Stress auf der Arbeit oder sogar zu Hause im Familienleben. Ein Burn-out kann schneller eintreten, als man denkt. Der Psychiater Dr. Jean-Marc Cloos liefert Erklärungen hierzu.
«Das Burn-out ist keine anerkannte psychiatrische Diagnose, sondern ein emotionaler Erschöpfungszustand», so Dr. Jean-Marc Cloos. Laut dem Facharzt ist es eine Erschöpfung, die durch eine zu große und langzeitige Aktivität ohne ausreichende Ruhephasen entstanden ist. Sie wird vor allem durch Überanstrengung, Überlastung oder durch eine zu hohe Arbeitsbelastung hervorgerufen.
Die Symptome sind eigentlich eindeutig, denn es entsteht eine deutlich erkennbare Frustration. «Diese kann sich entweder durch Angst vor der Arbeit oder durch eine Depersonalisierung des Betroffenen ausdrücken. Dieser distanziert sich von seinem Umfeld und denkt generell negativ. Hinzu kommen einige zynische Züge und die Person erkennt sich selbst nicht mehr wieder», erklärt Dr. Jean-Marc Cloos.
Dies ist aber nicht nur bei der Arbeit der Fall. Es kann durchaus auch im Familienleben entstehen. Noch vor einigen Jahren wurde nicht von Burn-out, sondern von Depressionen geredet. Die Symptome sind laut dem Facharzt oft ähnlich. Außerdem können die Betroffenen sehr aggressiv oder mit Hyperaktivität reagieren, wenn sie ein Burn-out durchmachen. «Vor allem leiden die Burn-out-Patienten in den meisten Fällen unter Schlafstörungen und Schuldgefühlen», sagt Dr. Cloos. Ein Burn-out könne sowohl durch externe als auch interne Faktoren ausgelöst werden.
Anerkennung
«Auch wenn die Betroffenen dies überspielen, wird die Leistungsfähigkeit jedoch meistens drastisch reduziert. Auch der Perfektionismus kann zu einem Burn-out beitragen. Will der Betroffene seine Arbeit zu perfekt machen, ist er gefährdeter», erläutert Dr. Cloos. Auch Studenten, die frisch von der Universität kommen und dann von ihrem Arbeitgeber ins kalte Wasser geschmissen werden, können betroffen sein. Die Erwartungshaltung zur Arbeit sei dann ausschlaggebend. Zudem spielt die professionelle Anerkennung eine wesentliche Rolle. «Es ist von großem Vorteil, wenn man nicht jeden Tag zu hören bekommt, welche Aspekte man falsch gemacht hat, stattdessen wäre es viel besser, die Vorgesetzten würden ihre Mitarbeiter loben, wenn diese ihre Arbeit gut gemacht haben», sagt Dr. Cloos.
Darüber hinaus gibt er das Beispiel der Dauerereichbarkeit über das Mobiltelefon. «Dieses Gerät an sich ist bereits ein Stressfaktor, denn wenn das Telefon klingelt, fühlt man sich gezwungen, dranzugehen. Dieser Faktor ist meistens unberechenbar, doch er besteht in fast allen Berufssparten», sagt der Facharzt. Besonders gefährdet für ein Burn-out sind laut Dr. Cloos Angestellte und Freischaffende im pflegerischen Bereich. Darüber hinaus seien aber alle Berufsgruppen, die mit Menschen zu tun haben, wie z.B. Polizeibeamte, Lehrer oder Erzieher, einem höheren Risiko ausgesetzt. Aber auch viele Berufe im Bankwesen seien betroffen.
Nicht so gefährdet sind laut Dr. Jean-Marc Cloos jene Berufe, die sich reaktiver gestalten. «Pauschalisieren kann man die Berufssparten aber nicht. Eine eingependelte Arbeitsbelastung sowie eine gute Rückmeldung von den Vorgesetzten und eine große Freiheit sind die optimalen Voraussetzungen, um nicht unter einem Burn-out zu leiden», meint Dr. Cloos. Die Resistenz des Betroffenen gegenüber Veränderungen spiele ebenfalls eine Rolle.
