Von unserer Korrespondentin Elke Bunge
Bakterien finden immer neue Möglichkeiten, sich gegen Antibiotika zu schützen. US-Mediziner haben nun einen dem Vitamin A vergleichbaren Wirkstoff entdeckt, der diese Antibiotikaresistenzen überwinden kann.
Seit der schottische Bakteriologe Alexander Fleming 1928 die bakteriostatische Wirkung des Penicillins entdeckte, sind eine Vielzahl sogenannter Antibiotika entwickelt worden. Häufig – oder wie Kritiker erklären: zu häufig – werden sie gegen Infektionskrankheiten verschrieben.
Bakterien werden resistent
Die Bakterien ihrerseits haben durch Mutation oder den Übergang in einen Ruhezustand Methoden entwickelt, wie sie den Antibiotika widerstehen können. Diese Resistenzen gehören heute zu den größten Problemen bei der Behandlung bakterieller Infektionskrankheiten. 700.000 Menschen fallen jedes Jahr antibiotikaresistenten Krankheitserregern zum Opfer, so die Weltgesundheitsorganisation WHO.
Amerikanischen Wissenschaftlern von der Brown University in Providence ist es gelungen, Substanzen zu entwickeln, die für die Herstellung neuartiger Antibiotika genutzt werden können. In ihrer chemischen Struktur ähneln sie dem Vitamin A. Ihre Forschungsergebnisse publizierten die Biologen und Mediziner in der jüngsten Ausgabe von «Nature».
Retinoide sind bakterienhemmend
Ihre umfangreichen Untersuchungen führten die Wissenschaftler um Eleftherios Mylonakis mit dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans als Testorganismus durch. Kulturen dieser Würmer wurden mit multiresistenten Staphylococcus-aureuas-Bakterien (MRSA) infiziert. Nach der Anzucht dieser Kulturen gaben die Forscher jeweils eine von insgesamt 82.000 chemischen Substanzen zu den Kulturen. Ohne eine Zugabe der Substanzen starben alle Würmer, bei 185 Substanzen gab es Überlebenschancen.
Vor allem zwei zu den Retinoiden gehörige Wirkstoffe, von den Forschern mit CD437 und CD1530 bezeichnet, zeigten eine heilende Wirkung: Alle Würmer der mit diesen beiden Substanzen versorgten Kulturen überlebten die MRSA-Infektion.
Vitamin-A-ähnliche Substanz
Erst-Autor Kim Wooseong erklärte den Heilmechanismus. «Untersuchungen auf atomarer Ebene zeigten, dass die Retinoide in der Lage waren, die Lipiddoppelschicht der MRSA-Zellmembran zu penetrieren, und im Inneren des Bakteriums einen Wachstumsstopp auslösten.»
Dies galt vor allem auch bei Bakterien, die sich in den Ruhezustand zurückgezogen hatten. Erste Versuche mit der dem Vitamin A ähnlichen Substanz bei Mäusen konnten auch hier den Befall mit MRSA-Bakterien deutlich reduzieren.
Allerdings geben Experten zu bedenken, dass man bei diesen Experimenten erst am Anfang stehe. «Zwar wurde der Bakterienbefall von einer Milliarde auf 50 Millionen gesenkt, doch auch dies zeigt, dass die Mäuse noch voller Bakterien sind», kommentierte der Mikrobiologieprofessor Siouxsie Wiles von der Auckland-University (Neuseeland) die veröffentlichte Studie.
Forscher optimistisch
Wiles lobte indes die Ergebnisse als einen wichtigen Schritt zur Therapie von MRSA. «Gerade wir in Neuseeland mit der stärksten Durchsetzung von MRSA-Bakterien sind an einer neuartigen Lösung interessiert.»
Die Forscher in den USA zeigen sich optimistisch, dass es in absehbarer Zukunft Möglichkeiten für die Herstellung neuer Antibiotika gibt, die Resistenzen überwinden können. «Wir haben etwa 4.000 Retinoide zur Verfügung, die eine ähnliche Wirkung wie die von uns erprobten beiden Substanzen zeigen könnten», so Kim. Dies sei ein vielversprechender Anfang für neue Therapiemöglichkeiten.
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