Autismus wird von der breiten Öffentlichkeit – nicht zuletzt auch wegen diverser Hollywood-Produktionen – falsch bzw. verklärt bis illusionsbehaftet gesehen. Tatsächlich haben Autisten oft außerordentliche Fähigkeiten auf verschiedenen Gebieten. Sie zeichnen sich zudem meist durch ein großes Gerechtigkeitsempfinden aus, was allerdings nicht bedeutet, dass sie keine gesellschaftliche Unterstützung brauchen.
Doch damit sie diese Unterstützung erhalten können, muss die Gesellschaft informiert, aufgeklärt und sensibilisiert werden. Zu diesem Zweck wurde am Donnerstag eine Veranstaltung im Capellener Kulturzentrum abgehalten – und zwar im Rahmen des Welt-Autismus-Tags (2. April), der sich ganz der Sensibilisierung der Menschen verschrieben hat. Die «Fondation Autisme Luxembourg» (FAL) und «Autisme Europe» luden unter dem Motto «Brisons les barrières pour l’autisme» zur Konferenz, für die Großherzogin Maria Teresa die Schirmherrschaft übernahm.
Nach der Begrüßung durch FAL-Generaldirektorin Nathalie Lehoucq ging Aurélie Baranger, die Direktorin von «Autisme Europe», auf die Empfehlungen ihrer Organisation für eine europäische Strategie in Bezug auf die Störung ein. Es gibt etwa europäische Strategien gegen Krebs – und eine solche würde viel für die Autismus-Betroffenen bewirken können. Die Aussichten für einen Autismus-Plan sind nicht schlecht: Das Parlament steht der Initiative offensichtlich eher positiv gegenüber. Zusätzliches Gewicht erhält die Forderung zurzeit zudem durch eine Fotoausstellung zum Thema, an der auch der Luxemburger Fotograf André Weisgerber mitgearbeitet hat.
Erwartungen an Politik
Die Erwartungen im Rahmen einer offiziellen europäischen Strategie reichen von einer Beschleunigung des Diagnoseverfahrens und harmonisierten Standards hierfür über die Einführung von «Guichets uniques», die den Betroffenen und ihren Familien zentral weiterhelfen sollen, bis hin zu einer Harmonisierung der entsprechenden nationalen Reglemente und mehr spezialisierten Berufsschulen …
Auch in Luxemburg sind die Erwartungen an die Politik zurzeit hoch – und das nicht zuletzt wegen der Vorarbeit von Dr. Andreia Costa, Psychologin an der Universität Luxemburg, die mit der FAL das Projekt eines nationalen Autismus-Planes ausgearbeitet hat.
Dr. Costa, die am Donnerstag 15 Leitlinien für einen solchen Plan darlegte, verwies zu Beginn ihres Vortrages darauf, dass es lediglich statistische Schätzungen, nicht jedoch genaue Zahlen zur Anzahl an Autisten in Luxemburg gibt. Zudem würden die zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen, um den Bedürfnissen gerecht zu werden, und es gebe auch die Notwendigkeit, die verschiedenen bestehenden Dienste und Strukturen zu harmonisieren.
Die 15 Leitlinien definierte sie anschließend vor dem Publikum und steckte damit den Rahmen einer möglichen politischen Initiative ab, die in Luxemburg knapp 6.000 Personen direkt betrifft, mit dem familiären Umfeld allerdings wohl einige Zehntausend …
Ein solcher Plan hätte wohl auch wirtschaftliches Potenzial; die Kosten zur Behandlung und Betreuung von Autisten übersteigen laut verschiedenen Berechnungen jene von Krebs- und Herzpatienten zusammengenommen. Die Psychologin schickte voraus, dass einige der im Plan definierten Vorschläge und Angebote im Land bereits bestehen, andere allerdings nicht – und ein koordiniertes ganzheitliches Vorgehen fehle gänzlich.
