Dienstag23. Dezember 2025

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AustralienPremierminister Anthony Albanese seit einem Jahr im Amt

Australien / Premierminister Anthony Albanese seit einem Jahr im Amt
Australiens Regierungschef Anthony Albanese während eines Treffens mit US-Präsident Joe Biden an diesem Wochenende beim G7-Gipfel in Japan Foto: AFP/Brendan Smialowski

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Am 23. Mai ist Australiens Premierminister Anthony Albanese ein Jahr im Amt. Er übernahm das Land in einer schwierigen Phase: Von der Pandemie geschwächt, mit dem wichtigsten Handelspartner China zerstritten, das Image als Klimaaußenseiter angekratzt. Was konnte er mit seinen Sozialdemokraten bewirken?

Australiens Regierungschef Anthony Albanese ist schwierige Umstände gewöhnt: Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen im Westen von Sydney auf. Seine Mutter war alleinerziehend und schwer krank. Die beiden lebten in einer Sozialwohnung. Den italienischen Vater lernte Albanese erst im Erwachsenenalter kennen.

Auch als seine Labor Party im Mai 2022 nach fast einer Dekade liberalkonservativer Regierungen die Wahl für sich entscheiden konnte, stand Albanese vor einer schwierigen Ausgangslage. Australiens Verhältnis zu etlichen Ländern war angeschlagen: Der größte Handelspartner China blockte Briefe und Anrufe ab, auch Frankreich fühlte sich nach einem geplatzten U-Boot-Deal hintergangen. Die polarisierende Rhetorik der Vorgängerregierung half auf diplomatischer Ebene ebenfalls nicht. Zudem verärgerte sie zahlreiche Bürger im Land selbst. Auch die Inaktivität beim Klimawandel konnten viele nach Jahren intensiver Buschfeuer und Überschwemmungen nicht mehr ertragen.

Albanese und sein Team wurden deswegen zu Hoffnungsträgern. Nach dem Wahlsieg stürzten sie sich in die Arbeit und die Bilanz des ersten Jahres kann sich sehen lassen: So hat Albanese mit seiner Labor Party innerhalb der ersten zwölf Monate ein Klimagesetz verabschiedet und Australien zu ehrgeizigeren Emissionszielen bis 2030 verpflichtet. Auch das Verhältnis zu China, zu Frankreich und zu den pazifischen Nachbarn hat er nach Jahren der Dissonanz wieder in bessere Bahnen geleitet.

Das Mammut-Reiseprogramm der Außenministerin

Letzteres hat Albanese hauptsächlich seiner rührigen Außenministerin Penny Wong zu verdanken, die selbst asiatisches Erbe hat. Wong startete noch in den ersten Tagen im Amt ein intensives Reiseprogramm durch den Pazifik und nach Südostasien. Nach einem Besuch in Laos und auf den Philippinen ist sie in ihrem ersten Amtsjahr nun bei jedem Mitglied des Pacific Island Forum und bei jedem Mitglied des Verbands Südostasiatischer Nationen (Asean) – mit Ausnahme des vom Militär regierten Myanmar – zu Gast gewesen. Ihr größter Verdienst ist dabei aber, dass sie gemeinsam mit Albanese und anderen Kollegen, die angespannte Beziehung zu China wieder aufgetaut hat.

Peking spricht wieder mit Canberra und die harschen Handelsbarrieren, die die Volksrepublik in den letzten Jahren gegen Australien verhängt hat, beginnen aufzuweichen. Erst am Donnerstag verkündete der chinesische Botschafter in Australien, Xiao Qian, dass China ab sofort wieder australisches Holz importieren wird. Letzteres war neben Wein, Baumwolle, Hummer, Gerste oder Kohle einer der betroffenen Importe, deren China-Geschäft in den vergangenen Jahren ausgebremst wurde. Geholfen haben könnte dabei, dass die Sozialdemokraten – obwohl sie das von der Vorgängerregierung geschlossene Sicherheitsbündnis Aukus mit den USA und Großbritannien weiterführen und im Rahmen dessen auch weiterhin Atom-U-Boote beziehen – einen anderen Kurs in der China-Taiwan-Thematik eingeschlagen haben. So wird in Australien inzwischen nicht mehr öffentlich über eine Beteiligung des Landes an einem möglichen chinesisch-amerikanischen Krieg um Taiwan spekuliert. Letzteres betrachtet China als eine Art abtrünnige Provinz, die eigentlich zum chinesischen Territorium gehört.

