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DeutschlandVom Zerfall einer Fraktion: Die Linke in der Krise

Deutschland / Vom Zerfall einer Fraktion: Die Linke in der Krise
Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, meint, die Fraktion sei „faktisch politisch tot“ Foto: dpa/Serhat Kocak

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Die Linksfraktion im Bundestag wird sich auflösen. Das ist absehbar. Doch der Weg dahin ist noch ungewiss. Und die Partei will sich trotzig dem Abwärtsstrudel entgegenstellen – und will im nächsten Jahr bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland Boden gutmachen.

Wie geht es weiter mit der Linkspartei? Im Bundestag jedenfalls scheint ihr Schicksal besiegelt zu sein nach dem Bruch mit Sahra Wagenknecht und dem Parteiaustritt von zehn Linke-Abgeordneten. Die Fraktion wird sich auflösen, das ist absehbar. Wann genau ist noch offen, am Montag tagte der Fraktionsvorstand, an diesem Dienstag dann die gesamte Fraktion. Ob die abtrünnigen Gefolgsleute von Wagenknecht auftauchen werden, ist unklar. Die klare Empfehlung lautete: bleibt lieber weg.

Man hat die Nase voll von Wagenknecht und ihren Unterstützern. Es herrsche ein gewisses Aufatmen in der Partei, ist zu hören. Zuletzt hatten die Eintritte die Austritte überwogen, knapp 600 sollen in den vergangenen zwei Wochen dazugekommen sein, heißt es. Da hatte Wagenknecht ihren Austritt verkündet – und ihren neuen Verein BSW vorgestellt, der die Gründung einer eigenen Partei vorbereiten soll.

Seit diesem Bruch ist die Linksfraktion im Bundestag in einem desolaten Zustand. Daraus macht selbst deren Vorsitzender Dietmar Bartsch keinen Hehl mehr. „Die Fraktion ist faktisch politisch tot“, sagt Bartsch dem Tageblatt. „Mit der angekündigten Parteigründung von Wagenknecht und ihren Anhängern steht fest, dass wir als Fraktion in absehbarer Zukunft nicht mehr existieren werden.“ Er bekräftigt auch die eigene Entscheidung, nicht wieder als Fraktionsvorsitzender zu kandidieren. Um weiteren Flurschaden einzuhegen, betont Bartsch aber zugleich, dass das Ende der Fraktion „keineswegs“ das Ende der Linkspartei bedeute. „Ich habe schon oft gehört, dass angeblich die Totenglöckchen läuten, aber sie werden auch diesmal nicht läuten.“

Dafür wollen die Linken bei ihrem Parteitag in gut zwei Wochen kämpfen. Sich nicht nur optisch ändern, sondern die eigene Rolle in der Gesellschaft diskutieren und neu finden. Ein Programm verabschieden für mehr soziale Gerechtigkeit, sich dem allgemeinen Rechtsruck, wie man ihn bei den Linken empfindet, entgegenstellen. Und: Strategien finden für die Wahlen insbesondere in Thüringen, wo man mit Bodo Ramelow noch den Ministerpräsidenten stellt, und für Sachsen, wo die AfD die stärkste Kraft werden könnte.

Nicht an Wagenknecht abarbeiten

Bartsch spricht von Gemeinsamkeit und Entschlossenheit zwischen den linken Landesverbänden, der Partei und der Bundestagsfraktion, er erlebe aktuell gar eine „Aufbruchstimmung“ in den Landesverbänden. Die Linke müsse auf der Bundesebene und im ganzen Land wieder klar herausstellen, dass man „soziale Opposition“ sei. „Das muss unser Markenkern sein und bleiben.“ Und er fügt hinzu: „Die Herzkammer der Linken ist der Osten.“

Im kommenden Jahr will Sahra Wagenknecht mit ihrer neuen Partei an den Start gehen. Gerade bei den Wahlen im Osten dürfte sie gute Chancen haben, sollte sie dann bereits so weit sein. Dennoch, Noch-Fraktionschef Bartsch ruft die eigene Partei dazu auf, sich nicht an Wagenknecht abzuarbeiten. „Wir müssen der Partei Selbstbewusstsein und Mut zurückgeben. Dabei ist die Orientierung klar, dass wir die politische Auseinandersetzung zuerst mit der Ampel-Politik führen und nicht mit der neuen Wagenknecht-Partei.“ Diese sei bisher ein weißes Blatt. Diese Partei gebe es noch gar nicht, sie sei bisher ein reines Medienprodukt und habe noch nicht einmal einen Namen, so Bartsch. Diese Abarbeitung an Wagenknecht kann er sich dann doch nicht verkneifen. Und auch auf seine frühere Co-Fraktionschefin kommt der Linken-Politiker noch zu sprechen. „Ich bin persönlich enttäuscht von Amira Mohamed Ali, dass sie sogar die Vorsitzende des neuen Vereins BSW geworden ist“, sagt Barsch. Echten Frieden scheint auch er noch nicht mit der Sache gemacht zu haben.