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Fit in den Schnee

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Wie man sich ordentlich auf den Pistenspaß vorbereiten sollte, verrät uns Pascal Bürger, Sportlehrer und Fitness-Coach des FC Differdingen 03.

Wie man sich ordentlich auf den Pistenspaß vorbereiten sollte, verrät uns Pascal Bürger*, Sportlehrer und Fitness-Coach des FC Differdingen 03. Tageblatt-Redakteur Marc Schonckert unterhielt sich mit dem guten Bekannten aus der Studentenzeit in Saarbrücken.

Die Skisaison hat begonnen und damit der Run auf die Pisten Frankreichs, Italiens, Österreichs oder der Schweiz. Viele Urlauber sind erfahrene Skiläufer, andere entdecken diesen Sport. In beiden Fällen ist Fitness eine Voraussetzung, genau wie eine gesunde Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und der Gefahren, die einem in diesem Sport auflauern.


Tageblatt: Dieser Artikel ist eigentlich als präventive Abhandlung von Ratschlägen zur Vermeidung von Verletzungen beim Skifahren gedacht. Als Sportlehrer und nicht zuletzt aufgrund deiner Erfahrungen in diesem Bereich kannst du hier unseren Lesern einige wichtige Ratschläge mit auf den Weg ins weiße Vergnügen geben.
Pascal Bürger: Wer den Skisport ernsthaft betreibt und sich dementsprechend sinnvoll darauf vorbereitet, wird diese Ratschläge hier nicht brauchen. Tatsache ist jedoch, dass die meisten Menschen heutzutage kaum die Zeit haben, um sich langfristig auf zwei Wochen Skiurlaub vorzubereiten. Verständlich, der Arbeitsalltag beansprucht uns allzu sehr. Also wollen wir hier das aufarbeiten, was diese Wintersportler kurzfristig noch unternehmen können, um gesund aus den Bergen zurückzukommen.

Gute Ausrüstung vereinfacht heute vieles?
Die neuen Schi im Handel kommen den Fahrern entgegen, weil sie einfacher zu handhaben sind. Die Folge ist, dass viele Fahrer ihre Fähigkeiten überschätzen. Über allem steht jedoch die Feststellung, dass die meisten Leute zu wenig Bewegung haben, was ihren Bewegungsapparat im Ernstfall auf der Piste überfordern wird.

Es geht hier nicht nur um die Beine?
Ich meine, dass man hier nicht nur die Muskelkraft in den Beinen in Betracht ziehen sollte, sondern besonders auch an anderen Körperteilen arbeiten muss. Ich denke insbesondere an die Körpermitte (den sogenannten Core), nämlich Bauch, Rücken und auch Gesäß. Durch unseren Mangel an Bewegung und die Tatsache, dass wir die meisten Aktivitäten, sei es im Beruf oder in der Freizeit, im Sitzen absolvieren, sind es gerade diese Muskelgruppen, welche viele Defizite oder Kompensationsmuster (abgeschwächt versus verspannt, überdehnt versus verkürzt) aufweisen.
Hierzu zählen die Bauchmuskeln, die oben liegenden und tiefen frontalen, die seitlichen Bauchmuskeln, der Hüftlendenmuskel, die Rückenmuskeln und die Gesäßmuskeln.

Wie trainiert man die?
Für viele Menschen besteht das Trainieren der Bauchmuskeln darin, den Oberkörper im Liegen bei gestreckten oder gebeugten Beinen auf- und ab zu bewegen (sit-ups, crunches). Das halte ich für Unsinn. Man muss die Funktion dieser Muskeln im Fokus haben, nämlich ihre Anti-Extension, -Flexion, -Rotation, -Lateralität, und das alles zum Schutz der Wirbelsäule. Empfehlenswert und einfach durchführbar sind sogenannte „Planks“, wobei man mit dem Körper eine Brücke bildet, d.h. vorne die Ellbogen auf den Boden und hinten die Zehenspitzen und den Körper waagerecht durchgestreckt. Dadurch wird der Körper gezwungen, einem Durchhängen (Antiextension der Wirbelsäule) entgegenzuwirken. Diese Übung kann man auch in seitlicher Position ausführen, wobei dann ein Unterarm und die Außenseite des Fußes (oder als Vereinfachung die Knie 90° gebeugt) bei durchgestreckten Beinen den Boden fixieren.

Was ist mit der Rückenmuskulatur?
Wir kommen zum Thema Rücken. Da wir uns nicht genug bewegen und zu viel sitzen, verkümmert die rückenstabilisierende Muskulatur, Leidtragender ist notgedrungen die Wirbelsäule.

Die Core-Muskulatur (Rumpfmuskulatur ) ist dazu da, die Wirbelsäule stabil zu halten, indem sie seitlichen Bewegungen, Rotationen, Hyperextensionen und Hyperflexionen entgegenwirkt. Eigentlich ist dies der Hauptzweck aller Übungen, nämlich die Muskeln sinnvoll so zu trainieren, um alle Beanspruchungen des Körpers von außen abzufedern und auszugleichen. Ganz simpel erklärt: Wenn ich jetzt z.B. beim Plank in der Frontalebene zusätzlich ein Bein anhebe, ändere ich die Auflageflächen (aus 4 mach 3), dadurch gerät der Körper in Schieflage und droht, seitlich wegzukippen. Ist mein Rumpf stabil und die entsprechende Muskulatur trainiert, kann sich der Körper dem entgegensetzen. Auch und besonders beim Skifahren – und jeder Skifahrer kann sich sicherlich an die eine oder andere solcher „akrobatischen“ Situationen oder Faststürze erinnern.

