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Von Trier aus in die Welt

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Vor 200 Jahren, am 5. Mai 1818, kam der kommunistische Theoretiker, Journalist, Philosoph und Autor des „Kapital“, Karl Marx, in Trier zur Welt. Mit seinem Namen verbindet man heute politische Thesen, ökonomische Fragen, kommunistische Theorie, weiß aber nur wenig über den Menschen.Mit zwei großen Geburtstagsausstellungen im Rheinischen Landesmuseum Trier und im Stadtmuseum Simeonstift will seine Heimatstadt das ändern.

Bei der Frage nach den „größten Deutschen“ landete Karl Marx 2003 auf Platz drei hinter Konrad Adenauer und Martin Luther. Das Bild des bärtigen Revolutionärs ist genauso berühmt wie seine Werke „Kapital“ und das „Kommunistische Manifest“. Den Menschen Marx und sein bewegtes und bewegendes Leben kennen jedoch nur wenige.

Selbst in seiner Geburtsstadt wurde Karl Marx lange Zeit ignoriert, seine politische Konnotation machte aus ihm einen eher ungeliebten Sohn von Trier. Eine erste Änderung kam 1989 nach der Wende mit dem Ende der „Konkurrenz der Systeme“, wie es die Direktorin des Trierer Stadtmuseums, Dr. Elisabeth Dühr, beschreibt.

Eine echte Renaissance gab es nach der Finanzkrise von 2008. Bei der kritischen Hinterfragung des Kapitalismus erschienen Marx’ Theorien auch den Befürwortern eines liberalen Wirtschaftssystems gar nicht mehr so abwegig. „Muss selbst mit Dienstleistungen wie Kranken- und Altenpflege oder Umweltschutz Geld verdient werden?“, hinterfragt Dr. Dühr. Dabei ist die Leiterin des Simeonstiftes keine Spezialistin der marxschen Theorien. Sie betreut den Teil der Ausstellung, in dem es um den Menschen Karl Marx geht. Darin erzählt sie mit sehr viel Liebe von dem Bürgersohn, der die Stadt Trier mit 18 Jahren verließ und nicht wieder zurückkam, dafür aber eine lange, hürdenreiche Irrfahrt durch Bonn und Berlin, Köln, Paris und Brüssel machte, bevor er in London sesshaft wurde. Mit genauso viel Begeisterung spricht sie von seiner Frau Jenny von Westphalen, „der Liebe seines Lebens“, die ihm stets überallhin gefolgt ist.

Fragen zu Marx’ Werk weicht sie aber nicht aus. „Er hat den Kapitalismus durchaus bewundert“, sagt sie bei der Beschreibung des bürgerlichen Lebens, aus dem das Ehepaar kam und das es auch geführt hat, selbst wenn es sich das eigentlich nicht leisten konnte. „Er hat das System analysiert, weil er verstehen wollte, was sich abspielt. Er ist dabei zu dem Schluss gekommen, dass es sich selbst abschaffen wird, weil es die reellen Werte verzehrt und verzerrt, indem es alles unter den ökonomischen Aspekt stellt.“

Mit dem Werk von Karl Marx beschäftigt sich das Rheinische Landesmuseum Trier. Zu den Highlights der dort ausgestellten Exponate gehört Marx’ privates Exemplar der Erstausgabe von „Das Kapital“, das heute zum Unesco-Weltdokumentenerbe zählt und neben der Bibel eines der auflagenstärksten Bücher der Welt ist. Ausgestellt sind auch fünf der 160 Notizhefte, die Karl Marx während seines Londoner Exils bei seinen Besuchen im British Museum füllte. Mit Zeichnungen und eingeklebten Zeitungsartikeln veranschaulichen sie, wie er gearbeitet hat. Sie sind eine Leihgabe des Internationalen Instituts für Sozialgeschichte in Amsterdam.

