Von unserem Korrespondenten Manfred Maurer
Wie einige andere EU-Staaten beteiligt sich auch Österreich vorerst nicht am kollektiven Rauswurf russischer Diplomaten. Wien steht allerdings deshalb unter massiver Kritik, was auch eine Folge der FPÖ-Liaison mit Wladimir Putin ist.
Österreich weist vorerst keine russischen Diplomaten aus. Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) sieht in der Affäre um den Giftanschlag auf den russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal noch keinen endgültigen Beweis, dass «die Kausalität bei Russland liegt». Wien trägt zwar die beim EU-Gipfel vergangene Woche beschlossene Solidaritätsadresse an Großbritannien mit, beteiligt sich jedoch nicht an der konzertierten Ausweisung russischer Diplomaten.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will «die Gesprächskanäle nach Russland offenhalten». Österreich sei ein neutrales Land und sehe sich «als Brückenbauer zwischen Ost und West».
Österreich ist mit dieser Haltung in der Minderheit. Aber immerhin neun der 28 EU-Mitglieder sahen bis Mittwoch keine Notwendigkeit, russische Diplomaten auszuweisen.
«Wien brennt Brücken zum Westen nieder»
Doch nur Österreich steht deshalb massiv in der Kritik. So fragt der lettische EU-Abgeordnete und frühere Außenminister Artis Pabriks: «Welche weiteren EU-Entscheidungen lässt Kurz in Österreich nicht gelten?» Der frühere schwedische Ministerpräsident Carl Bildt kann mit der Argumentation, man sei ein neutrales Land, nichts anfangen: Es sei «ein großer Unterschied, Teil des Westens zu sein oder eine Brücke zwischen dem Westen und dem Osten», findet der bürgerliche Politiker.
Am schärfsten formulierte die Kritik ausgerechnet der im vergangenen Jahr von Kurz als OSZE-Sonderbeauftragter gegen Radikalisierung engagierte deutsche Terrorexperte Peter Neumann: «Das ist Österreich, wie es seine Brücken zum Westen niederbrennt.»
«Wir brennen hier überhaupt nichts nieder», so Außenministerin Kneissl. «Wir sind zweifellos ein Land des Westens!»
FPÖ-Pakt mit Putin-Partei
Die Zweifel daran hat freilich die Partei genährt, der Kneissl zwar nicht angehört, die sie aber in dieses Ministeramt gehievt hat. Denn die FPÖ hat sich in den vergangenen Jahren im Umgang mit Russland nicht gerade neutral verhalten. Ende 2016 war der heutige Vizekanzler Heinz Christian Strache mit einer Delegation seiner Partei nach Moskau gepilgert, um dort mit Wladimir Putins Partei Geeintes Russland ein Kooperationsabkommen abzuschließen.
Ziel dieses Paktes sei es, «die Freundschaft zwischen FPÖ und Geeintes Russland zu stärken» und «die junge Generation im Geiste von Patriotismus und Arbeitsfreude zu erziehen». Der spätere Koalitionspartner ÖVP sprach damals von einer «außenpolitischen Geisterfahrt der FPÖ». Die Freiheitlichen befanden sich damit freilich in guter Gesellschaft mit anderen Rechtspopulisten in Westeuropa, die offen mit dem autoritären Regime in Moskau sympathisieren und auch kein kritisches Wort zur Annexion der Krim verlieren.
Im Gegenteil: Mehrfach waren FPÖ-Vertreter auf die ukrainische Schwarzmeerhalbinsel gereist, um das Streben der russischen Administration nach einer Legitimation des Coups zu unterstützen.
Ex-ÖVP-Minister bei Gasprom
Durch den Regierungseintritt der FPÖ färbte der Verdacht, Österreich könnte zu einem unsicheren Kantonisten werden, auf die ganze Regierung ab. Zwar hat Kanzler Kurz seinem Vize Strache bislang keine außenpolitischen Eskapaden durchgehen lassen und seinen Antrittsbesuch bei Kremlchef Putin kürzlich für ein Bekenntnis zu den EU-Wirtschaftssanktionen genutzt, doch die Brückenbauer-Ambitionen und mehr noch wirtschaftliche Interessen der Alpenrepublik dürften dafür sorgen, dass der Verdacht im Raum stehen bleibt.
Einen Beitrag dazu leistet der frühere ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling: Nur drei Monate nach seinem Ausscheiden aus der Regierung steht er nun als Berater für die Gasleitung Nord-Stream 2 bei Gasprom unter Vertrag.
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