Am Sonntag wählen die Italiener ein neues Parlament. Der Milliardär und frühere Skandalpremier Silvio Berlusconi (Forza Italia) hat kräftig im Wahlkampf mitgemischt. Nun hat er sogar den EU-Parlamentspräsidenten Antonio Tajani an Land gezogen.
Von Eric Rings
Falls Berlusconis Mitte-rechts-Bündnis eine Mehrheit erlangt, soll Tajani Premier werden. Dies könnte aber bei den anderen zwei Parteien des Bündnisses (Lega und Fratelli d’Italia) für Unmut sorgen. Zerstritten sind ebenfalls die Linksparteien. Und für den Dritten im Bunde, den Movimento 5 Stelle, könnte es knapp werden, eine Mehrheit zu erreichen. Der Wahlausgang ist demnach alles andere als vorhersehbar. Die drei großen Blöcke könnten gleichauf liegen und sich gegenseitig ausbremsen. Stillstand, wie es Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor einigen Tagen besorgt nannte, wäre dann die Folge. Ein Überblick über die wichtigsten Männer im Wahlkampf – Frauen sind Mangelware.
Parlamentswahl: Sechs Gesichter – und mögliche Szenarien
Der mittlerweile 81-jährige Chef der konservativen Forza Italia trat im Wahlkampf so gut wie gar nicht öffentlich auf. Dafür dominierte der Medienunternehmer (hauseigene) TV-Sender. Trotz seiner drei skandalgeprägten Amtszeiten als Ministerpräsident könnte sein Mitte-rechts-Bündnis die Mehrheit holen. Nach einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung darf Berlusconi allerdings bis 2019 keine politischen Ämter bekleiden – dagegen klagt er vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Nach zwei gescheiterten Ehen, aus denen fünf Kinder hervorgegangen sind, ist er nun mit der 49 Jahre jüngeren Francesca Pascale zusammen.
Der derzeitige EU-Parlamentspräsident ist Berlusconis Wunschkandidat für das Amt des Regierungschefs und gehört zu den Gründungsmitgliedern der Forza Italia. Der 64-jährige Jurist hat vor gut einem Jahr die Nachfolge von Martin Schulz angetreten. Der gebürtige Römer war einst Berlusconis Pressesprecher. Zeitweise führte er die römische Redaktion der Mailänder Tageszeitung Il Giornale, die der Familie Berlusconi gehört. Früh wandte er sich Europa zu: Seit 1994 ist er EU-Abgeordneter. In Brüssel und Straßburg wurde ihm vorgeworfen, sich zu viel um italienische Belange zu kümmern. Seine Amtszeit als Parlamentspräsident endet im Mai 2019.
Er ist Berlusconis Bündnispartner vom rechten Rand. Dem 44-Jährigen ist in der Migrationskrise eine erstaunliche Wiedergeburt der Partei Lega Nord gelungen. Seit 2013 steht er an der Spitze der Partei, die einst nur im Norden stark war. Er schlug einen fremdenfeindlicheren Kurs ein und wurde das Gesicht einer landesweiten rechten Bewegung. Bei der Wahl tritt die Partei erstmals als Lega an. Der Mailänder nennt den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban sein Vorbild, ist Trump- und AfD-Freund sowie Verbündeter von Frankreichs Front-National-Chefin Marine Le Pen. Salvini ist Fan von Berlusconis Ex-Fußballclub AC Mailand und hat zwei Kinder.
Der Chef der Sozialdemokraten und ehemalige Ministerpräsident will es nach seinem Sturz wegen der Niederlage bei einem Verfassungsreferendum noch einmal wissen. Der 43-jährige Florentiner ist bekennender Pro-Europäer und galt vielen als Hoffnungsträger, der Italien wieder aus der Krise führen könnte. Anfang 2014 war der ehemalige Bürgermeister von Florenz als „Verschrotter“ der alten Politik angetreten. Er büßte aber spätestens an Popularität ein, als er das Referendum zur Abstimmung über seine eigene politische Zukunft erklärte. Ehemalige Parteikollegen wie Senatspräsident Pietro Grasso treten bei der Wahl getrennt von der PD an. Renzi ist verheiratet und hat drei Kinder.
