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Trump, Bettel und die Zukunft auf „Lëtzebuergesch“

Trump, Bettel und die Zukunft auf „Lëtzebuergesch“

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Eine Tribüne von Robert Goebbels*

Die Zukunft ist und bleibt unvorhersehbar. Das Leben jedes Menschen wird durch so viele Zwänge und Zufälle bestimmt, dass niemand die eigene Zukunft voll gestalten kann. Die einzelne Lebenserwartung beträgt 24 Stunden, täglich erneuerbar. Bis der unentrinnbare Tod erfolgt.

Weil die Ungewissheit um die individuelle Zukunft bedrückend ist, gab es immer wieder Wahrsager und Propheten. Es entstanden Sekten, die bei Erfolg zu Religionen mutierten. Alle Religionen leben letztlich davon, ein Leben nach dem Tod zu versprechen. Was unkontrollierbar bleibt und daher den Religionen ein langlebiges Geschäftsmodell sichert.
Für das Leben vor dem Tod haben sich, nebst Kartenlesern und Verfassern von Horoskopen, spezialisierte Sekten entwickelt: die politischen Parteien. Politiker aller Schattierungen geben vor, «die Zukunft zu gestalten». Die Bettel-Liberalen wollen gar eine «Zukunft op Lëtzebuergesch». Sehr vermessen in einem Kleinstaat, der auf Gedeih und Verderb vom internationalen Umfeld abhängt.

Für die Oktober-Wahlen verfassen alle Parteien unverdrossen ihre «Grundsätze» und «Programme». Sie geben vor, für jeden Mitmenschen eine «bessere Zukunft» gestalten zu können. Als ob die millionenfachen Interaktionen innerhalb jeder Gesellschaft so zu kanalisieren wären, dass die gemeinsame Zukunft automatisch «christlich», oder «solidarisch», oder «liberal» oder gar «dauerhaft» würde. Man verzeihe mir meine ironische Skepsis. Politische Parteien sind unverzichtbar. Nur durch das Abwägen von unterschiedlichen und oft widersprüchlichen Interessen durch gewählte und damit abwählbare Politiker sind allgemeine Rahmenbedingungen für das gemeinschaftliche Zusammenleben zu schaffen. Das erfordert meistens Kompromisse. Kompromisslosigkeit führt schnell zum Chaos und zur Diktatur.

Ohne Regeln gibt es keine Rechte. Rechte bedingen Pflichten. Niemand kann seine persönliche Freiheit einfordern, auf Gerechtigkeit für sich beharren, gleichzeitig auf die Solidarität der Mitmenschen hoffen, ohne die Freiheiten und die Rechte Letzterer zu achten.

Vorher und nachher

Für Churchill muss ein guter Politiker voraussagen, was morgen, in einer Woche, in einem Monat und nächstes Jahr erfolgen wird. Und er muss im Nachhinein erklären können, weshalb es anders kam als vorausgesagt. Die schönsten Wahlprogramme werden schnell zu Makulatur, wenn sich die äußeren Umstände ändern. Die Zukunft auf «Lëtzebuergesch» wird durch komplexe internationale Umstände bestimmt. Wenn ein Trump selbstherrlich das Abkommen mit dem Iran aufkündigt, hat dies verzweigte und oft nicht direkt ersichtliche Folgen für den Rest der Welt. Auch für die vermeintliche Insel der Glückseligkeit der ichbezogenen «Lëtzebuerger».

Die verstärkte politische Instabilität in einem Vorhof Europas wird ungeahnte Auswirkungen auf Finanzen und Wirtschaft haben. Wenn die Amerikaner nunmehr Boeing und Airbus, Renault und Volkswagen unter Androhungen von Sanktionen davon abhalten, ihre Lieferkontrakte mit dem Iran zu honorieren, hat dies ebenfalls negative Auswirkungen auf die vielen luxemburgischen Betriebe, die Zulieferanten der Flugzeug- oder Autoindustrie sind. Wenn durch den US-Boykott des iranischen Erdöls nunmehr der Ölpreis ansteigt, kostet das die energiearmen Europäer echtes Geld.

Die Amerikaner sind energetische Selbstversorger geworden. Dank Shale-Gas sogar Energie-Exporteur. Ein höherer Erdölpreis macht die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder in den USA noch rentabler. Und fördert den Export von US-Kohle nach Europa.
Trotz der Begeisterung für Sonnen- und Windenergie darf nicht vergessen werden, dass beide Energieformen nicht konstant liefern. Zur Aufrechterhaltung der Spannung im Elektrizitätsnetz müssen deshalb thermische (oder nukleare) Kapazitäten kurzfristig einspringen können, wenn die Sonne nicht scheint oder kein Wind weht. In dem Umfang, wie sie die «Erneuerbaren» ausbauten, mussten Deutschland oder Großbritannien in den letzten Jahren zunehmend auf billige USKohle zurückgreifen. Mit dem damit verbundenen zusätzlichen CO2-Ausstoß.

