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Schweizer Justiz ärgert Madrid

Schweizer Justiz ärgert Madrid
Sie steht im Mittelpunkt des Streits: Die katalanische Politikerin Anna Gabriel

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Von unserem Korrespondenten Heinz Krieger

Eine Wortführerin der katalanischen Separatisten ist in die Schweiz geflohen, um sich der spanischen Justiz zu entziehen. Ein Justizsprecher erklärte, die Schweiz werde sie nicht wegen «politischer Delikte» ausliefern. Madrid reagiert empört.

Erst war es Belgien, jetzt ist es die Schweiz. Katalanische Unabhängigkeitsaktivisten versuchen mit spektakulärer Flucht ins Ausland zweierlei: Zum einen wollen sie sich der spanischen Justiz entziehen. Zum anderen aber wollen sie die Katalonien-Frage «internationalisieren».

Nach der spektakulären Flucht des katalanischen Ex-Ministerpräsidenten Carles Puigdemont nach Belgien hat jetzt Anna Gabriel diesen Weg gewählt, um Aufmerksamkeit in den Medien zu bekommen und sich als politisch Verfolgte darzustellen. Die Ex-Abgeordnete der radikal linken Partei CUP, im Parlament von Barcelona eine der schärfsten Befürworter der Trennung von Spanien, suchte sich die Schweiz dafür aus.

«Offensichtlich ein politisches Delikt»

In Madrid ist man verärgert. Nicht über Gabriels Flucht. Der spanischen Regierung ist die Verhinderung neuer Versuche einer Abtrennung Kataloniens wichtiger als eine allfällige Strafverfolgung solcher Taten in der Vergangenheit. Was ärgert, ist die Reaktion der Schweizer Justiz auf das Lamento der CUP-Politikerin, sie werde politisch verfolgt und hoffe auf Schutz durch die Schweiz.

Sie werde keinesfalls wegen politischer Delikte ausgeliefert, versicherte Justizsprecher Folco Galli auf telefonische Anfrage der Genfer Zeitung «Le Temps»: «Es handelt sich offensichtlich um ein politisches Delikt. Nach unserem Strafgesetz und nach der Europäischen Menschenrechtskonvention kann weder einem Auslieferungsantrag noch einer anderen Form der Amtshilfe der Justiz stattgegeben werden.»

Spaniens Justizminister Rafael Catala polterte zurück: «In Spanien gibt es keine politischen Delikte und deshalb kann auch niemals eine Auslieferung aus diesem Grund verlangt werden.» Regierungssprecher Iñigo Mendez de Vigo wunderte sich in einem Radiointerview über den Schweizer Justizsprecher: «Es lässt aufhorchen, wenn ein Beamter so etwas sagt, obwohl noch keinerlei Antrag gestellt worden ist.»

Kein internationaler Haftbefehl

Es gibt einen spanischen Haftbefehl gegen Gabriel, aber keinen internationalen. Sie hatte eine Vorladung zur Anhörung beim Obersten Gerichtshof erhalten, der die verfassungswidrige Unabhängigkeitserklärung Kataloniens vom vergangenen Oktober untersucht.

Anna Gabriel sollte aussagen, nicht als Angeschuldigte, sondern weil gegen sie ermittelt wird. Da sie nicht erschien, sondern in Genf auftauchte und dort in Interviews ihre politische Verfolgung beklagte, erließ der ermittelnde Richter Pablo Llarena am Mittwoch einen Haftbefehl. Der wurde nicht mit ihrer Rolle bei der Unabhängigkeitserklärung begründet, sondern mit der für jeden Bürger geltenden Verpflichtung, Vorladungen durch ein Gericht Folge zu leisten.

Anwalt mit ETA-Erfahrung

Wie schon Carles Puigdemont in Belgien hat sich Anna Gabriel in der Schweiz einen Anwalt gesucht, der Erfahrung im Umgang mit der spanischen Justiz durch die Verteidigung von Angehörigen der baskischen Terrororganisation ETA gemacht hat. Sie wird von Olivier Peter beraten. Der seit 2014 in der Schweiz als Anwalt zugelassene Peter ist mit dem Anwaltsbüro Interdroit spezialisiert auf Menschenrechtsverfahren beim zuständigen Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

Die Tageszeitung «La Vanguardia» aus Barcelona erinnert daran, dass Peter zu den Verteidigern gehört hat, die die sogenannte «Parot-Doktrin» in Straßburg zu Fall brachten, ein Verfahren zur – aus Sicht des EGMR nicht zulässigen – Strafverlängerung für verurteilte ETA-Mitglieder.

Und Peter steht demnach auch hinter dem kürzlich gesprochenen Urteil des EGMR, das Spanien verpflichtet, Schmerzensgeld an zwei ETA-Terroristen wegen rechtswidriger Behandlungen durch die Polizei zu bezahlen. Sie hatten 2006 ein Parkhaus am Madrider Flughafen in die Luft gesprengt und dabei zwei Menschen getötet.