Von unserer Korrespondentin Elke Bunge
Frauen haben eine höhere kommunikative Kompetenz, ein besseres analytisches und intuitives Denken und häufig ein besseres Gedächtnis. Um dies zu erhalten, benötigen sie täglich jedoch etwa 20 Minuten mehr Schlaf. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von US-Forschern.
Schlaf ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Eine Studie der Universität von Loughborough (Großbritannien) zeigt, dass ein erwachsener Mensch im Alter von 26 bis 64 Jahren täglich etwa sieben bis neun Stunden Schlaf benötigt, um seine körperlichen und geistigen Funktionen regenerieren zu können. Der Neurowissenschaftler und Direktor des Schlafzentrums der Hochschule, Jim Horne, hat herausgefunden, dass jedoch Frauen im genannten Alter täglich etwa 20 Minuten mehr Schlaf benötigen als ihre männlichen Altersgefährten.
Komplexes Denken erfordert Regeneration
Bislang hatte die Schlafforschung jedoch keine Ursachen für diesen abweichenden Zeitverlauf finden können. Eine mögliche Antwort glauben nun Wissenschaftler eines internationalen Forschungsauftrages der National Sleep Foundation (USA) gefunden zu haben. Die Neurologen, die unter Federführung der Universität von Pennsylvania 210 Frauen und Männer einer Langzeitstudie unterzogen, stellten fest, dass die Frauen aufgrund der Komplexität und der Intensität ihrer Gehirnaktivitäten mehr Zeit für ihre Erholung brauchen.
Um mit einem Modewort zu sprechen: Frauen sind multitaskingfähig. Komplexe Zusammenhänge schnell begreifen und in bestimmte Handlungen umzusetzen, gehört zu ihrem Alltag. Dabei sind sie kommunikativer und auch intuitiver als gleichaltrige Männer. Diese tagtäglichen Hirnanstrengungen führen aber auch zu Ermüdungserscheinungen, die nur kompensiert werden können, wenn den Frauen auch ausreichend Zeit zum Schlaf gegeben wird. In dieser Erholungsphase schaltet sich der Kortex – der Teil des Gehirns, der für das Gedächtnis und das Sprachzentrum zuständig ist – vom emotionalen Teil des Gehirns ab und geht in einen Ruhemodus über. Um die Batterie des Hirns wieder vollständig für den kommenden Tag mit seinen komplexen Anforderungen aufzuladen, benötigen Frauen daher etwa 20 Minuten bis zu einer halben Stunde mehr Schlaf.
Die Neurophysiologen stellten darüber hinaus fest, dass auch Männer, die in verantwortungsvollen Positionen arbeiten, dieses erhöhte Schlafbedürfnis haben.
Schlafstörungen sind die Kehrseite
Doch nach dem Talionsprinzip, so ironisiert Javier Puertas, Chefneurologe des Schlafzentrums der Universitätsklinik La Ribera im spanischen Alzira, kommt auch gleich die Kehrseite. Puertas stellte als Teilnehmer an der internationalen Studie fest, dass Frauen gleichzeitig auch an stärkeren Schlafstörungen leiden. Etwa 63 Prozent der 30- bis 60-Jährigen leiden an Schlaflosigkeit und Unruhezuständen.
Nach Puertas gehört dies zu einem archaischen Prinzip. «Es ist nachgewiesen, dass Frauen ein feineres Gehör und ebenso ein inneres Gespür für Gefahrensituationen haben», so der Neurophysiologe. Dies hängt nicht nur mit in der Schwangerschaft und während der Aufzucht der Kinder erworbenen Fähigkeiten zusammen, sondern ist bereits mit der Entwicklung der Menschheit in den Frauen angelegt. Zu Zeiten, als die Menschen noch in Gruppen schliefen, wachten die Frauen über die Sicherheit der Nachkommen. Die von der Jagd ermüdeten Männer hingegen schliefen sich aus.
Die Forscher um Puertas stellten fest, dass gestresste Frauen etwa drei Stunden weniger Schlaf finden als empfohlen. In der Folge zeigen sie sich unkonzentriert, tagsüber schläfrig und neigen zu einem gesteigerten Appetit. Vergleichsstudien zeigten, dass schlanke Frauen täglich etwa eineinhalb Stunden mehr schlafen als übergewichtige. Man sei mit den vorliegenden Studien zu neuen Erkenntnissen über das Schlafbedürfnis erwachsener Frauen gelangt, so das Resümee der National Sleep Foundation. Nun gelte es, diese auch in der Praxis, so in der Schlaftherapie, umzusetzen.
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