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„Das wahre Glück ist, zu wissen, wer man selbst ist“

„Das wahre Glück ist, zu wissen, wer man selbst ist“

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Jannike Stöhr hat innerhalb eines Jahres 30 unterschiedliche Jobs ausprobiert: Die Geschichte einer außergewöhnlichen Suche nach dem Glück.

Jannike Stöhr hatte einen guten Job bei VW, verdiente genug Geld, hatte ein tolles Auto und ein schönes Haus inklusive Garten. Ihre Freunde beneideten sie. Doch sie selbst war nicht so richtig glücklich in ihrem Leben, hatte immer das Gefühl, irgendwas würde fehlen. Deshalb nahm sie ein Jahr Auszeit im Beruf und testete genau 30 unterschiedliche Jobs. Die Geschichte einer außergewöhnlichen Frau auf ihrem Weg zum Traumjob.

Von unserer Korrespondentin Joy Mentgen, Berlin

„Ich brauche mehr Gehalt“, dachte sich Jannike, als sie merkte, dass ihr Job sie nicht erfüllte. Sie bekam eine Gehaltserhöhung, doch irgendwie machte es sie nicht glücklicher. „Dann brauche ich wohl mehr Verantwortung“, und auch die bekam sie auf der Arbeit. Trotzdem änderte sich nichts am Gefühl der heute 31-Jährigen. Dann versuchte sie es mit neuen Herausforderungen, probierte mehrere Sportarten aus, kaufte sich neue Klamotten, verreiste öfters, engagierte sich ehrenamtlich.

Ihr Vater sagte „Wer glücklich sein will, wird Gärtner“ und Jannike legte einen Garten an. Sie trank grüne Smoothies, absolvierte eine konsumfreie Zeit und eine medienfreie Zeit. Und den Jakobsweg ist sie gepilgert.

Sie wurde trotzdem nicht glücklicher, zweifelte sogar an ihrer Dankbarkeit und führte deshalb ein Dankbarkeitstagebuch. „Das hat meinen Blick zwar verändert, aber meine Unsicherheit nicht abgelegt“, so Jannike. Dann kam ein Wendepunkt in ihrem Leben, als ihr Vater schwer krank wurde.

Ab dem Tag hat sich die junge Frau mit Themen wie Tod und Vergänglichkeit beschäftigt und ihr wurde Entscheidendes bewusst: „Wenn ich mein Leben so weiterführe, werde ich nicht glücklich sein. Ich gehe arbeiten, verdiene Geld und häufe Besitz an. Wenn das so weitergeht, werde ich am Ende meiner Tage darauf zurückschauen und merken, dass ich unglücklich bin. Wenn ich etwas daran ändern will, dann muss ich es jetzt tun.“

Die anstrengendste Woche

Jannike beantragte eine einjährige Freistellung bei VW, ohne zu wissen, was sie machen wollte. Sie bewarb sich für einen Masterstudiengang, doch auch daran zweifelte sie. Als ihr ein Ratgeber von einer Frau, die verschiedene Berufe ausprobiert hat, in die Hände gefallen ist, wusste sie: Das ist es, das will ich machen. Sie setzte sich in den Kopf, innerhalb eines Jahres sage und schreibe 30 unterschiedliche Berufe auszuprobieren. „Alle sagten zu mir, so was könne nicht funktionieren“, doch Jannike ließ sich diese Idee nicht aus dem Kopf schlagen.

Ihre erste Arbeitswoche absolvierte die junge Frau als Erzieherin. „Ich habe mir gedacht, das ist ja gar nicht so schwierig, ein bisschen mit Kindern zu spielen. Aber im Nachhinein war es die anstrengendste Woche überhaupt.“

Woche für Woche probierte sie weitere Berufe aus, darunter Stadtführerin, Filmproduzentin, Architektin. Sie hatte sich keine Grenzen gesetzt und war für alles offen. Nur eine Bedingung sollte die neue Arbeitsstelle erfüllen: dort sollten Menschen arbeiten, die leidenschaftlich waren, weil „solche Menschen können einem am besten vermitteln, was den Job ausmacht“, so Jannike. Nur zwei Berufe hatte Jannike bei Beginn des Projekts ausgeschlossen, und zwar Schlachterin und Pathologin.