Leitlinien des Plans
Der Plan sieht folgende Leitlinien vor:
- Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung: Vermittlung der Problematik an die Öffentlichkeit, u.a. durch Kampagnen;
- verbesserter Zugang: Zugang zu Informationen, Mitteln und Dienstleistungen, die Standardisierung der öffentlichen Hinweisbeschilderungen;
- Forschung: Ermittlung der Situation in Luxemburg, Förderung der Forschung, Entwicklung von Plattformen zum Austausch von Informationen;
- Ausbildung der Fachkräfte: Weiterbildung und Erfahrungsaustausch, Sensibilisierung von Personal im Gesundheits- und Sozialbereich, in der Erziehung sowie in der Justiz und Aufklärung in den öffentlichen Verwaltungen;
- Detektion und Diagnose: frühzeitige Diagnosen u.a. durch entsprechende Instrumente und eine darauffolgende Begleitung, Schaffung eines Beratungs- und Orientierungssystems, Feststellung der Schwere der Störung;
- Frühzeitige Betreuung: Zugang zu personalisierter Betreuung bis zum Alter von sechs Jahren, Nutzung eines Netzes von spezialisierten Zentren, Koordinierung der Mittel;
- Ganzheitliches und spezialisiertes Eingreifen: Eingriffe in verschiedene Systeme (Gesundheit, Schule, Soziales) und Verhinderung von Praktiken durch Scharlatane;
- Gesundheitspflege: integrale Aufmerksamkeit auf die medizinische Pflege mit angepasster Behandlung sowie Förderung des Wohlbefindens der Autisten und ihrer Angehörigen;
- Bildung: Kenntnisse zur Lage und zu den Bedürfnissen der Betroffenen, Flexibilisierung der bestehenden Bildungsangebote, individualisierte Programme, Verhinderung von Mobbing;
- Beruf: Anpassung der Reglemente zur Arbeit mit Begleitung, Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt mit entsprechenden Maßnahmen, Sensibilisierung der Unternehmen;
- Unabhängigkeit: Tagespflegedienste sowie solche zur Förderung der persönlichen Autonomie, Hilfe für ältere Betroffene und allgemein bei der Wahl des Wohnorts;
- Soziale Inklusion: Beteiligung als Bürger am gesellschaftlichen Leben, unterstützende Dienste für die Freizeitgestaltung, Vereine für Betroffene und ihre Angehörigen;
- Justiz und Rechte: Schutz und juristische Unterstützung zum Beispiel bei juristischen Prozeduren, Vermittlung der eigenen Rechte;
- Unterstützung der Angehörigen: Hilfe und Information für die Familien, Erfahrungsaustausch zwischen Betroffenen, Informationsprogramme;
- Qualität, Wertgleichheit und Nachhaltigkeit der Dienstleistungen: gerechter Zugang zu Mitteln und Dienstleistungen, Einsatz der Mittel nach Kriterien der Nachhaltigkeit, Verbesserung der Systeme, der Programme, der Methoden.
Vorarbeit ist gemacht
Die Vereinigung wird auch weiterhin versuchen, Lobbyarbeit zu betreiben, um die Realisierung eines nationalen Plans voranzutreiben. Die Vorarbeit ist jedenfalls gemacht. Zum Abschluss der Veranstaltung erklärte die Rümelinger Vorschullehrerin Jessica Thill anhand eines konkreten Beispiels die Arbeit mit einem autistischen Kind in ihrer Klasse – eine, auf die sie in ihrer Ausbildung nicht vorbereitet wurde, die sie aber mit viel Freude und einem großen Maß an Eigeninitiative leistet.
Zehn Fragen und Antworten
Was ist Autismus?
Beim Autismus handelt es sich um eine neurologische Entwicklungsstörung, die sich bereits früh im Kindesalter äußert. Sie zeigt sich auf vielfältige Weise, betrifft jedoch immer die Sozial- und Kommunikationskompetenzen sowie die Fähigkeit, die Anforderungen des täglichen Lebens zu meistern. Es handelt sich hierbei weder um eine Krankheit noch um eine Verhaltens- oder Persönlichkeitsstörung, noch um eine psychische Störung.
Wie manifestiert sich Autismus?
