Trierer Amokprozess„Dann ballere ich da durch, und dann ist Feierabend!“ – Zeugen schildern die zwei Seiten des Tatverdächtigen

Trierer Amokprozess / „Dann ballere ich da durch, und dann ist Feierabend!“ – Zeugen schildern die zwei Seiten des Tatverdächtigen
Der Angeklagte steht zwischen Justizbeamten hinter Sicherheitsglas im Landgericht Trier Foto: dpa/Harald Tittel

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Zeugen schildern den Tatverdächtigen im Trierer Amokprozess als netten und hilfsbereiten Freund und Kollegen. Aber der 52-Jährige zeigte manchmal seine andere Seite.

Der mutmaßliche Amokfahrer von Trier hat offenbar schon Wochen vor dem Gewaltverbrechen mit dem Gedanken gespielt, mit seinem Fahrzeug durch die Fußgängerzone zu rasen. Darauf deuten Aussagen eines Zeugen hin, die dieser am neunten Verhandlungstag vor dem Trierer Landgericht gemacht hat. Danach soll der 52-jährige Tatverdächtige drei Wochen vor der Amokfahrt gesagt haben: „Wenn mir Trier weiter auf den Sack geht, ballere ich da durch und dann ist Feierabend.“ Nach Angaben des Zeugen hielt er die Aussagen seines Bekannten für einen Scherz und maßlos übertrieben.

„Die wollen mich alle nur verarschen“

Auch einem anderen Bekannten gegenüber soll sich der Angeklagte Wochen vor der Tat ähnlich geäußert haben. „Wenn sich nichts ändert, passiert etwas“, soll der mutmaßliche Täter gesagt haben, ohne ins Detail zu gehen. „Irgendwann kracht’s, die wollen mich alle nur verarschen“, zitierte ein weiterer Bekannter Äußerungen des 52-Jährigen.

Der zuletzt in einem Trierer Stadtteil lebende Mann soll am 1. Dezember mit halsbrecherischem Tempo durch die Fußgängerzone gefahren sein und dabei fünf Menschen getötet und Dutzende teils schwer verletzt haben. Ein 77-jähriger Mann, der die Amokfahrt schwer verletzt überlebt und danach lange Zeit in Kliniken verbracht hatte, war kürzlich gestorben. Ob (auch) an den Folgen des Gewaltverbrechens, ist noch nicht endgültig geklärt.

Zeugen berichten von Rachegefühlen

Was den Ausschlag dafür gegeben haben könnte, dass der gelernte Elektriker mit seinem Fahrzeug in halsbrecherischem Tempo durch die Trierer Fußgängerzone fuhr, ist weiter unklar. Der Angeklagte selbst schweigt weiter, und die Zeugen berichteten von seinen Rachegefühlen der Schwester, einer ehemaligen Lebensgefährtin und einem Anwalt gegenüber.

Dem Anwalt und einem Notar warf er laut Aussagen von Zeugen vor, dass er an mehrere Hunderttausend Euro nicht herankomme. Das angeblich im Tresor des Notars aufbewahrte Geld habe er bekommen, weil er als Kind für eine Versuchsreihe mit radioaktiven Substanzen missbraucht worden sei. Am Tag vor dem Gewaltverbrechen soll der 52-Jährige deshalb noch einmal bei dem Notar vorgesprochen haben. Vergeblich.

Am Tag vor der Amokfahrt war der Angeklagte auch bei seinem ehemaligen Arbeitgeber, um seine Arbeitskleidung zurückzugeben und 60 Euro, die er sich Wochen zuvor geborgt hatte. Seinen Besuch soll er kurz zuvor per Handymitteilung angekündigt haben: „Der Notartermin ist nicht so gut gelaufen. Die wollen mir mein Geld nicht geben. Da muss ich wohl oder übel Abhilfe schaffen.“

Rouladen am Tag der Tag

Als er ein Stunden später vorbeikam, wunderte sich sein ehemaliger Chef, dass der Ex-Mitarbeiter ihm sagte, er habe sich Rinderrouladen gekauft, die er sich nun zubereite. Die Tatsache, dass der Angeklagte am Tattag sein Lieblingsgericht Rouladen zubereitet und gegessen hatte, wertete am vorausgegangenen Prozesstag der Chef der Mordkommission als Indiz dafür, dass das Gewaltverbrechen geplant gewesen sein könnte.

Der letzte Arbeitgeber schilderte seinen einstigen Beschäftigten am Dienstag als vorbildlichen Arbeitnehmer, der „sehr zuverlässig, pünktlich und kollegial“ gewesen sei. Er hatte die Bauleitung für mehrere Projekte und war sogar für eine Beförderung zum Obermonteur vorgesehen, als er Mitte April 2020 plötzlich um einen Aufhebungsvertrag gebeten habe.

Auch andere Bekannte schilderten den Angeklagten als „nett“, „hilfsbereit“ und „einen super Freund“. Aber auch als jemanden, der in den Wochen vor der Tat immer stärker zur Flasche gegriffen habe. „Ohne Alkohol ging bei ihm gar nichts“, so ein langjähriger Bekannter. Ein anderer schilderte, wie er den Tatverdächtigen in der Nacht vor der Amokfahrt aus seiner Wohnung geworfen habe, weil er im Suff die halbe Küche abgeräumt und ins Bett gepinkelt habe.

Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.