Der Bürgerkrieg in Syrien hat sich zu einem internationalen Konflikt ausgeweitet. Ausländische Mächte ringen in dem Land um Einfluss. Ihnen geht es im Syrien-Konflikt um geopolitische Interessen, aber auch um einen Anteil an Syriens Ölvorkommen, die Eindämmung der eigenen Feinde und um die Wähler in der Heimat. Lediglich chemische Waffen gelten als „rote Linie“. Ein Überblick.
USA – Den USA geht es in Syrien offiziell um einen Sieg über den IS. Seit 2014 flog die US-Armee an der Spitze einer internationalen Koalition Luftangriffe gegen IS-Stellungen. Trump ordnete aber auch Angriffe auf Assads Truppen an. Im April 2017 ließ er als Reaktion auf einen Giftgasangriff in Chan Scheichun eine syrische Militärbasis mit Raketen beschießen. Mit den Militäreinsätzen zog sich Trump den Zorn von Assads Verbündetem Russland zu. Seit 2012 arbeitet Washington für syrische Rebellen. Unter Barack Obama wurden Waffen an sie geliefert. Die CIA bildet auch Rebellen im grenznahen Jordanien aus.
Türkei – Ankara unterstützt seit Beginn des Konflikts die Freie Syrische Armee (FSA) und andere Rebellengruppen im Kampf gegen Assad. Dass die Türkei dabei auch mit radikalen Islamisten paktiert, brachte ihr Kritik der NATO-Partner ein. Zugleich hat die Türkei drei Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Bis heute fordert Erdogan den Sturz Assads, doch wichtiger ist für ihn die Eindämmung der Kurdenmiliz YPG, die eng mit der PKK verbunden ist. Mitte März nahm die türkische Armee zusammen mit verbündeten syrischen Rebellen die von der YPG-Miliz kontrollierte Stadt Afrin in Nordsyrien ein.
Kurden – Auch mit dem NATO-Partner Türkei liegt Washington im Syrien-Konflikt über Kreuz. Im Kampf gegen die IS-Miliz in Nordsyrien setzen die USA auf die mit Ankara verfeindeten kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), die sie mit Waffen, Ausbildern und Spezialkräften unterstützten. Die Kurden waren im Kampf für die syrische Stadt Kobane als Freiheitskämpfer gegen den IS rund um die Welt gefeiert worden. Mittlerweile scheint die Euphorie auf Druck der Türkei verflogen zu sein. Die USA wissen nicht, ob und wie sie die Kurden noch unterstützen können und wollen.
Israel – Größte Sorge Israels ist, dass sich die Hisbollah und die iranischen Revolutionsgarden an seiner Grenze festsetzen. Israels Luftwaffe flog in den vergangenen Jahren Dutzende Angriffe auf Waffenkonvois für die Hisbollah, auf Waffenfabriken und Stützpunkte in Syrien. Man will verhindern, dass der Iran Militärbasen und einen Marinestützpunkt am Mittelmeer erlangt. Seit dem Abschuss einer angeblich iranischen Drohne über Israel Anfang Februar und eines israelischen Jets, der iranische Stützpunkte in Syrien bombardiert hatte, droht eine heftige Eskalation. Israel hatte sich bislang zurückgehalten.
Russland – Moskau steht seit Beginn des Krieges Mitte März 2011 fest an der Seite von Assad. Mit seiner militärischen Intervention 2015 hat Russland den Sturz seines langjährigen Verbündeten verhindert und den Krieg zu dessen Gunsten gewendet. Russland hat damit seine einzige Marinebasis im Mittelmeer gesichert und einen neuen Luftwaffenstützpunkt bei Latakia etabliert. Mit dem Einsatz ist es Putin gelungen, Russland international wieder als Großmacht zu positionieren, an der in Syrien kein Weg vorbeiführt. Bei den russischen Wählern kommt die neue Stärke gut an.