«Es hängt aber auch immer davon ab, wie der Führungsstil des Arbeitgebers ist, also autoritär oder eher freiheitsbezogen. Bekommt der Arbeitnehmer die notwendigen Erklärungen, warum es nun eine Änderung gibt, kann dies ebenfalls helfen», betont der Arzt. Immer wieder geht Dr. Cloos auf die Stressresistenz ein, die auch genetisch veranlagt ist. «Stress ist aber nicht immer negativ. Stress kann auch sehr gut für den menschlichen Körper sein. Wenn allerdings eine gewisse Grenze erreicht ist, dann kann der Stress zum Problem werden. Der Arbeitnehmer wird dann weniger produktiv», sagt Dr. Jean-Marc Cloos. Allerdings müssen es nicht nur die Arbeitnehmer sein, die unter einem Burn-out leiden. Dr. Cloos nennt das Beispiel eines Arbeitgebers, der partout niemanden entlassen wollte, obwohl die finanzielle Lage seiner Firma prekär war, sodass die Frustration bei dem Mann immer stärker wurde. Schlussendlich endete die Geschichte mit einem Burn-out.
Burn-out und Bore-out
Es gibt aber laut dem Facharzt nicht nur das Burn-out-Syndrom, auch das Bore-out kann zu Depressionen führen. «Diese Leute sind in den meisten Fällen nur mit wenig Anstrengung konfrontiert und es gibt auch nur wenige Freiheiten. Besonders gefährdet sind in diesem Fall Menschen, die bei einer Sicherheitsfirma arbeiten. Diese müssen einfach nur dasitzen und aufpassen. In dasselbe Szenario passen Menschen, die in einer Rezeption arbeiten», sagt Dr. Cloos.
Auch ein Zeichen für ein Burn-outs ist das Gefühl «ich kann heute weniger, als ich früher einmal konnte». Durch Stress tauchen psychosomatische Reaktionen auf, der chronische Stress wächst und wächst und es nimmt einfach kein Ende. Erst dann können Symptome wie Schlaflosigkeit, Verdauungsprobleme, Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen auftreten. «Ich kann ein Beispiel nennen, bei dem ein Angestellter unter chronischem Stress litt, dieser aber dann zu seinem Chef sagte, dass er zum Kick-Boxing gehen würde. Er nahm dann wiederholt ein Bild von seinem Chef, klebte dieses an den Boxsack und ließ dort seine gesamte Frustration raus», so Dr. Cloos. Das half ihm.
Regelmäßige Pausen sind ebenfalls eine Lösung. Den Griff zum Alkohol oder zur Zigarette jedoch sollten die Betroffenen nicht wählen. Wegen ihrer Schädlichkeit seien dies nur falsche Freunde. Der Stress sollte sich nur langsam aufbauen, dann wieder etwas abflauen, bevor er sich erneut aufbauen kann. Ein konstanter Stressaufbau sei sehr schlecht. Der «Stresskurve» sollte wie eine Wellenform über den Tag verlaufen und nicht wie ein Berg.
Was die Arbeit und das Privatleben anbelangt, sollte man laut Dr. Cloos eindeutige Grenzen ziehen. «Es sei aber bemerkt, dass ein Burn-out nicht nur auf der Arbeit entstehen kann. Der Stress zu Hause kann ebenfalls dazu führen. Genau deswegen ist es wichtig, einen Ausgleich zu finden. Sport ist eine gute Gelegenheit hierfür», sagt der Facharzt.
Demnächst läuft im «Gesondheetszentrum» auf dem Gelände der ZithaKlinik ein spezielles Therapieprogramm namens «Protea» an. Die Burn-out-Patienten werden dort analysiert und anschließend behandelt. Eine solche Behandlung ist vielschichtig. Medikamente allein helfen nicht genügend. Ein Burn-out könne sogar bis zum Suizid führen, falls die Symptome nicht erkannt werden. Bei schweren Fällen ist eine zusätzliche psychopharmakologische Behandlung indiziert. Im asiatischen Raum gibt es sogar den Begriff «Tod durch Überarbeiten» (Karoshi).
In der sogenannten Pre-Burn-out-Phase sollte man dringend einen Arzt aufsuchen, damit die nötigen Maßnahmen ergriffen werden können. Statistiken zu den Burn-out-Fällen gibt es in Luxemburg nicht, weil es eben keine klare psychiatrische Diagnose ist. Allerdings ist Dr. Cloos der Meinung, dass sich die Fälle in den vergangenen Jahren gehäuft hätten.
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