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AustralienMehr Mitsprache für „First Nations“: Parlament ebnet Weg für historisches Referendum

Australien / Mehr Mitsprache für „First Nations“: Parlament ebnet Weg für historisches Referendum
Für den australischen Premierminister Anthony Albanese ist das Referendum ein „Herzensprojekt“ Foto: Lukas Coch/AAP/dpa

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Australiens Ureinwohner sollen mehr Mitspracherecht im Parlament erhalten. Diese „indigene Stimme“ soll auch in der Verfassung des Landes verankert werden. Um diese anzupassen, müssen die Australier per Referendum abstimmen. Für Letzteres ebnete das Parlament in Canberra am Montag nun den Weg.

Die Senatorinnen und Senatoren im Parlament in Canberra brachen am Montag in spontanen Applaus aus: 52 und damit eine deutliche Mehrheit stimmten für einen Gesetzesentwurf, der nun den Weg für ein Referendum ebnet. Die Abstimmung soll 2023 zu einem historischen Jahr für Australien machen. Denn mit Hilfe des Referendums soll eine Verfassungsänderung ermöglicht werden, die eine sogenannte „indigene Stimme“ im Parlament einrichtet. Dies ist ein Beratungsgremium aus Indigenen, das das australische Parlament und die Regierung in Angelegenheiten unterstützen soll, die die Ureinwohner des Landes betreffen.

Es wird das erste Mal seit mehr als zwei Jahrzehnten sein, dass das Land wieder ein Referendum abhält und mehr als ein halbes Jahrhundert, dass es dabei um ein indigenes Thema geht. Zuletzt stimmten die Australier 1999 über die Gründung einer Republik ab. Letztere Abstimmung scheiterte allerdings. Dafür war das letzte Referendum um eine indigene Angelegenheit von Erfolg gekrönt: 1967 stimmte das australische Volk dafür, die indigene Bevölkerung bei Volkszählungen mitzuzählen. Damit wurden den Ureinwohnern erstmals Bürgerrechte eingeräumt.

Australien könnte Geschichte schreiben

Premierminister Anthony Albanese zeigte sich nach der erfolgreichen Senatsabstimmung – das Repräsentantenhaus hatte bereits Ende Mai zugestimmt – erfreut: „Jetzt wird das australische Volk die Chance haben, Ja zu sagen“, sagte er. „Gemeinsam können wir Geschichte schreiben, indem wir die Anerkennung der Aborigines und der Bewohner der Torres-Strait-Inseln in unserer Verfassung verankern.“ Albanese muss nun als nächstes einen Termin für das Referendum festlegen, der frühestens in zwei und spätestens in sechs Monaten erfolgen darf. Australische Medien tippen auf einen Termin im Oktober.

Für Albanese ist das Referendum ein „Herzensprojekt“. Denn mit der Verfassungsänderung würden die Ureinwohner auch erstmals als erste Bewohner Australiens in der Verfassung Anerkennung finden. Sollte die Abstimmung scheitern, wäre dies nicht nur ein Imageverlust für Australien, es würde auch seine Regierung schwächen. Aktuelle Umfragen zeigen jedoch, dass die Zustimmung für das Projekt in der Bevölkerung seit August 2022 stetig abgenommen hat. Auch die Statistik spricht nicht für die Pläne des Premierministers: Seit 1901 hatten nur acht von 44 Volksentscheiden Erfolg.

„Besänftigung weißer Schuld“

Auch die indigene Stimme ist kein „ungefährliches Unterfangen“. Neben der konservativen Opposition sind es vor allem auch Stimmen aus den indigenen Reihen, die sich gegen das neue Gremium aussprechen. Im Vorfeld der Abstimmung kam es erneut zu einer leidenschaftlichen Debatte im Plenarsaal. Die unabhängige indigene Senatorin Lidia Thorpe sprach von „einem glücklichen Tag der Assimilation“. In ihren Augen wäre ein derartiges Beratungsgremium wie die „indigene Stimme“ kaum mehr als „die Besänftigung weißer Schuld“. Sie spricht damit für eine Fraktion unter den Indigenen, die die „Voice to Parliament“, wie sie im Englischen heißt, mehr für ein machtloses Konstrukt halten oder „ein nettes Stück Symbolik“, während praktische Reformen überfällig sind.

Malarndirri McCarthy, Fraktionsvorsitzende der regierenden Labor-Partei und ebenfalls eine Indigene, sagte dagegen, dass trotz unterschiedlicher Ansichten die Mehrheit der „First Nations“, also der ersten Völker, die Australien einst besiedelten, wolle, dass die Stimme im Parlament eingerichtet werde. Auch Linda Burney, ihres Zeichens Ministerin für indigene Angelegenheiten, schrieb auf Twitter, dass auf diese Weise eine bessere Zukunft für Aborigines und die Bewohner der Torres-Strait-Inseln geschaffen werden könne.

Kluft zwischen Indigenen und dem Rest der Bevölkerung

Regierungschef Albanese hatte bereits vor Monaten betont, dass sein Land „sich nicht zwischen der Verbesserung des Lebens der Menschen und der Änderung der Verfassung entscheiden“ müsse. Vielmehr solle Australien diese Chance für bedeutsame Veränderungen mit „Demut und Hoffnung“ angehen. Die vergangenen 200 Jahre seien „voller gebrochener Versprechen, Verrat, Fehlschläge und Fehlstarts“ gewesen. Allzu oft wäre die Kluft zwischen den Versprechen der Weißen und den wirklichen Taten der jeweiligen Regierungen „so groß wie dieser Kontinent“ gewesen. Doch jetzt verspüre er Hoffnung – in seinen Augen sei der richtige Moment gekommen.

Themen, bei denen ein neues Beratungsgremium für mehr Aufmerksamkeit im Parlament kämpfen könnte, gäbe es ausreichend: Der „Closing the Gap-Report“, der einmal im Jahr über die Fortschritte der indigenen Bevölkerung berichtet, zeigte im Juli 2022, dass nur vier von insgesamt 17 Zielen auf Kurs sind: Mehr indigene Babys werden inzwischen mit einem gesunden Geburtsgewicht geboren. Fortschritte konnten auch bei der frühkindlichen Bildung erzielt werden und bei den indigenen Land- und Seerechten. Auch bei den Jugendhaftraten hat sich die Tendenz verbessert. Doch wenig Erfolg hatte man bisher, die Selbstmordrate in der indigenen Bevölkerung zu reduzieren. Nach wie vor sitzen auch unverhältnismäßig viele erwachsene Indigene Haftstrafen im Gefängnis ab und zu viele „First Nations“-Kinder sind in Fremdbetreuung und nicht bei ihren Familien.