Spanien ist mit 300 Millionen Olivenbäumen auf 2,5 Millionen Hektar nicht nur der größte Olivenölproduzent der Welt. Es ist auch das Land mit dem größten Bestand an alten und teils tausendjährigen Olivenbäumen.
Von unserem Korrespondenten Heinz Krieger
„Sieh nur, wie gütig er dich ansieht.“ Für José María haben Bäume ein Gesicht. Mit seinem Enkelsohn steht der alte Bauer vor einem wohl weit über Hundert Jahre alten Olivenbaum, legt eine Hand an den mächtigen, gefurchten Stamm. Der Alte – der Baum – steht an einer Weggabelung, auf einem freien Platz gar nicht weit von der viel befahrenen Nationalstraße 332 von Alicante nach Valencia. „Weiter oben im Norden gibt es sogar Bäume, die mehr als Tausend Jahre alt sind“, sagt der alte Landmann, dessen sonnengegerbtes, faltiges Gesicht selbst ein wenig an das des alten „Olivo“, des Olivenbaums, erinnert.
Versammlung der Tausendjährigen
Weiter im Norden, damit ist ein Gebiet von etwas mehr als 2.000 Quadratkilometern gemeint, in den 27 Gemeinden der Provinzen Tarragona, Castellón und Teruel, liegt die wohl größte Konzentration von tausendjährigen Olivenbäumen in der Welt. Derzeit gibt es katalogisiert 4.960 Olivenbäume von mehr als 3,5 Metern Stammumfang, versichert die Chefin des Bezirks Taula del Sénia, Maria Teresa Adell. Als Ergebnis dieser Zählung hat die Universidad Politécnica de Madrid unter der Leitung von Professor Antonio Prieto in Castellón, Tarragona und Teruel eine Studie durchgeführt, um das genaue Alter von sechs ganz besonderen Olivenbäumen in diesem Gebiet festzustellen. Das Ergebnis: Sie sind älter als Methusalem, der laut Bibel 969 Jahre alt wurde. Zwischen 999 und 1.700 Jahre alt sind sie.
Mehr als die Hälfte der 4.960 registrierten Olivenbäume könnte tausendjährig sein, schätzt Adell. Es gibt Exemplare mit einem Stammumfang von mehr als zehn Metern. Die meisten der alten Riesen gibt es mit 2.985 in der Region Valencia, gefolgt von Katalonien mit 1.829 und Aragon mit 19 Exemplaren.
Objekt der Begierde
Spanien ist weltweit führender Produzent von Olivenöl, mit einer Fläche von 2,5 Millionen Hektar und mehr als 300 Millionen Olivenbäumen. Die vielen tausendjährigen Exemplare sind zum Objekt der Begierde geworden. Für hohe Summen verkauften die armen Bauern die majestätischen Riesen. Diese wurden ausgegraben und in andere Orte und sogar andere Länder transportiert. Inzwischen aber haben manche Gemeinden ihre Oliven-Methusalems unter Denkmalschutz gestellt. In der Autonomen Region Valencia ist dieses „Plündern“ hundert- und tausendjähriger Olivenbäume seit zehn Jahren durch eine Verordnung verboten. Bäume mit einem Umfang von mehr als sechs Metern dürfen nicht verpflanzt werden.
Ein Baum für 30.000 Euro
Über diese Verpflanzung der alten Olivenbäume ist sogar ein Film gedreht worden: „El Olivo“ von Icíar Bollaín. Er erzählt die Geschichte von Alma, einer jungen Frau, die versucht, den tausendjährigen Olivenbaum ihrer Familie zu finden und zurückzuholen. Denn das würde ihrem Großvater, der sich immer gegen den Verkauf des alten „Olivo“ wehrte, den Wunsch zurückgeben, zu leben. „Glücklicherweise gehört das, was uns im Film erzählt wird, der Vergangenheit an“, sagt Adell gegenüber der Zeitung ABC. Bis zu 30.000 Euro sind für solch alte Bäume bezahlt worden.
Zeugen der Geschichte
In der Stadt Ulldecona in der Provinz Tarragona stehen die meisten so alten Olivenbäume. Einer von ihnen, „La Farga del Arión“ genannt, wurde von Wissenschaftlern der Universität Madrid analysiert. Der Baum könnte 1.700 Jahre alt sein. Er wäre dann unter Kaiser Konstantin (306 bis 337), der das Christentum zur Staatsreligion des Römischen Reiches gemacht hatte, gepflanzt worden. Und der Baum „La Farga del Pou del Mas“ steht seit geschätzten 1.182 Jahren La Jana in der valencianischen Provinz Castellón. Er ist wohl unter dem Emirat von Abderraman II. gepflanzt worden, der 822 während der Maurenherrschaft in Spanien Emir von Cordoba wurde.
Tausendjähriges Öl
Der Olivenbaum ist ein Baum, der sein ganzes Leben lang Früchte trägt. Seine Produktion nimmt mit der Zeit ab, aber die Qualität nimmt sogar zu. Im Bezirk Cenia, auf Katalanisch Sénia, in Tarragona wird jetzt tausendjähriges Olivenöl hergestellt. Der Preis ist doppelt so hoch wie für normales Olivenöl. Die Produktion ist in fünf Jahren von 750 auf 12.500 Halbliterflaschen mit einem Preis von 15 bis 30 Euro gestiegen. Das Öl kommt fast ausschließlich aus Oliven der alten Sorte Farga von den tausendjährigen Bäumen. Heute sind andere Sorten gefragt wie Hojiblanca, Arbequina oder Picual. Jetzt wird eine Garantiemarke namens „Farga Milenaria“ eingeführt, die vom Landwirtschaftsministerium zertifiziert ist.
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