Als Konsequenz einer neurologischen Unordnung, die störend auf die Hirnfunktion wirkt. Autismus kommt viermal häufiger bei Jungen als bei Mädchen vor. Er drückt sich durch vielfältige Symptome aus, wie zum Beispiel durch Besonderheiten in der sozialen Kommunikation und im sozialen Austausch sowie durch – aufgrund von repetitiven Verhaltensschemata – beschränkte Interessen und Besonderheiten in der neurosensoriellen Verarbeitung.
Was sind die Ursachen von Autismus?
Die Ursachen sind zurzeit noch nicht bekannt, die Forschung auf dem Gebiet kommt aber gut voran. Klar ist, dass sich das Hirnwachstum und die Vernetzung der Neuronen bei den Betroffenen von anderen Menschen unterscheidet.
Wie viele Betroffene gibt es?
Autismus ist die am weitesten verbreitete Entwicklungsstörung. Die jüngsten ernst zu nehmenden Statistiken auf EU-Ebene gehen davon aus, dass eine Person von hundert betroffen ist. In Luxemburg gibt es mehr als 5.900 Betroffene. Jährlich werden im Durchschnitt 68 Kinder mit der Störung geboren.
Wie kann Autismus diagnostiziert werden?
Einen biologischen Test gibt es nicht; die Diagnose wird aufgrund der Beobachtungen der Eltern und verschiedener Professioneller erstellt. Ein erfahrenes multidisziplinäres Team muss demnach die Diagnose in Zusammenarbeit mit der Familie stellen.
Ab welchem Alter kann die Diagnose gestellt werden?
Angesichts der vielfältigen Ausdrucksformen der Störung ist es oft schwierig, die ersten Anzeichen zu erkennen. Ab dem zweiten Lebensjahr ist eine gesicherte Diagnose möglich. Auch bei Erwachsenen kann die Diagnose noch gestellt werden.
Ist Autismus heilbar?
Nach aktuellem Stand der Wissenschaft ist Autismus nicht heilbar, es können aber bei einer frühen sozio-edukativen Begleitung große Fortschritte erreicht werden– und das unabhängig vom Alter der Person. Die Programme müssen aufgrund der vielfältigen Ausdrucksformen individuell an die Betroffenen angepasst werden.
Welche angepassten Therapien gibt es?
Autismus zu behandeln bedeutet, zu erziehen. Eltern und Fachkräfte müssen verstehen, wie die Betroffenen funktionieren, und die Art und Weise, wie sie sich mit ihm austauschen, entsprechend anpassen, was eine solide Ausbildung voraussetzt.
Welche Prioritäten sollten für autistische Personen gelten?
Erste Priorität ist der Respekt der individuellen Unterschiede. Es ist an den «normalen» Menschen, sich auf die Betroffenen einzustellen, und nicht umgekehrt.
Zudem sollte ein Maximum an Autonomie ermöglicht werden; dies reicht vom selbstständigen Ankleiden bis zur Ausübung eines Berufes und der eigenen Wohnung.
Die sozialen Bindungen sollen über die Integration in der Gesellschaft funktionieren, dies mit verschiedenen Mitteln wie der schulischen Inklusion und der Freizeitgestaltung.
Was sind die Stärken der Betroffenen?
Autisten haben viele Qualitäten und Möglichkeiten, die oft vergessen werden. Sie sind sehr methodisch, pünktlich und respektieren Regeln sowie Vorgehensweisen. Sie haben eine analytische und logische Kompetenz und ein gutes visuelles Erinnerungsvermögen.
Zudem spezialisieren sie sich meist auf einen Bereich und haben Talent für Musik, Kunst, Wissenschaften, Mathematik, Informatik usw. Sie sind ehrlich, können nicht lügen oder manipulieren und sind immer auf der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit.
Nee, mir wessen schon wat do gemeet get, an et ass vlaicht d'Zait emol ze soen :"En groussen Merci un d'Autisten fir dat gudd Gebees wat se maachen, weider esou."
Leider wessen vill leit net wei eis autisten zu Beckerech versuecht arbecht hun devoueirt leit matt hinnen atelieen kachen bitzen super sachen personal total enerbesaat me bis op beckerech as mo nach keen kucken gang schued