Der 31-Jährige ist Spitzenkandidat der eurokritischen Fünf-Sterne-Bewegung – derzeit in Umfragen stärkste Einzelpartei des Landes. Würde er es in die Regierung schaffen, wäre er der jüngste Regierungschef, den Italien je hatte. Im Gegensatz zum Gründer der Partei, dem Ex-Komiker Beppe Grillo, gibt er sich moderat und wirkt brav. 2013 kam der Studienabbrecher ins Parlament und wurde zum stellvertretenden Präsidenten der Abgeordnetenkammer gewählt, der jüngste in der Geschichte der Republik. Gewitzelt wird oft über seine Grammatikfehler oder über mangelnde Geografie- und Geschichtskenntnisse. Di Maio stammt aus einem Vorort von Neapel, er ist ledig und hat keine Kinder.
Der 63-Jährige wurde nach dem Rücktritt von Renzi Regierungschef. Das Verhältnis zwischen den beiden Sozialdemokraten gilt als eng. Als früherer Außenminister ist er Diplomat durch und durch und gilt als gemäßigter Politiker, der keine Spielchen spielt und sich auch im Wahlkampf auf keine Polemik einlässt. Er mag Polit-Dramen gewöhnten Italienern mitunter zu grau und ruhig erscheinen, doch kein Politiker ist derzeit so populär wie er. Mit 35 Prozent ist er der Politiker, dem die Italiener das meiste Vertrauen entgegenbringen. Immer wieder wird spekuliert, ob Gentiloni nicht doch der geeignete Kandidat wäre, das Amt weiterzuführen. Gentiloni ist verheiratet, hat aber keine Kinder.
Verschiedene Szenarien nach der Wahl
Die Parlamentswahl in Italien wird vermutlich keinen klaren Gewinner hervorbringen. Das neue Wahlrecht ist kompliziert. Etwa ein Drittel der Sitze wird durch ein Mehrheitswahlsystem vergeben, zwei Drittel werden bestimmt durch Verhältniswahl. Laut Umfragen kommt keine Partei und kein Bündnis auf eine regierungsfähige Mehrheit. Was passiert dann?
– Falls das Mitte-rechts-Bündnis von Silvio Berlusconi und der rechtspopulistischen Lega nicht auf eine Mehrheit kommt, ist auch eine große Koalition zwischen Berlusconis Forza Italia und den Sozialdemokraten (Partito Democratico, PD) möglich. Allerdings hatten sowohl Berlusconi als auch PD-Chef Matteo Renzi dieser Option im Vorfeld eine Absage erteilt.
– Die Fünf-Sterne-Bewegung, die vermutlich stärkste Einzelpartei wird, hat bisher eigentlich Koalitionen mit wem auch immer ausgeschlossen. Im Wahlkampf hatte sie diese Position allerdings revidiert. Es bleibt also abzuwarten, ob die Partei nicht doch noch koaliert, um in die Regierung zu kommen.
– Die beiden Kammern des Parlaments kommen erstmals am 23. März zu einer Sitzung zusammen. An diesem Tag sollen die Präsidenten des Senats und des Abgeordnetenhauses gewählt werden.
– Erst danach beginnen eventuelle Koalitionsverhandlungen. Hier kommt Staatspräsident Sergio Mattarella eine tragende Rolle zu, der alle parlamentarischen Gruppen zu Gesprächen einlädt – das könnte Ende März oder Anfang April passieren. Er muss dann abwägen, wer die besten Chancen hat, eine Regierung zu bilden. Er wählt dann eine Person, die diese Aufgabe übernehmen soll. In Italien muss ein Regierungschef nicht notwendigerweise Parlamentsmitglied sein. Falls sich keine Lösung findet, kann Mattarella das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen.
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