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BalkanVerhaftung eines Kosovo-Serben löst neue Spannungen in Nordkosovo aus

Balkan / Verhaftung eines Kosovo-Serben löst neue Spannungen in Nordkosovo aus
Kosovarische Polizei ist im Zuge von neuen Spannungen wieder vermehrt auf den Straßen der nordkosovarischen Stadt Mitrovica zu sehen Foto: Stringer/AFP

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Eine Verhaftung hat im überwiegend serbisch besiedelten Nordkosovo neue Spannungen ausgelöst. Erstmals regt sich unter den Kosovo-Serben auch offener Unmut über Serbiens allgewaltigen Präsidenten Vucic: Verräter-Vorwürfe gehen mit Attacken gegen die von Belgrad gesteuerte Serbische Liste gepaart.

Der überwiegend serbisch besiedelte Nordkosovo kommt nicht zur Ruhe. Nach den blutigen Ausschreitungen Ende Mai, als bei Protesten gegen die Einsetzung albanischer Minderheitenbürgermeister in den mehrheitlich serbischen Kommunen über 80 Menschen verletzt wurden, hat nun die Verhaftung eines Kosovo-Serben im serbischen Norden der geteilten Stadt Mitrovica neue Spannungen ausgelöst: Kosovos Justiz wirft dem am Dienstag inhaftierten Kickboxer M.M. vor, die Mai-Unruhen „orchestriert“ zu haben.

Als gezielte „Provokation“ von Kosovos Premier Albin Kurti verurteilte Serbiens allgewaltiger Präsident Aleksandar Vucic aufgebracht die Verhaftung: Kurti versuche, „im Herzen Europas einen Krieg auszulösen“.

Tatsächlich zeigten sich auch US- und EU-Vertreter in ersten Reaktionen über Pristinas anhaltende Konfrontationspolitik in Nordkosovo wenig erbaut. EU-Sprecher Peter Stano bestätigte zwar, dass Brüssel von Kurti ein Schreiben mit einem Fünfpunkte-Plan zur Deeskalation der Lage erhalten habe, doch beklagte er das Ausbleiben von „entschiedenen Schritten“: „Die jüngsten Entwicklungen zeigen nur, dass die Eskalation im Nordkosovo anhält.“

Hunderte empörte Anwohner zogen am Dienstag in Nord-Mitrovica aber nicht nur gegen den erneuten Einsatz der verhassten ROSU-Spezialeinheit der Kosovo-Polizei auf die Straßen. Erstmals wurde unter den Kosovo-Serben auch offener Unmut über Serbiens Präsident Vucic laut: Wüste Vucic-Schmähungen und „Verräter“-Rufe gingen mit handfesten Attacken gegen Funktionäre der von Belgrad kontrollierten „Serbischen Liste“ (SL) gepaart.

„Glaubwürdigkeit verloren“

Bisher pflegt der in Serbien nach zwei Amokläufen zunehmend unter Druck geratene Vucic seine Landsleute in Kosovo gerne als Verhandlungsmasse gegenüber dem Westen, aber auch als Blitzableiter für innenpolitische Zwecke zu nutzen. Sein wichtigstes Instrument dafür ist die von Belgrad ferngesteuerte SL. Ob der Auszug der Serben aus den Kosovo-Institutionen oder der Boykott der von Pristina angeordneten Nachwahlen: Die Vorgaben aus Belgrad werden von der SL brav umgesetzt – nicht immer zum Wohl der Kosovo-Serben.

Doch nicht nur, weil fast jeder seiner innenpolitisch motivierten Schachzüge die Lage seiner Landsleute in Kosovo in den letzten Monaten eher verschlechtert als verbessert hat, droht Serbiens angeschlagenen Dominator die Kontrolle über die bisher am kurzen Zügel geführten Kosovo-Serben zu entgleiten. Die nationalistischen Flaschengeister der von ihm genährten Illusion, dass das Mutterland im Windmühlenkampf um die längst verlorene Ex-Provinz obsiegen könne, machen ihm ebenso zu schaffen wie der Überdruss am selbsterklärten Übervater der Nation, der von den Belgrader Straßen auch nach Nordmitrovica schwappt.

In Serbien habe Vucic an „Glaubwürdigkeit verloren“, konstatiert der Belgrader Analyst Bosko Jaksic. Doch der Westen halte „nur wegen Kosovo“ weiter zu Vucic, weil er sich von ihm die versprochene Lösung des Kosovo-Problems erhoffe: „Der Westen ist nun das größte politische Schutzschild für Vucic.“