Von unserem Korrespondenten Heinz Krieger
Der neue katalanische Regierungspräsident Torra hat vier wegen der Rebellion vom Oktober angeklagten Ex-Minister in sein Kabinett berufen. Madrid spricht von Provokation und denkt man über Verlängerung der Zwangsverwaltung nach.
Dienstreisen sagen manchmal mehr als Programme. Oder sie unterstreichen sie. Die erste Reise nach seiner Wahl zum neuen katalanischen Regionalpräsidenten führte Joaquim Torra – der sich «Quim» nennt – nach Berlin, wo sein amtsenthobener Vorgänger Carles Puigdemont wegen eines noch nicht entschiedenen Auslieferungsantrags festsitzt. Er lobte ihn dort als den «wahren Präsidenten» Kataloniens, nannte sich selber seinen «Statthalter». Am Pfingstmontag, der in Spanien kein Feiertag ist, reiste er nach Madrid, um die «politischen Gefangenen» in der Untersuchungshaft zu besuchen. Darunter sind auch zwei, die er in seinem künftigen Kabinett sehen möchte.
In Haft und auf der Flucht
Denn Torra hat vier Ex-Minister aus dem Kabinett Puigdemont erneut berufen. Alle sind wegen ihrer Beteiligung an der «Rebellion» vom Oktober gegen die spanische Verfassung, an dem für illegal erklärten Unabhängigkeitsreferendum und Veruntreuung von Staatsgeldern angeklagt. Zwei sind in Haft, zwei sind vor der spanischen Justiz ins Ausland geflohen, wie auch Puigdemont selber. Jordi Turull und Josep sitzen in Untersuchungshaft, seit Anklage gegen sie erhoben worden ist.
Antoni Comín und Lluis Puig sind nach Belgien geflohen, wo ihnen nach der Entscheidung der dortigen Justiz trotz europäischer Haftbefehle keine Auslieferung droht. Außerdem will Torra den wegen seiner Verwicklung in die Geschehnisse vom Oktober entlassenen früheren Kommandeur der 14.000 Mann starken katalanischen Polizeitruppe Mossos d’Esquadra, Josep Lluís Trapero wieder in sein Amt einsetzen.
Auf dem Verwaltungsweg gestoppt
Die Nationalregierung in Madrid sieht die Berufungen als «Provokation». Der Jurist Torra weiß, dass die vier zu Ministern Berufenen ihr Amt nicht antreten können. In einer Stellungnahme zu den Personalentscheidungen Torras heißt es: «Der Präsident der Generalitat hat heute eine Gelegenheit verpasst, seinen Willen zur Rückkehr zur Normalität zu demonstrieren, da seine Entscheidungen zeigen, dass er eine Strategie der Konfrontation mit dem Staat und der Mehrheit der katalanischen Gesellschaft beibehalten will.» Als Generalitat wird die katalanische Regierung bezeichnet.
Die Regierung von Premier Mariano Rajoy beließ es nicht bei der Kritik. Sie blockierte die Ernennung der vier Minister durch einen Verwaltungsakt, indem sie die Veröffentlichung der Namen im katalanischen Staatsbulletin untersagte. Dort kann zwar die von Torra angekündigte Struktur seines Kabinetts, aber ohne die vier Namen, veröffentlicht werden. Torra meine es mit seinem Dialog-Angebot an die Zentralregierung offenbar nicht ernst, hieß es in Madrid weiter.
Zwangsregierung de facto verlängert
Rajoy versicherte sich am Montag in Gesprächen mit Pedro Sanchez und Albert Rivera der Unterstützung der sozialdemokratischen und der liberalen Partei (PSOE und Ciudadanos). De facto bedeutet die Verhinderung der Veröffentlichung im Staatsanzeiger – eine Voraussetzung für den Amtsantritt – auch die Verlängerung der Zwangsverwaltung Kataloniens durch die Regierung in Madrid. Im Oktober hatte die Regierung mit Billigung durch den Senat den Artikel 155 der spanischen Verfassung zur Direktregierung der Autonomen Region Katalonien zur Anwendung gebracht. Mit dem Amtsantritt einer neuen Regierung würde das auslaufen. Beharrt Torra auf seiner Personalwahl, bleibt auch der 155 in Kraft.
In Kreisen der katalanischen Separatisten geht man laut Medienberichten davon aus, dass die Strategie von Puigdemont und seinem Statthalter Torra darauf hinauslaufe, nur Zeit zu gewinnen und dann zeitgleich mit den Kommunalwahlen im kommenden Frühjahr auch Neuwahlen in Katalonien durchzuführen.
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