Doch ihr eigener Blog, den sie während des Projektes führte, machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Sie ließ ihre Leser darüber abstimmen, welchen Job sie annehmen sollte, und die entschieden sich ausgerechnet für die Arbeit der Pathologin. „In diesem Moment habe ich mich gefragt, warum ich das Ganze eigentlich mache. Doch ich habe gemerkt, dass ich zu voreingenommen war und habe mich auf den Job eingelassen. Glücklicherweise habe ich aber nur eine Obduktion mitgemacht. Das Praktikum hat einfach total viel geändert, weil ich gemerkt habe, dass ich davor viel zu viele Vorurteile hatte.“

Jannike hat das Projekt bis zum Schluss durchgezogen, inklusive Berufen wie Biobäuerin, Tanzlehrerin, Pastorin und Politikerin. Nur einen Job hätte sie fast hingeschmissen, und zwar als Verkäuferin in einem Kleiderladen. „Es war einfach total anstrengend: Ich hatte meine Füße weh, Rückenschmerzen und die Kunden hinterließen ein Chaos. Am dritten Tag hatte ich endlich gelernt, wo alles hing und merkte, dass der Job doch Spaß machen konnte. Am darauffolgenden Tag wurde dann alles umgehängt …“

Absage der Toten Hosen

Die meisten Arbeitgeber reagierten sehr positiv auf Jannikes Anfragen und boten ihr eine Testwoche an. Nur in zwei Fällen traf dies nicht zu: „Ich wäre gerne zur Europäischen Raumfahrtbehörde (ESA) gegangen, aber die haben nicht geantwortet. Und als Rockmusikerin hätte ich mich gerne versucht, aber die Toten Hosen wollten mich nicht.“

Den letzten Job, den sie angenommen hat, war der einer Hebamme: „Viele Hebammen haben mich über meinen Blog angeschrieben und meinten, wenn ich meinen Traumjob suchen würde, könnte ich auf keinen Fall an dem Job vorbei“.

Das Buch zum Experiment ist im Eichborn-Verlag erschienen (269 Seiten, 16 Euro)

Während dieser Woche hat Jannike eine werdende Mutter kennengelernt, die ihr versprochen hat, wenn sie die Wehen in der Woche noch bekommen würde, sollte Jannike auf jeden Fall dabei sein. Am letzten Tag des Jobs, freitagabends, als Jannike bereits auf das Ende des Projektes anstoßen wollte, rief die Hebamme an und lud sie dazu ein, gleich ins Krankenhaus zu kommen, die Geburt stünde unmittelbar bevor. „Eine halbe Stunde später stand ich im Kreißsaal, zwei Stunden später hatte ich Matthis im Arm. Wir haben heute noch Kontakt. Das war einfach abgefahren.“

Mit einem solch aufregenden Tag ging das Projekt dann tatsächlich zu Ende. Die offensichtliche Frage: Hat Jannike denn nun ihren Traumjob gefunden? „Es war meine größte Angst, sagen zu müssen, ich hätte den passenden Beruf nicht gefunden. Die Antwort auf die Frage lautet aber: Nein, ich habe meinen Traumjob nicht gefunden.“

Aber Jannike hat etwas ganz anderes herausgefunden: was sie mag, was ihr wichtig ist und was sie gut kann. Und das ist Schreiben, das Thema Orientierung und das Zuhören. Daraus hat Jannike sich ihren eigenen „Patch-Work“ gebastelt: sie macht Berufsberatung und hält  Vorträge, schreibt und bloggt und ist beruflich … Jobtesterin! Und damit hat sie das Hauptziel des Projekts, ihre Zufriedenheit zu finden, erreicht. „Ich habe mich Situationen ausgesetzt, durch die ich mich kennengelernt habe. Und das ist das wahre Glück: zu wissen, wer man ist.“

Eines kann Jannike allen, die sich ihrer Zukunft nicht ganz so sicher sind, mit auf den Weg geben: Viele Menschen würden den Fehler machen, auf die richtige Lösung zu warten. Aus der Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen, würden viele gar nichts machen. Es sei aber gerade wichtig, neue Sachen auszuprobieren, um herauszufinden, was zu einem passt. Das müsse auch nicht zwangsläufig bedeuten, 30 Jobs in einem Jahr auszuprobieren…