichkeiten auf. Diese könnten mit einer weiteren Reform größtenteils beseitigt werden. Ein weiterer Vorteil: Auch die sichtbar gewordenen Konflikte zwischen „Contrôle médical“ und Arbeitsmedizinern könnten hiermit entschärft werden.
Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die besagten Projekte noch vor der Sommerpause den Weg durch die Instanzen schaffen – etwas, worauf Minister Nicolas Schmit, mit dem das Tageblatt über beide Projekte sprach, hofft. Denn nach der Sommerpause ist definitiv Wahlkampf …
Probleme auf mehreren Ebenen lösen
Eine erste Reform des Reklassierungsgesetzes (2015), also jener Regeln, die für Arbeitnehmer gelten, die – meist aus gesundheitlichen Gründen – ihren Beruf nicht mehr ausüben können, wies mehrere Unzulänglichkeiten auf.
Diese Probleme, die sich auf mehreren Ebenen stellen, wurden nun – auch im Gespräch mit den Sozialpartnern – in einem neuen Projekt angegangen, das, so Nicolas Schmit, Lösungen auf mehreren Ebenen anbietet. Reklassierte konnten zwar theoretisch bislang von kollektivvertraglichen Lohnerhöhungen profitieren, die „indemnité compensatoire“ schluckte dieses Geld aber quasi wieder, sodass der Mehrwert nicht bei den Betroffenen ankam. Dies soll nun geändert werden.
«Kanäle der Zusammenarbeit finden»
Die Reform von 2015 schaffte die Quote von fünf Prozent reklassierten bzw. behinderten Arbeitnehmern ab, die Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeitern beschäftigen müssen. Dies wird nun wieder eingeführt. Kann ein Mitarbeiter, der wiedereingegliedert werden müsste, aus Gründen der Arbeitsorganisation dennoch nicht intern weiter beschäftigt werden, so muss ihm eine Abgangsentschädigung gezahlt werden, die bis zu vier Monatslöhne betragen kann.
Es gab in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit von Betroffenen in letzter Zeit öfter Meinungsunterschiede zwischen „Contrôle médical“ und Arbeitsmedizinern. Letztere sollen künftig die Möglichkeit haben, sowohl interne als auch externe Wiedereingliederungen vorzuschlagen – bislang war dies nur intern möglich –, was die Situation entspannen soll. Schmit wünscht sich in dem Zusammenhang eine bessere Zusammenarbeit zwischen den beiden Medizinergruppen: „Es müssten doch Kanäle der Zusammenarbeit gefunden werden …“, meinte er.
Entschädigungen kommen schneller
Bislang hatten Menschen, die intern reklassiert wurden, quasi automatisch Anrecht auf einen Halbtagsjob, auch wenn dies medizinisch nicht notwendig gewesen sei; dies wird sich nun ändern und auf eine maximale Freistellung von 20 Prozent beschränkt.
Die Entschädigung der Betroffenen, also die „indemnité compensatoire“, wird laut Projekt künftig ein für alle Mal berechnet und schnell monatlich ausgezahlt. Die bislang äußerst langen Wartezeiten auf die Entschädigung, die Menschen vor große finanzielle Probleme stellen konnten, fallen weg.
Begleitend sollen zusätzliche Weiterbildungsmaßnahmen angeboten werden, meinte Schmit, der davon ausgeht, dass die Reform vor dem Sommer beim Staatsrat ankommen wird …
Bis zu einem Jahr Urlaub
2004 tauchte die Idee von Zeitsparkonten bereits in einem ausführlichen Gutachten des Wirtschafts- und Sozialrates (CES) auf. Ein erstes Gesetzesprojekt wurde sowohl vom Patronat als auch von den Gewerkschaften abgelehnt.
Die beiden Sozialpartner sollten daraufhin eigenständig ein Projekt ausarbeiten; auch dies scheiterte, sodass der Arbeitsminister, immer noch aufgrund des CES-Gutachtens, einen Vorschlag im CPTE („Comité permanent du travail et de l’emploi“) machte, der von allen Parteien angenommen wurde, auch wenn sich ein UEL-Vertreter kurzfristig querstellte.
Die Absicherung der angesparten Überstunden, meinte Nicolas Schmit, sei ein ausschlaggebender Punkt bei dem Projekt.
«Super-Super-Privileg»
Eine Fragestellung war: Was geschieht im Falle des Konkurses eines Betriebes mit den Überstunden? Die Antwort ist ein „Super-Super-Privileg“, das für diese Zeiten eingeführt werden soll. Der „Fonds pour l’emploi“ wird die sechsfache Summe des Mindestlohns auszahlen, davon ist der doppelte Mindestlohn allein für die Absicherung der Zeitersparnis vorgesehen. Das Prinzip, dass eine heute angesparte Stunde auch in vielen Jahren noch eine Stunde wert ist, war für die Akzeptanz des Projektes ebenfalls von Bedeutung.
Die Konten beruhen auf Freiwilligkeit, sowohl bei den Arbeitgebern als auch bei den Beschäftigten. Unternehmen, die das Prinzip umsetzen wollen, können dies durch Kollektivverträge regeln. Auch sektorielle Abkommen sind möglich. Jene Sektoren, die bereits über entsprechende Regelungen verfügen, können diese beibehalten. Hierunter fällt zum Beispiel der Bankenbereich.
Die Vorteile liegen sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Betriebe in einer flexibleren Nutzung ihrer Zeit. In Perioden großer Arbeitsintensität können so Überstunden (bis zu einer gewissen Quote) auf dem Konto gesammelt werden. Bis zu 1.800 solcher Stunden können dann für freie Wochen, Monate oder gar ein Jahr genutzt werden – und das mit der Garantie, dass es keinen Rückschritt in der Laufbahn gibt.
Die Rente kann sogar – auch wenn dies nicht Sinn und Zweck der Sache ist, wie Schmit betont – mittels eines Zeitsparkontos früher in Anspruch genommen werden. Es stehen einem somit jedenfalls bislang ungeahnte Möglichkeiten offen. Ein Jahresurlaub, mitten im Arbeitsleben, eröffnet beispielsweise ganz neue biografische Perspektiven …
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