Nebenbei: Die großherzogliche Regierung will nunmehr die Luxemburger zu individuellen Solar-Produzenten machen. Da ein Jahr 8.760 Stunden umfasst, und hierzulande die Sonne im Schnitt 1.500 bis maximal 2.000 Stunden scheint, muss zum Ausgleich jedes Jahr während 6 bis 7.000 Stunden Strom importiert werden. Das wird nicht immer «grüner» Strom sein, weil das europäische Verbundnetz z.B. Elektronen aus Cattenom nicht ausfiltern kann.

Nicht nachhaltige Versprechen?

Bei den kommenden Wahlen werden die nationalen Parteien wetteifern für ein «nachhaltiges», «selektives», «effizientes», «faires» Wachstum. «Sanfte» Mobilität mit mehr Fahrrad, mehr Tram und mehr Zug sind angesagt. Alles wunderbar. Nur hapert es mit den Vorstellungen, wie diese Wohltaten sowie alle sozialen «Errungenschaften» ohne mehr Wachstum zu realisieren sind.

Ein Tabuthema bleiben die realen Kosten der öffentlichen Transportträger, sei es Bus, Tram oder Zug. Nur die Autos bringen dem Staat richtiges Geld. Die sollen aber tunlichst verschwinden. Auch dem Tanktourismus soll der Garaus gemacht werden.
Gewiss ist es vernünftig, Fahrgemeinschaften zu propagieren. Aber muss dies über Subventionen erfolgen? Das Carloh-Carsharing ist schon eine reine Geldvernichtungsmaschine ohne erkennbare Resultate. Wie lange kann es sich der Staat erlauben, alle «Wohlfühl-Projekte» zu bezuschussen, von Auto-Sharing über Bioprodukte bis hin zu Sonnenenergie?

Nur so lange wie die Wirtschaft dröhnt. Doch gerade hier beginnt es zu hapern. Obwohl der Anteil der Industrie in der nationalen Wertschöpfung ständig fällt, sind selbst Joghurt-Fabriken nicht mehr willkommen. Der Bankplatz schrumpft stetig. Das noch üppige Fondsgeschäft steht unter regulatorischem Druck und wird von den Hauptstädten der Weltfinanz zunehmend «unethisch» ausgetrickst.

Nur der Bausektor wächst, ohne die Nachfrage an erschwinglichem Wohnraum zu befriedigen. Ein kaum beachtetes Problem ist der Mangel an Handwerkern. Mehr Wohnraum schaffen, ist ohne den Einsatz von zusätzlichen ausländischen Betrieben nicht möglich, da einheimische Fachkräfte absolute Mangelware sind. Es wäre interessant herauszufinden, wie viele Grenzgänger täglich nach Luxemburg strömen, um hierzulande den Wohnungsmarkt zu bedienen?

Zu diesen nationalen Fragezeichen kommen nunmehr die neuen internationalen Spannungen.

Jean Asselborn hat in seinem Spiegel-Interview richtig zur letzten «Trumpheit» reagiert. Die Europäer müssen sich gegen die amerikanischen Iran-Sanktionen wehren. Schon bei den Russland-Sanktionen wurden die EU-Staaten empfindlicher getroffen als die USA, die viel weniger Wirtschaftsbeziehungen mit den Russen haben. Dem Anspruch der USA, nationale Entscheide dem Rest der Welt unter Androhung der Schließung des amerikanischen Binnenmarktes aufzuerlegen, muss widerstanden werden.

Unter Trump sind die vormals «besten Freunde» aus Amerika zu einem unberechenbaren Störenfried geworden. Wenn Trump einen Handelskrieg mit Europa will, soll er ihn haben. Würden die Europäer zusammenhalten, wären sie wirtschaftlich stärker als die USA.
Zu befürchten ist nur, dass die Europäer wie so oft nicht solidarisch sind und gar bereitwillig zu Instrumenten der amerikanischen Machtpolitik werden. Einzelne EU-Staaten haben schon ihr Territorium für amerikanische Raketenstützpunkte geöffnet. Oder verlegen wider alles Völkerrecht im Gefolge von Trump ihre Botschaften in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem.

Angesichts der zunehmenden Kälte in den internationalen Beziehungen wäre die nationale Politik gut beraten, sich für den kommenden Wahlkampf wärmer anzuziehen. Etwas mehr Realismus in den Programmen ist erforderlich.

* Robert Goebbels (LSAP) war unter anderem Wirtschafts- und Transportminister. Zuletzt war er Abgeordneter im EU-Parlament.