Methodischste Regierung seit Dekaden

Albanese selbst war in den vergangenen Monaten aber ebenso rührig wie seine Außenministerin. Im Inland war der Premierminister darauf bedacht, so viele Wahlversprechen einzulösen wie nur möglich: Kinderbetreuung, Gesundheitssystem und Altenpflege zu verbessern, auf nationaler Ebene gegen Korruption vorzugehen und das Arbeitslosengeld zumindest um einen kleinen Betrag zu erhöhen. Dieser für die Sozialdemokraten so typische Ansatz auf Sozialpolitik spiegelte sich auch im Anfang Mai vorgelegten Haushalt wider, der unter anderem versucht, die extrem hohen Wohn- und Lebenshaltungskosten in den Griff zu bekommen.

Denn seit der Wahl ist bei Weitem nicht alles rosig im Land: Die Hypothekenzinsen sind um mehr als drei Prozent gestiegen, und im vergangenen Winter forderte die Regierung die Menschen auf, ihren Stromverbrauch zu reduzieren, um Stromausfälle zu vermeiden. Gleichzeitig stiegen die Preise für Lebensmittel stetig an. „Auf dem Papier sollte die Popularität der Regierung sinken, aber das ist nicht der Fall“, sagte die Politikwissenschaftlerin Marija Taflaga von der Australian National University in Canberra. Doch die Öffentlichkeit erkenne, dass die aktuelle Regierung versuche, schwierige Probleme zu lösen. Albaneses Zustimmungswerte sind seit der Wahl dann auch gestiegen: Sie liegen bei über 55 Prozent. „Das ist ein starkes Ergebnis für Australien“, erklärte die Akademikerin. „Albaneses parlamentarische Erfahrung und seine Fähigkeit zu strategischem Denken spiegeln sich im maßvollen und systematischen Regierungsansatz seiner Regierung wider.“ Für eine Regierung in der ersten Amtszeit sei dies „die sicherste, am besten geführte und methodischste Regierung“ seit Jahrzehnten.

Auch Albanese lässt nicht von der Kohle ab

Gegenwind erhält Albanese dagegen bei seinem „Herzensprojekt“: der sogenannten „indigenen Stimme“, ein Gremium, mit dem Albanese den Ureinwohnern mehr Mitspracherecht im Parlament geben will. Ein Volksentscheid dazu soll noch in diesem Jahr stattfinden, doch die Debatte wird derzeit auf allen Seiten sehr emotional geführt. Kritik kommt dabei teilweise auch von indigener Seite. Mehr zu tun gibt es auch noch bei den Themen Klima und Umwelt: Denn trotz Klimagesetz genehmigte die Regierung im Mai ihr erstes Kohlebergwerk und das auch noch in einer Region, die in den Lebensraum der Koalas eingreift. Deren Überleben ist im Osten des Landes ohnehin schon gefährdet.

Laut Stewart Jackson, ein Forscher der University of Sydney aus dem Fachbereich der Politik- und Sozialwissenschaften, hat Albanese deswegen wohl nicht alle Erwartungen erfüllt. Doch er habe „Australiens internationales Ansehen und die Binnenwirtschaft in einer Zeit erheblicher Unsicherheit und Polarisierung aufrechterhalten“, findet der Experte. Dies mache ihn zu einem der bisher zentristischsten Parteichefs der Sozialdemokraten.