Iran – Als einziger Verbündeter in der arabischen Welt und als Brücke zur libanesischen Hisbollah-Miliz ist Syrien für Teheran seit den 80er-Jahren von strategischer Bedeutung. Die iranischen Revolutionsgarden schickten daher früh „Militärberater“ nach Syrien, um den Sturz Assads zu verhindern, und entsandten später auch irakische und afghanische Söldnermilizen. Der Einsatz ist kostspielig für Teheran und sorgt für Unmut in der Bevölkerung. Der iranischen Führung scheint jedoch kein Preis zu hoch, um ihren Verbündeten an der Macht zu halten. Ziel ist eine durchgehende Einflusssphäre vom Irak über Syrien bis zum Libanon.
Golfstaaten – Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar waren neben der Türkei lange die wichtigsten Unterstützer der syrischen Rebellen, aber auch der radikalen Islamisten im Land, die auch aus dem Ausland importiert wurden. Besonders Katar schreckte dabei nicht vor Schützenhilfe für den syrischen Al-Kaida-Ableger und andere radikale Terroristen zurück. Heute scheint die Unterstützung vorwiegend politischer Art und besonders Riad will sich als Vermittler inszenieren. Das sunnitische Königreich ist in Syrien aber nur an der Eindämmung seines schiitischen Rivalen Iran interessiert.
Die Chronologie
Seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien ist Machthaber Baschar al-Assad immer wieder beschuldigt worden, Chemiewaffen eingesetzt zu haben. Nach einem besonders verheerenden Giftgasangriff in Ost-Ghuta sagte Assad auf internationalen Druck zu, alle Chemiewaffen außer Landes zu bringen und zu vernichten. Doch auch nach dem Abschluss dieser Aktion gab es wiederholt Berichte über den Einsatz von Chemiewaffen. Nun könnte ein Angriff in Duma eine militärische Vergeltung zur Folge haben.
Eine Chronologie zur C-Waffen-Diskussion rund um Syrien:
2012
20. August: US-Präsident Barack Obama warnt, der Einsatz von Chemiewaffen in Syrien sowie Vorbereitungen dazu bedeuteten das Überschreiten einer „roten Linie“.
2013
21. August: Nach US-Angaben werden in der Rebellenbastion Duma in Ost-Ghuta mehr als 1.400 Zivilisten durch den Einsatz des Nervengases Sarin getötet.
9. September: Angesichts einer drohenden US-Intervention in Syrien schlägt Russland vor, dass Assad seine Chemiewaffen unter internationaler Kontrolle zerstört.Der UN-Sicherheitsrat beschließt mit der Stimme Russlands eine Resolution zur Zerstörung aller syrischen Chemiewaffen im Ausland.
2014
7. Januar: Unter Aufsicht von Experten
der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) und der UN werden die ersten Chemiewaffen per Schiff außer Landes gebracht.
2015
6. März: Nach einem Bericht der OPCW zu wiederholten Chlorgasangriffen verurteilt der UN-Sicherheitsrat den Einsatz des Kampfstoffs, nimmt aber keine Schuldzuweisung vor.
2016
August: Eine Kommission von UN und OPCW macht die syrische Regierung für den Einsatz von Chlorgas in den Jahren 2014 und 2015 in der Provinz Idlib verantwortlich.
2017
4. April: Bei einem Einsatz des Nervengases Sarin werden in der Kleinstadt Chan Scheichun in der Provinz Idlib nach UN-Angaben 83 Menschen getötet.
6. April: US-Präsident Donald Trump macht Damaskus für den Angriff verantwortlich und lässt zur Vergeltung die syrische Militärbasis Al-Schairat mit Raketen beschießen.
2018
7. März: Erneut meldet die Beobachtungsstelle, dass nach Luftangriffen auf zwei Orte in Ost-Ghuta mindestens 60 Menschen an Atembeschwerden litten.
7. April: Bei einem mutmaßlichen Chemiewaffenangriff auf die letzte Bastion der Rebellen in Duma gibt es laut der Zivilschutzorganisation Weißhelme und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als 40 Tote.
8. April: Trump und Macron sehen die Verantwortung für den Angriff bei Assad und kündigen eine „gemeinsame starke Antwort“ an. Russland warnt vor einem Militäreinsatz in Syrien.
14. April: Die USA, Frankreich und Großbritannien fliegen Luftangriffe auf syrische Ziele. Nach Angaben des Pentagons werden drei Anlagen des mutmaßlichen syrischen Chemiewaffenprogramms angegriffen.
sab./AFP
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