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Getragen, aber nicht mehr geliebt

Getragen, aber nicht mehr geliebt

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Von Claude Wolf/Lucien Montebrusco/Daisy Schengen

«Kleederstuf» und «Vestiaires»

Bei der Caritas war es die «Kleederstuff», beim Roten Kreuz die «Vestiaires». Beide Anlaufstellen existieren nach wie vor, seit der großen Flüchtlingswelle von 2016, während der die beiden karitativen Organisationen bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gestoßen waren, arbeiten sie jedoch zusammen. Gemeinsam verwalten sie das „Centre national de collecte et de tri“ (CNCT).

Dort werden alle Kleiderspenden angenommen, die an rund einem Dutzend Sammelstellen abgegeben werden können. Von freiwilligen Helfern werden die Güter (das sind neben Kleidern auch Schuhe, Spielzeug, Koffer und Taschen sowie Kinderwagen) in einer zentralen Sammelstelle zusammengetragen und dann nach Männer-, Frauen- und Kinderkleidung sowie nach Größen und Arten gesondert. Danach erst werden sie ihrer neuen Bestimmung zugetragen. Möglichkeiten, die Kleider nochmals zu waschen und zu bügeln, hat das CNCT nicht, meistens sind die eingesammelten Kleider jedoch in Ordnung und können bedenkenlos weiter verwendet werden. Das CNCT verteilt alle gesammelten Textilien vor Ort, eine Zusammenarbeit mit der Dritten Welt gibt es nicht. Mehr als fünf Tonnen Kleider werden monatlich bearbeitet.

In «Vintage Mo(o)d»

Das CNCT selbst verteilt keine Kleider. Es fungiert gewissermaßen als Grossist und liefert die Kleider an die einzelnen Verteilerstellen. Das sind größtenteils die «Fairness»-Boutiquen und die «Epiceries sociales», Abnehmer können aber auch die «Stëmm vun der Strooss», das Gefängnis oder das OLAI («Office luxembourgeois de l’accueil et de l’intégration») sein.
Mit einer Beglaubigung von einer Sozialstelle oder einem Sozialhelfer können sich die Menschen in Not gratis oder gegen ein geringes Entgeld Kleider abholen, wobei genau Buch über die jeweiligen Ansprüche geführt wird.

Besonders schicke oder aparte Kleider kommen ihrerseits in die «Vintage Mo(o)d»-Boutique in Bonneweg oder werden auf dem alljährlichen Bazar des Roten Kreuzes als Secondhandartikel verkauft, je nach Kleidung auch für Spezialereignisse oder zum Verkleiden. Mit dem so verdienten Geld werden Unterwäsche und Strümpfe gekauft, welche selten in den Spendensäcken zu finden sind.

Aide aux enfants handicapés

Die Organisation „Aide aux enfants handicapés“ sammelt bei den periodischen Kleidersammlungen, sowie in ihren 125 Boxen und an 14 Sammelstellen jedes Jahr rund 1.600 Tonnen Altkleider ein. Auch sie verwertet die eingesammelten Textilien nicht vor Ort weiter, sondern leitet sie an professionelle Einrichtungen in Frankreich, Belgien, Italien oder auch in Polen weiter. Mit dem Geld, das sie dafür bekommt – etwa 0,5 Cent pro Kilo – unterstützt sie vornehmlich Einrichtungen, die sich um behinderte oder sozial gefährdete Kinder kümmern.

2.500 Tonnen Textilien

Seit 1974 sammelt die luxemburgische Zweigstelle des internationalen Kolping-Werkes einmal im Jahr im Rahmen der «Aktioun Aalt Gezei» in den bekannten orangefarbenen Plastiktüten im ganzen Land Textilien. Zusammen mit dem «Jongenheem» in Bettingen/Mess ist sie Abnehmer für alle Arten von Textilien in gutem Zustand. Seit 1990 sind zu der alljährlichen Einsammlung nochmals 300 Container hinzugekommen, die wöchentlich geleert werden. Rund 2.500 Tonnen Textilien kommen auf diese Weise zusammen. Im Lauf der Zeit hat die Straßensammlung allerdings zugunsten der Container abgenommen.

Die eingesammelten Stoffwaren werden nicht vor Ort weiterverarbeitet, dafür fehlen dem Träger die Räumlichkeiten und das Personal. «Kolping Luxemburg» arbeitet mit einem deutschen Träger zusammen, der die eingesammelten Waren dann je nach Kleidern, Tisch- und Bettwäsche oder Taschen und Schuhen sondert und dann je nach Zustand entweder recycelt, weiterverkauft oder wiederverwertet. Rund 40% der gesammelten Textilien kleiden Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern ein. Aus den restlichen werden Putzlappen gemacht oder sie werden zu Papier weiterverarbeitet. Kolping unterstützt mit den so zusammengetragenen Mitteln andere soziale Organisationen in Luxemburg sowie eigene Entwicklungshilfeprojekte im Ausland. Im «Jongenheem» finden Jugendliche in der regelmäßigen Einsammlung der Textilien und Wartung der Container eine Arbeit.