Welche Bedeutung hat Marx für die Wirtschaft heute? Was sagen uns seine Theorien im 21. Jahrhundert? Was wollte er mit den Thesen seiner Zeit sagen? Wie wurde er vom Philosophen zum Ökonomen? Auch diese Fragen werden angeschnitten. Im Augenmerk steht dabei der 150. Geburtstag des Erscheinens des „Kapitals“, mit dem Marx weltbekannt wurde. Der erste Band erschien 1867 in Hamburg, der Ruhm kam jedoch erst nach Marx’ Tod 1883, als Friedrich Engels die Notizen und Ideenskizzen seines Freundes herausgab und die englische Übersetzung anregte.

Ausgestellt sind auch Karl Marx’ Notizen zur weltweiten Krise vom Sommer 1857, die er in seinem „Book of the Crisis 1857“ akribisch beschrieb. Er hat mit seinen Beobachtungen beweisen können, dass die Selbstregulierungskräfte des Marktes nicht ausreichen, um Krisen zu bewältigen. Doch er irrte in der Annahme, das kapitalistische System würde an einer Krise zugrunde gehen, weil er die Flexibilität des Systems unterschätzt hatte. Seine Erkenntnisse um die störanfällige Dynamik des Kapitalismus gelten dennoch weiterhin als erste fundierte Analyse der Gesamtzusammenhänge.

Mehr als 400 Leihgaben aus elf Ländern haben die beiden Trierer Museen für die Ausstellung zusammengetragen, darunter Bilder aus dem „Musée d’Orsay“ in Paris, dem „Victoria & Albert Museum“ in London und der „Eremitage“ in Sankt Petersburg. Aus dem „Musée de la Boverie“ in Lüttich kommt eine Ansicht von Brüssel von James Ensor, aus der „Free Library Philadelphia“ (USA) kommt das Gemälde „The Empty Chair“ des englischen Porträtmalers Samuel Luke Fields.

Ausgestellt ist auch die erste Marx-Karikatur, die ihn symbolisch als einen an eine Druckerpresse gefesselten Prometheus darstellt, sowie eine bisher kaum bekannte Bleistiftzeichnung, die den jungen Karl Marx zeigt. Zu den ungewöhnlichen Exponaten zählt eine Ausgabe des Kommunistischen Manifests in Braille-Schrift.


Wenig bekannte Berühmtheit

In der Brückenstraße 10 kam Karl Marx am 5. Mai 1818 als drittes von neun Kindern von Heinrich und Henrietta Marx zur Welt. Seine Familie war gutbürgerlich, sein Vater, Sohn eines Trierer Rabbiners, war Rechtsanwalt, seine Mutter entstammte einer niederländischen Rabbinerfamilie.

Um beim Landesgericht arbeiten zu können, konvertierte der Vater zusammen mit seiner Familie vom jüdischen Glauben zum Protestantismus. Heinrich Marx war sozial und politisch engagiert, er war Teil des aufgeklärten, demokratisch gesinnten Trierer Bürgertums und als solcher der preußischen Vorherrschaft gegenüber äußerst kritisch. Er war es wohl auch, der seine Kinder zunächst privat unterrichtete. Erst mit zwölf Jahren ging Karl Marx erstmals in eine öffentliche Schule. Er machte nach einer mittelmäßigen, unauffälligen Schulkarriere im Knabenlyzeum sein Abitur und ging dann zum Studium nach Bonn.

Auf Wunsch seines Vaters sollte er dort Jura studieren, den Überlieferungen nach soll er dort jedoch vor allem das Studentenleben genossen haben. Er lebte weit über seinen Verhältnissen und landete nach Ausschweifungen auch schon mal im Arrest. Das kam seiner angeschlagenen Gesundheit nicht unbedingt zugute, hat ihn allerdings vom Militärdienst befreit.

Nach einem Jahr wechselte Karl nach Berlin über. Die Rechtswissenschaften ließ er dort allerdings fallen und widmete sich der Philosophie und Geschichte, aber auch der Archäologie und der Geologie. Gefürchtet war er wegen seiner Spottlust, seine Kommilitonen hielten ihn für einen wilden Kerl. Er war aber auch ein brillant argumentierender Analytiker und nicht zuletzt eine imposante Erscheinung, die Respekt einflößte. Fünf Jahre vergingen, ohne jegliche Abschlussarbeiten, dann setzte ihm die Mutter, nach dem Tod des Vaters, das Messer auf die Brust: Entweder er promovierte oder sie drehte den Geldhahn zu. Karl verstand die Botschaft. In wenigen Monaten schrieb er seine Doktorarbeit.

