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DeutschlandKanzler und vier Minister stellen nationale Sicherheitsstrategie vor

Deutschland / Kanzler und vier Minister stellen nationale Sicherheitsstrategie vor
Offenbar gut gelaunt spazieren der Kanzler und seine Regierungsmitglieder zur Präsentation der Nationalen Sicherheitsstrategie Foto: AFP/Michele Tantusi

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Kanzler Scholz und seine Minister stellen eine Nationale Sicherheitsstrategie für Deutschland vor. Ihr Ansatz beruht auf vernetztem Denken: Alle Akteure im Bereich Sicherheit sollen zusammenwirken, alle Instrumente ineinander greifen. Nur an den Entscheidungsstrukturen ändert sich nichts. Warum den Kanzler der Termin freut.

Der Pförtner im Haus der Bundespressekonferenz strahlt: Ein Selfie mit dem Bundeskanzler für seinen Sohn – damit hatte er nicht gerechnet. Außerdem gibt es eine Premiere: Erstmals kommt ein Bundeskanzler mit vier Ministerinnen und Ministern, um sich vor der blauen Wand der Bundespressekonferenz den Fragen der Journalisten zu stellen.

Nach monatelangem Ringen hat man sich innerhalb der Ampel-Regierung auf die erste Nationale Sicherheitsstrategie für Deutschland geeinigt. Präsentiert wird sie am Mittwoch in Berlin von Scholz, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Finanzminister Christian Lindner (FDP), Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD).

Scholz spricht gleich zu Beginn von dem Papier als ungewöhnliche und wichtige Entscheidung. Das sicherheitspolitische Umfeld Deutschlands habe sich stark verändert, betont der Kanzler angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine und einer immer aggressiver auftretenden chinesischen Regierung. Zentrale Aufgabe des Staates sei es, ohne Abstriche für die Sicherheit der Bürger zu sorgen. Dies geschehe mit der Sicherheitsstrategie, die dem Leitbild der integrierten Sicherheit folge. Was sich früher bei der Planung der Bundesregierung allein auf Verteidigungspolitik beschränkt habe, folge nun einem umfassenderem Gesamtansatz.

Baerbock geht in die gleiche Richtung: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine habe gezeigt, „dass Frieden und Freiheit nicht vom Himmel fallen“. Die Herausforderungen für die Sicherheit Deutschlands zögen sich durch alle Lebensbereiche. Dies gelte etwa für Medikamente genauso wie für den Cyber-Raum und die Sauberkeit von Wasser.

Kein nationaler Sicherheitsrat

Auch Bundesfinanzminister und FDP-Chef Lindner betont, die Sicherheit Deutschlands brauche eine „360-Grad-Perspektive“. Alle Ressorts der Bundesregierung müssten dazu ihren Beitrag leisten. So umfasst die Strategie etwa auch Anreize für Firmen, damit diese kritische Rohstoffe lagern und strategische Reserven ausbauen. Die Abhängigkeit in Lieferketten von kritischen Rohstoffen soll reduziert werden, heißt es in einer Zusammenfassung der Strategie. Deshalb sollen auch die Rohstoffketten überprüft werden.

Auch finanzpolitische Erwägungen spielen in dem Papier eine Rolle. In der neuen Sicherheitsstrategie formuliert die Bundesregierung das Ziel, das Zwei-Prozent-Ziel der NATO „im mehrjährigen Durchschnitt“ zu erreichen. Diese Formulierung bedeute, dass das NATO-interne Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung eines Landes in die Verteidigung zu investieren, jeweils im mehrjährigen Mittel erreicht werden solle, nicht aber zwingend in jedem einzelnen Bundeshaushalt, erläutert Lindner. „Tatsächlich streben wir in der Finanzplanung an, bereits ab dem nächsten Jahr das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen“, sagt der Finanzminister dann fast noch nebenbei, der gerade unter Hochdruck den Haushalt für 2023 mit den Ministerien verhandelt. Dies geschehe allerdings nicht allein durch eine Aufstockung des Verteidigungsetats: Eingerechnet würden auch die Ausgaben aus dem 100 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögen für die Bundeswehr.

Zoff gab es im Vorfeld um die Einsetzung eines gesonderten Nationalen Sicherheitsrats. Besonders die grüne Außenministerin hatte sich dagegen gestemmt. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 habe die Bundesregierung im Sicherheitskabinett getagt, sagt Baerbock nun. Es habe sich gezeigt, dass man in kritischen Momenten vertrauensvoll zusammenkommen und entscheiden könne.

Kritik von NRW-Ministerpräsident

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kritisiert das Papier. Die Strategie verdiene „angesichts des Vorlaufs ihren Namen nicht. Das ist allenfalls eine einseitige Sicherheitsstrategie der Bundesregierung“, sagt er dem Tageblatt. Die Ampel-Regierung halte es entgegen der allgemeinen Erwartung nicht für nötig, die verfassungsrechtlich maßgeblich zuständige Staatsebene angemessen einzubinden: die Länder. „Äußere und Innere Sicherheit, für die wir nun eben mal in besonderer Weise zuständig sind, gehören in einer immer komplexeren Bedrohungslage untrennbar zusammen. Das gilt nicht zuletzt für so wichtige Themen wie Cybersicherheit, für Katastrophenschutz und Zivilschutz. Die Ampel hat leider die Chance für einen großen Wurf für mehr Sicherheit vertan.“

Offen ist auch die Überprüfung der Umsetzung der Strategie. Aus dem Kanzleramt heraus werde man keine Noten verteilen, sagt Scholz. Man werde gemeinsam zielstrebig arbeiten. Ob das reicht?

Der Kanzler jedenfalls strahlt fast die ganze Pressekonferenz über. Er feiert am Mittwoch seinen 65. Geburtstag. Es wirkt als habe er sich mit dem einheitlichen Auftritt seiner Ampel-Minister bei der Nationalen Sicherheitsstrategie nach den Verwerfungen der letzten Wochen selbst ein Geschenk gemacht. Der Blumenstrauß und der Spargelschäler, die ihm sein Kabinett kurz zuvor überreicht hatte, sind wahrscheinlich eher nicht der Grund.