An den Gesäßmuskel denken die wenigsten!
Zu dem großen Gesäßmuskel: Beim Skifahren geht man ab und zu in die Hocke, vergleichbar mit einer Kniebeuge. Beim Aufrichten ist es der große Gesäßmuskel, der die Hüfte beim Hochfahren trägt. Bei vielen Menschen ist das Gesäß durch die überwiegend sitzende Tätigkeit allerdings abgeschwächt und andere Muskeln müssen es in seiner Hauptfunktion, der Hüftextension (Aufrichtung) unterstützen und diese Kompensationsmuster führen über kurz oder lang zu unterschiedlichen Schmerzmustern. Allerdings sprengen diese Überlegungen etwas den Rahmen dieser Unterredung. Trainieren lässt sich der Gesäßmuskel ziemlich einfach in seiner funktionellen Ausrichtung, d.h. der Hüftstreckung, beispielsweise beim Hochsteigen auf einen Stuhl oder beim Treppensteigen.

Du hast eine 5-Punkte-Formel für unsere Leser.
Als Kurzformel und für alle Wintersportler, die wenig Zeit oder Lust haben, sich professionell – sei es im Fitnessstudio oder beim Personal Trainer, was von meiner Seite anzuraten wäre – beraten zu lassen, anbei eine leicht durchführbare 5-Punkte-Formel für Fitnessmuffel zur Gewissenserleichterung:

– Kniebeugen in allen Variationen (sowohl isokinetisch = dynamisch, als auch isometrisch = statisch), wobei je nach Fortschritt auch mal Gewichte benutzt werden können. Als dynamische schnellkräftige Ausführung auch mit Sprungvariationen und sicherer Landung kombinierbar.

– Liegestützen, sie stärken Brustmuskeln und Schulter (Skistöcke ) und die Antiextension der Wirbelsäule.

– Planks in allen Variationen, sowohl in der Frontalebene als auch in der Sagittalebene, gerne auch dynamisch betreffend der Stützfläche oder auf instabiler Fläche.

– Trainieren der Koordination als Überbegriff, besonders allerdings der Stabilität und der Balance, die extrem wichtig beim Skifahren sind. Wie man die trainiert? Sehr einfach. Stehen Sie ab und zu auf einem Bein, Sie können das morgens beim Zähneputzen vor dem Spiegel tun oder bei sonst einer Aktivität. Gerne auch mit instabiler Unterlage (Kissen, Matratze usw. ) Mit geschlossenen Augen wird es noch etwas schwieriger. Man muss sich nur ein wenig Zeit dafür nehmen.

– Kreislauf trainieren. Das geht nur über Bewegung. Wie eingangs schon erwähnt, leiden die Menschen heutzutage an flagrantem Bewegungsmangel. Mehr zu Fuß gehen würde hier schon viel helfen. Seilspringen (kennt, kann und machte schon mal jeder) als Intervalltraining stellt eine sehr gute Alternative dar. Dreimal pro Woche sollte man sich schon jeweils etwa eine halbe Stunde Zeit nehmen, um sein Programm durchzuführen.

Tipps für die Piste selbst?
An erster Stelle sei ein kurzes Aufwärmprogramm vor der ersten Abfahrt empfohlen. Beinschwingen zur Vorbereitung des myofaszialen Systems und Kreislauferwärmung, gefolgt von einigen dynamischen Stretchingübungen sollten schon drin sein.

Alkohol ist hier zu vermeiden?
Leider wird hier oft die beste Vorbereitung durch übermäßigen Alkoholkonsum zunichtegemacht. Klar, die Menschen sind im Urlaub und möchten ihre Freizeit genießen, dann ist es verständlich, dass hier auch mal Alkohol ins Spiel kommt. Aber Vorsicht. In großer Höhe verliert der Körper viel Flüssigkeit, es besteht die Gefahr von Dehydrierung, man muss viel trinken, aber am besten keinen Alkohol, denn Alkohol oder auch koffeinhaltige Getränke entziehen dem Körper Wasser. Mein bester Ratschlag hier: nüchtern auf die Piste und regelmäßig trinken.

Immer mehr Leute fahren in den Wintersport. Da herrscht Hochkonjunktur nicht nur auf den Straßen, sondern ebenfalls auf den Pisten?
Die Pisten sind überfüllt. Skifahren ist Breitensport geworden, könnte man sagen. Dazu kommen immer mehr Snowboarder. Ein Snowboarder fährt und bremst vor allem anders als ein Skifahrer. Man muss sich präventiv verhalten und stets die Augen offen halten. Verletzungen durch Zusammenstöße auf der Piste sind weit häufiger und viel schwerwiegender als die klassischen Unfälle beim Fahren. Egal wie und wo man fährt, ein Helm ist mittlerweile keine überflüssige Ausrüstung.


*ZUR PERSON Pascal Bürger, Jahrgang 1959, studierte Sport und Romanistik auf Lehramt an der Uni Saarbrücken. Der diplomierte Sportlehrer war früher als Fußballer bei Red Boys Differdingen aktiv und kümmert sich neuerdings als Coach um die Fitness der Spieler des FC Differdingen 03 . Mit dem Skisport kam er beruflich und privat viel in Berührung. Heute fährt er nicht mehr. Wer sieht, wie es auf den Pisten zugeht, versteht ihn.