Als Reaktion auf den Giftanschlag von Salisbury weist Luxemburg zwar keine Diplomaten aus, ruft aber den eigenen Botschafter in Moskau zu Konsultationen zurück. Dieses Vorgehen wird als wesentlich schwächer eingestuft als die Ausweisung von Diplomaten.
Luxemburg zeige sich in den Deklarationen absolut solidarisch mit Großbritannien, weil die Situation nach dem Giftanschlag im britischen Salisbury extrem schwerwiegend sei, so Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn gegenüber dem Tageblatt. «Vor zwei Tagen habe ich erklärt, dass wir keinen russischen Diplomaten ausweisen.»
Asselborn erklärt, dass man einerseits aufpassen müsse, dass die Eskalation mit Russland nicht auf ein Maximum hochgeschaukelt werde, solange keine Ermittlungsresultate verfügbar seien. «Andererseits habe ich keine Beweise, dass es in Luxemburg einen russischen Diplomaten gibt, der gegen die Interessen unseres Landes gearbeitet hat», so Asselborn.
Das Luxemburger Modell
Ein weiteres Argument gegen die Ausweisung von Diplomaten ist die Besonderheit Luxemburgs, nur drei Diplomaten in Moskau zu haben. Es sei eine Frage der Verhältnismäßigkeit im Vergleich zu anderen großen Ländern, so der Außenminister. «Wenn wir diesen Weg gehen würden, dann ist die Gewissheit groß, dass unsere Botschaft in Moskau funktionsunfähig wird.»
Solidarisch zeige sich Luxemburg mit London nicht nur in den Deklarationen, sondern auch durch eine Maßnahme, so Asselborn. Dabei handele es sich um die Zurückbeorderung des luxemburgischen Botschafters in Moskau. «Diese Entscheidung hat eine gewisse Tragweite in der diplomatischen Kultur» Er zeige, dass es eine Verantwortung gebe, die man nicht einfach so wegstecken könne. Das luxemburgische Modell soll auch von anderen Ländern übernommen werden, sagte der Außenminister, ohne Namen zu nennen.
Unterdessen hat Malta nach Luxemburger Vorbild ebenfalls seinen Botschafter zu Konsultationen nach Hause beordert. Malta gehört demnach zu den Ländern, die keine russischen Diplomaten ausweisen. Das Zurückrufen des Botschafters für Konsultationen gilt als deutlich schwächeres Zeichen des Protests.
Der britische Geheimdienst
In den vergangenen Tagen hatten infolge des Nervengiftanschlags auf den russischen Ex-Doppelagenten Skripal und dessen Tochter Julia weltweit 26 Staaten russische Diplomaten ausgewiesen, darunter auch mehr als die Hälfte der EU-Staaten und die USA. Die Gesamtzahl der betroffenen Personen liegt bei mehr als 140. Sieben weitere russische Diplomaten wurden am Dienstag von der NATO vor die Tür gesetzt.
Grund für die Ausweisungswelle war wohl die beispiellose Mitteilung durch Großbritannien von Geheimdienstinformationen zum Giftanschlag an seine Partner. Auf dem Brüsseler Gipfel vergangene Woche hatte Premierministerin Theresa May ihre Verbündeten dort in einer vertraulichen Sitzung über die britischen Erkenntnisse unterrichtet, so ein hochrangiger Regierungsvertreter in London.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will Zeitungsberichten zufolge keine russischen Diplomaten ausweisen. Hürriyet und andere Zeitungen berichteten gestern, dass er Journalisten gesagt habe, «nur weil manche Länder einen Schritt auf Basis einer Anschuldigung gemacht haben, müssen wir nicht den gleichen Schritt machen.»
Bislang nichts in der Giftattacke unternommen haben folgende EU-Staaten: Griechenland, Zypern, Slowenien, die Slowakei, Portugal, Bulgarien und Österreich. Letztgenanntes stellt einen Sonderfall dar. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz twitterte am Dienstag, man wolle «Brückenbauer zwischen Ost und West sein und Gesprächskanäle nach Russland offenhalten». In einer gemeinsamen Erklärung mit Außenministerin Karin Kneissl hieß es außerdem, Österreich sei ein «neutrales Land». Tatsächlich werden Österreich aber enge Verbindungen zu Russland nachgesagt. Besonders einige FPÖ-Spitzenpolitiker pflegen enge Kontakte zu Russlands Präsident Wladimir Putin höchstpersönlich.
Bulgarien, das derzeit die Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union innehat, verzichtete auf Ausweisungen und kündigte stattdessen Rücksprache mit seinem Botschafter in Russland an. Nun darf man gespannt sein, welche Gegenmaßnahmen Russland ergreifen wird.
Zitieren
Das Zitieren des Botschafters ins Außenministerium des Gastgeberlandes gilt als die niedrigste Stufe diplomatischer Verstimmungen. Hierbei wird dem Botschafter der Grund der Kritik anhand einer Protestnote offiziell mitgeteilt.
Konsultationen
Die nächste Eskalationsstufe ist das Zurückbeordern des eigenen Botschafters für Konsultationen. Dies dauert meist nur wenige Tage. Für diese Maßnahme hat sich Luxemburg entschieden. Weitere Staaten sollen sich laut Jean Asselborn ebenfalls zu diesem Vorgehen bekennen.
Abzug des Botschafters
Auch hier wird der eigene Botschafter zurückbeordert, allerdings nicht nur für wenige Tage, sondern auf unbestimmte Zeit. Die diplomatischen Beziehungen werden dadurch herabgestuft.
Ausweisung von Diplomaten
Die Ausweisung von Diplomaten und/oder der dauerhafte Rückzug des eigenen Botschafters ist die zweithärteste Maßnahme, die ein Staat treffen kann. Diplomaten werden zu unerwünschten Personen und müssen binnen einer Frist das Land verlassen. Für diese Eskalationsstufe haben sich Großbritannien, die USA und zahlreiche EU-Länder entschieden.
Abbruch diplomatischer Beziehungen
Im letzten Schritt können die diplomatischen Beziehungen teilweise oder ganz eingestellt werden – was in der Regel mit dem Schließen von Botschaften, Kulturinstituten und Konsulaten einhergeht.
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