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Untersuchungshaft ohne Ende

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Von unserem Korrespondenten Jens Mattern

Ein polnisches Gericht hat die Untersuchungshaft für den Politiker Mateusz Piskorski verlängert. Die UNO bezeichnet die Haft als willkürlich. Die Regierung in Warschau hält Piskorski für einen russischen Spion. Seine Anhänger bezeichnen ihn als politischen Häftling.

Der polnische Politiker Mateusz Piskorski ist ein «politischer Häftling», sagen seine Anhänger. Die polnische Staatsanwaltschaft hingegen will Dokumente besitzen, die eine Spionagetätigkeit Piskorskis für Russland und China belegen. Der 40-Jährige sitzt schon seit zwei Jahren in Untersuchungshaft in Warschau. Erst Ende April wurde eine Anklageschrift von der Generalstaatsanwaltschaft veröffentlicht.

Am Dienstag wurde die Untersuchungshaft vor dem Berufungsgericht um sechs Monate auf Antrag des Bezirksgerichts verlängert. Ungeachtet eines Protestschreibens der Menschenrechtskommission der UNO, welche die Haft als «willkürlich» bezeichnet.

Gegen die Ukraine-Unterstützung

Sicher ist, dass Piskorski als Aktivist für den Kreml wirkte. Anfang 2015 gründete er die Partei Zmiana (Veränderung) mit vielen ehemaligen Mitgliedern der Partei Samoobrona (Selbstverteidigung), der er auch selbst angehörte und die in den 2000er Jahren erfolgreich die Unzufriedenen des polnischen Kapitalismus sammelte. Der Politologe gehört schon lange zu einem der NATO gegenüber kritischen Netzwerk, das in Europa wirkt. Dieses hat auch Kontakte zur Alternative für Deutschland (AfD) und der Linkspartei. In mehreren Ländern war er als Wahlbeobachter unterwegs, darunter auch auf der Krim.

Zmiana, zu der auch Mitarbeiter des russischen internationalen Nachrichtenportals Sputnik gehören, kritisiert vor allem die Unterstützung Warschaus für die Ukraine. Warschau gilt trotz Differenzen als Anwalt Kiews im Westen. Die Ukraine wird durch den Krieg im Südosten und knapp 2 Millionen Binnenflüchtlinge belastet.

Prozessbeginn ist unabsehbar

«Er ist in Haft, da er mit russischer Hilfe in die Ukrainepolitik Polens eingegriffen hat», so Nabil Al Malazi, der stellvertretende Vorsitzende der Partei, der mit einem Dutzend Mitgliedern am Dienstag vor dem Berufungsgericht ausharrte. Der Syrer, ein pensionierter Bauingenieur, der schon seit über 40 Jahren in Polen lebt, trug wie viele Mitstreiter einen «Free-Piskorski»-Button am Anzug. Er sieht hier den Einfluss ukrainischer und amerikanischer Geheimdienste am Werk.

Ursprünglich wollte Piskorski mit internationalen Unterstützern Proteste gegen den NATO-Gipfel im Juli 2016 in Warschau starten. Der Inlandgeheimdienst ABW machte ihm am 18. Mai 2016 mit der Verhaftung einen Strich durch die Rechnung. Nach Angaben des Anwalts Pawel Osik lässt sich noch nicht absehen, wann der Prozess gegen Piskorski beginnt. Theoretisch könne das jetzt zuständige Bezirksgericht eine weitere Haftverlängerung beantragen. Die Beweise unterliegen der Geheimhaltung, so wie auch die Argumentation für die Urteilsverkündung geheim bleiben muss.

Furcht vor Moskau sitzt tief

Der Vorwurf «Spionage» ist nach polnischem Recht ziemlich unscharf formuliert. Das UNO-Schreiben, das Ende April erstellt wurde, sieht ihn durch Piskorkis Aktivitäten nicht gerechtfertigt und verlangte eine sofortige Freilassung sowie eine Entschädigung. Die UNO beschwerte sich auch über das Schweigen der polnischen Stellen bei Nachfragen.

Die Furcht der nationalkonservativen Regierung in Warschau vor einer russischen Infiltration ist angesichts der Skandale in Amerika um Kreml-Einflüsse auf das Trump-Umfeld verständlich. Allerdings ist die Skepsis gegenüber dem Kreml in Polen weit verbreitet. Nach Umfragen Ende 2017 befürworten 92 Prozent der Bevölkerung die NATO-Mitgliedschaft, Polen ist somit das am meisten proatlantische Land Europas.

Doch die Geheimniskrämerei und die andauernde Inhaftierung geben den wenigen Anhängern die Vorlage, Polen als Unrechtsstaat darzustellen. Das Land steckt derzeit wegen einer umstrittenen Justizreform, die dem Staat einen großen Einfluss auf die Gerichte verschafft, in einem Rechtsstreit mit der EU-Kommission.