Von André Anwar
In Schweden soll am 1. Juli 2018 ein neues Einwilligungsgesetz in Bezug auf Sex in Kraft treten. Zu den wenigen Kritikern gehört die Vorsitzende des schwedischen Anwaltsverbundes Anne Ramberg. Sie sieht Probleme hinsichtlich der Rechtssicherheit.
Frau Ramberg, was ist bisher über das neue Gesetz bekannt?
Anne Ramberg: Das Gesetz befindet sich ja noch in der Vorbereitungsphase. Wie es auf die Rechtspraxis wirken wird, wissen wir noch nicht. Wir haben nur ein paar teils unbedachte Äußerungen von Politikern. Die schwedische Vizeministerpräsidentin etwa schien streckenweise nicht richtig zu wissen, um was es da im Detail geht, was sehr bedenklich ist. Sie musste eine Aussage dazu korrigieren.
Die grüne Vizeregierungschefin Isabella Lövin hat gesagt, dass es sich um ein historisches Gesetz handelt, in dem die Beweislast von der Anklageseite auf die Seite des Beschuldigten verlagert wird. Das klingt sehr weitgehend. Sie sagte auch, dass der Beschuldigte mit dem neuen Gesetz „beweisen muss, dass seine Partnerin ‹Ja› gesagt hat“, um nicht verurteilt zu werden. Was meint sie damit?
Lövin hat inzwischen von ihrer eigenen Aussage bei Twitter Abstand genommen. Zwar werde sich die Beweislast nicht völlig umkehren, aber sie hoffe, der Fokus werde verstärkt auf dem Angeklagten liegen. Doch beide Äußerungen sind äußerst bedenklich. Der Bedarf am neuen Gesetz und die politische Reklame dafür sind, vorsichtig gesagt, übertrieben. Die bestehenden Gesetze, in denen bereits festgelegt ist, dass Sex freiwillig sein muss, reichen aus. Man kann Politikern vielleicht undurchdachte Äußerungen oder gar Unwissenheit im Fach verzeihen. Aber es muss an grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien festgehalten werden, unabhängig von der aktuellen politisch-moralischen Sichtweise.
Aber was bedeutet das Einwilligungsgesetz konkret?
So wie wir es verstehen verlangt das Gesetz grundsätzlich, dass bei jeder neuen sexuellen Handlung immer wieder erneut um Erlaubnis gebeten werden muss. Aber erwachsene Menschen wissen doch, dass man nicht vor jedem Akt verhandelt und ein Abkommen auf diese Weise setzt. Große Bedeutung wird die Einführung von «unachtsamer Vergewaltigung» haben. Da muss es nicht um eine absichtliche Handlung gehen. Deshalb muss grundsätzlich die Erlaubnis eingeholt werden. Laut Regierung durch ein ausdrückliches «Ja» oder, wie es inzwischen zusätzlich heißt, durch eine bejahende Handlung. Was dabei mit Handlung gemeint ist, wissen wir nicht.
Genau da liegt das Problem. Der Gesetzesvorschlag ist zu vage. «Kein Nein» oder «keine nonverbale Abweisung» reicht mit dem neuen Gesetz zumindest grundsätzlich nicht mehr für die Entlastung des Angeklagten in einem Vergewaltigungsprozess. Wenn es kein ausdrückliches «Ja» gibt, obwohl auch kein «Nein» von der Klägerin vorliegt, wird es schwierig für den Angeklagten. Wie soll ein einzelner Richter da entscheiden, was ein Ausdruck für Zustimmung ist? Es wird durch das Gesetz deutlich schwieriger für den Angeklagten. Seine Erklärungspflicht wird sich vermutlich verschärfen, die Beweislast auf der Anklageseite vermindern. Die Rechtsunsicherheit wird größer.
Es wird auch weiterhin im Streitfall Wort gegen Wort stehen, wie bislang. Wie schätzen Sie die konkrete Auswirkung auf die Rechtspraxis ein?
Wir glauben nicht, dass es zu viel mehr Verurteilungen führen wird. Eine Beweisanforderung auf Anklageseite bleibt ja weiterhin bestehen. Das Gesetz soll laut der Regierung vor allem auch eine normative Wirkung haben. Jede Phase des Aktes soll auf freiwilliger Basis erfolgen. Aber wenn auch die Regierung eigentlich nicht daran glaubt, dass es zu mehr Verurteilungen kommen wird, sollte das nicht in ein Gesetz gegossen werden. Das ist, wie gesagt, auch bezüglich der Rechtssicherheit sehr problematisch. Es kann auch dazu führen, dass noch mehr unangenehm intime Fragen an den Beschuldigten und den Kläger gestellt werden müssen als bisher.
Zum Hintergrund:
In Schweden soll am 1. Juli 2018 das sogenannte «Samtyckeslag» (Einwilligungsgesetz oder Zustimmungsgesetz) in Kraft treten. Demnach kann ein Angeklagter für eine Vergewaltigung verurteilt werden, auch wenn Gewalt oder Bedrohung nicht vorkamen. «Kein Nein» oder «keine nonverbale Abweisung» vor oder beim Sex reicht dann zumindest grundsätzlich nicht mehr aus, um im Streitfall einer Vergewaltigungsverurteilung zu entgehen. «Nur ein Ja ist dann noch ein Ja», heißt es.
Löfven: Einfache Botschaft
Weiterhin sollen aber auch die Umstände im Einzelfall berücksichtigt werden. Die Eckpunkte sind klar: «Die Botschaft ist einfach. Du musst dich bei der Person, mit der du Sex haben willst, erkundigen, ob sie Sex haben will», erklärte der sozialdemokratische Ministerpräsident Stefan Löfven. Mit dem neuen Gesetz sollen mehr sexuelle Handlungen als bislang als Vergewaltigung eingestuft werden, sagte der Premier.
Sexpartner müssen sich laut Regierung beim Gegenüber aktiv vergewissern, dass die andere Person Sex haben möchte. Für Zuwiderhandlung wird extra der neue Tatbestand der «unachtsamen Vergewaltigung» in das schwedische Strafrecht eingeführt. Die Gesetzesverschärfung wird von allen Parteien gestützt.
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