Sein Wunsch, als Privatdozent an die Bonner Uni gehen zu können, erfüllte sich nicht. Stattdessen wurde er Journalist bei der liberalen Kölner Rheinischen Zeitung, deren Leitung er schon wenig später übernahm und aus der er ein führendes Oppositionsblatt machte.
Der Erfolg war nur kurz. Schon nach wenigen Monaten wurde die Zeitung verboten.

Karl Marx sah daraufhin keine Perspektive mehr in den deutschen Ländern und wollte nach Paris gehen. Zuvor heiratete er allerdings noch seine Jugendfreundin Jenny von Westphalen. Die Hochzeitsreise führte das junge Paar nach Bingen, das zum Großherzogtum Hessen gehörte, später ins mondäne Baden-Baden.

Paris war die nächste Etappe: In dem quirligen Zentrum revolutionärer Ideen, wo 80.000 Deutsche lebten, wollte Marx seine Zukunft sichern und zusammen mit dem Publizisten Arnold Ruge die „Deutsch-Französischen Jahrbücher“ herausgeben. Sie waren allerdings ein Flop und Marx wurde wieder Journalist. Er schrieb in der Vorwärts, ein radikales Blatt in deutscher Sprache.

Auch in Paris hat er jedoch vor allem das Leben genossen und weit über seine Verhältnisse gelebt. Hier lernte er auch seinen späteren Freund und Mäzenen Friedrich Engels kennen. Zwischen dem begüterten Geschäftsmann und Praktiker Engels und dem stets klammen Theoretiker Marx entstand eine lebenslange Freundschaft und Arbeitsgemeinschaft. Unter Engels Einfluss wandte sich Marx der politischen Ökonomie zu. Gemeinsam gingen sie im Sommer 1845 nach Manchester, wo Karl Marx erstmals Kontakt mit der Industrie und ihren harten Arbeitsbedingungen bekam.

Aus Paris ausgewiesen, ging Karl Marx zunächst nach Brüssel. Seine Aufenthaltsgenehmigung war an die Bedingung geknüpft, keine politische Stellungnahme zu beziehen. Erneut sorgte Friedrich Engels für den Unterhalt der jungen Familie, die inzwischen drei Kinder und eine Haushaltshilfe umfasste.

1846 gründeten Mark und Engels das „Kommunistische Korrespondenzkomitee“ und den „Brüsseler Deutschen Arbeiter-Verein“. Von London erhielten sie den Auftrag, ein kommunistisches Manifest auszuarbeiten. Als 1848 die Revolution von Paris nach Brüssel übergriff, war Schluss mit lustig. Karl und Jenny Marx wurden verhaftet und ausgewiesen. Sie zogen kurzzeitig wieder nach Paris und von dort aus nach Köln, wo Marx mit der Neuen Rheinischen Zeitung einen zweiten journalistischen Versuch startete. Doch nach dem Scheitern der Revolution 1849 musste er Preußen innerhalb eines Tages verlassen.

Über Paris ging Marx nach London, damals mit knapp 1,7 Millionen Einwohnern die größte Stadt der Welt. 30 Jahre lang sollte er mit seiner Familie dort leben und arbeiten, mitunter unter recht bedenklichen Lebensumständen und mit vielen Krankheiten. Über Jahre hinweg schrieb er für zahlreiche Presseorgane. Vier seiner sieben Kinder erreichten nicht das Erwachsenenalter, es gelang jedoch, den drei überlebenden Töchtern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Erbschaften und die immerwährende Hilfe von Friedrich Engels besserten ihr Leben, das bis zu Marx Tod am 14. März 1883 äußerst ruhig verlief.