Marketplace

Vom Auto bis zum Barhocker: Seit dem vergangenen Sommer können Nutzer in Luxemburg auf dem Facebook-Flohmarkt Marketplace gebrauchte Gegenstände verkaufen oder nach besonderen Stücken Ausschau halten.

Ähnlich den Secondhand-Verkaufsgruppen im sozialen Netzwerk enthält jeder Beitrag ein Bild des zu verkaufenden Gegenstandes, gegebenenfalls den gewünschten Preis und eine kurze Beschreibung. Manche Nutzer bevorzugen den Austausch per Privatnachricht.
Eine Vermittlungsgebühr für die Kleinanzeigen gibt es nicht. Bezahl- und Abholungsmodalitäten müssen die Nutzer unter sich regeln.

Verkaufen oder verschenken

In Zeiten von Social Media haben sich Secondhand-Verkauf und -Spenden den Weg ins Netz gebannt. Der Vorteil des virtuellen Flohmarkts: mit einem Post erreicht man viele potenzielle Käufer. Ähnlich wie bei Marketplace regeln die Nutzer Bezahl- und Abholungsmodalitäten untereinander.

Der Nachteil: Anprobieren oder in echt begutachten kann man die Stücke nicht, man verlässt sich allein auf die Bilder und Aussagen des Anbieters.

In Luxemburg tragen die Verkaufsgruppen auf Facebook Namen wie «She sells her mess!», «Preloved designerplunder», «Luxbazar» oder auch «Ze verkaafen au Luxembourg». Inzwischen gibt es viele Gruppen, die sich auf bestimmte Arten von Objekten (Kinderkleidung, Möbeln) konzentrieren oder die Menschen aus einem bestimmten Teil Luxemburgs ansprechen.

Neben dem Verkauf sind auch Menschen in Gruppen aktiv, die sich auf das Spenden und Verschenken spezialisiert haben. Einer der Vorreiter in diesem Bereich ist «Free your Stuff Luxembourg». In dieser Gruppe lassen sich gebrauchte Gegenstände unkompliziert weiterverschenken oder spenden.

VinoKilo

VinoKilo steht für Vintage Kilo Sale und kommt während des „Springbreak“-Wochenendes in der Luxexpo The Box nach Luxemburg. Zum Verkauf geboten werden neben Secondhand-Kleidung, Schuhen und Accessoires auch Vintage-Rennräder oder gebrauchte Schallplatten.

VinoKilo

Wann? Am 24. und 25. März
Wo? VinoKilo-Stand im Urban Food Village
Luxexpo The Box
111, circuit de la Foire internationale
L-1347 Luxemburg

Der Clou beim VinoKilo: Die Kleidung wird nicht pro Stück, sondern pro Kilogramm bezahlt. Ein Kilogramm kann bis zu 30 Euro kosten. Das hört sich zunächst teuer an, aber auf das Stück umgerechnet, schlägt eine Bluse, die rund 150 Gramm wiegt, mit etwa 3 Euro zur Buche, heißt es von den Veranstaltern.

Papier aus Altkleidung

Altkleider waren bis Mitte des 19. Jahrhunderts ein wertvoller Rohstoff für die Herstellung von Papier in Europa. Insbesondere im italienischen Fabriano (Marken) erblühte seit dem 13. Jahrhundert die neue Industrie, die fast ganz Europa mit dem neuen Material versorgte. Als Rohmaterial dienen Stofflappen, die während Wochen eingeweicht wurden. Große, mit Nägeln bewehrte Holzhammer schlugen die Lappen zu einem dickflüssigen Brei. Dieser wurde in einer dünnen Schicht in eine Form gegossen. Das Papier musste noch trocknen und mit einer Lösung behandelt werden, damit überhaupt auf dem Papier geschrieben werden konnte. Bis zur Verwendung von Holz waren Lappen der wichtigste Rohstoff zur Herstellung von Papier.

Die Erfindung der Druckpresse im 15. Jahrhundert ließ die Nachfrage explodieren und damit auch den Bedarf an Rohmaterial. Der Mangel an Lappen war so groß, dass man in England per Dekret verbot, die Toten in Leinentüchern zu begraben, um die Textilien für die Papierherstellung verwenden zu können. Im Elsass wurden in der Mitte des 18. Jahrhunderts strenge Maßnahmen ergriffen, um den Verkauf von Lappen an deutsche und Schweizer Industrielle zu verbieten. Letztere bezahlten für die alten Lappen bessere Preise. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt Holz als billiger Zellstofflieferant die Textillappen für die Papierherstellung zu ersetzen.                 (Quelle: Erik Orsenna, Sur la route du papier)