Er soll es richten. Programmatisch und mit Klartext. Auch dann, wenn sein Chef, Friedrich Merz, mal wieder verbal danebenlangt. „Was die CDU jetzt braucht, ist CDU pur“, so der neue Generalsekretär Carsten Linnemann zum Tageblatt. Leichter gesagt als getan. Und was ist das überhaupt noch, CDU pur?
Die Union dümpelt dahin. In den Umfragen geht es nicht mehr voran, eher bergab, die AfD sitzt ihr im Nacken. Außerdem lähmt die K-Frage. Sie ist inzwischen sogar zu einer kalendarisch-meteorologischen Frage verkommen, nachdem CSU-Chef Markus Söder angekündigt hat, der „früheste Zeitpunkt“ für eine Kandidatenkür sei nach den drei Landtagswahlen im Osten. Sie finden voraussichtlich alle im September nächsten Jahres statt.
Also wird jetzt auch in der Union gegrübelt: Ist das noch Spätsommer, den Friedrich Merz immer als Zeitpunkt der Entscheidung verkündet hat? Oder tobt da eine vorerst seichte Form eines Machtkampfes, weil Söder schlichtweg sein Blatt nicht aus der Hand geben will? Er ahnt ja, dass die Wahlen im Osten nicht gerade gut ausgehen werden für die CDU. Fest steht auch, dass Ministerpräsidenten wie Hendrik Wüst ein K-Wort mitreden werden. Das haben sie unmissverständlich klar gemacht. Ein Frühstück von Merz und Söder am Tegernsee wird nicht reichen. Der Traum ist zerplatzt.
Merz jedenfalls ist nach einer kurzen Atempause wieder zurück auf der politischen Bühne, macht Wahlkampf in Bayern, gibt erste Interviews, pusht das Thema Wirtschaft. Bislang noch keine weiteren Fehltritte. Am 27. August kommt aber das Sommerinterview in der ARD. Nach seinem AfD-Kooperationsaufschlag im ZDF und der massiven Kritik daran aus der eigenen Partei ist eine hohe Einschaltquote wohl gewiss. Merz, der sich dem Vernehmen nach nur selten ausgiebig vorbereitet oder gar vor TV-Interviews Fragen und Antworten durchspielt, steht jetzt unter verschärfter Beobachtung. Wer unzufrieden ist mit ihm in der Partei, hat Oberwasser; die, die ihn gut finden, verstehen den Chef mitunter auch nicht mehr, weil er Sachen sagt wie: Die CDU sei eine „Alternative für Deutschland – aber mit Substanz“. Und wie ist überhaupt sein Kurs? Es wird viel gerätselt derzeit in der Union. Nach der Sommerpause soll der Vorsitzende für mehr Klarheit sorgen.
Partei wird als schmalspurig wahrgenommen
Wie, erklärt Linnemann: „Wir als CDU müssen und werden jetzt zeigen, dass wir dem Land wieder eine Perspektive geben können.“ Die Ampel sei schließlich gerade dabei, die deutsche Wirtschaft vor die Wand zu fahren. Jetzt brauche es wirtschaftspolitischen Sachverstand, „den die CDU in der Geschichte immer wieder gezeigt hat, wenn es darum ging, schnell aus Rezessionen wieder rauszukommen“. Das also ist CDU pur. Aber reicht das, um sich als Partei wieder zu berappeln und die Reihen zu schließen? Ruprecht Polenz war auch mal CDU-Generalsekretär, freilich nur kurzzeitig im Jahr 2000. Er ist ein gefragter Mann wegen seines klaren Blicks auf die Union.
Polenz betont: „Die CDU wird zurzeit als zu schmalspurig wahrgenommen.“ Merz müsse auch Politiker der Sozialausschüsse oder des liberalen Flügels nach vorne stellen, um für die CDU zu sprechen. „Das könnten die erfolgreichen Ministerpräsidenten sein, aber auch Persönlichkeiten wie Karin Prien, Serap Güler oder Roderich Kiesewetter.“ Und der AfD grabe die CDU das Wasser am besten ab, „indem sie nicht nur die Regierung kritisiert, sondern eigene, bessere Vorschläge macht, die anstehenden Probleme zu lösen“, so Polenz zum Tageblatt.
Entscheidende Fragen stellen sich erst
Von außen schaut der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun auf die CDU. Er sagt: „Von Krise der Union würde ich nicht sprechen.“ Im Moment sei es für die CDU nicht sonderlich erfreulich, „weil sie kein Mittel findet, um in den Umfragen zu steigen“. Aber die entscheidenden Fragen für die Union würden sich erst in der Zukunft stellen: „Wie wird das Grundsatzprogramm sein, mit welchen programmatischen Angeboten tritt die Partei an?“, erläutert Jun. Um dann auch zurück ins Kanzleramt zu kommen, brauche man einen populären Spitzenkandidaten. „Diese Voraussetzung erfüllt Herr Merz derzeit nicht.“
Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik, kommt zu einem ähnlichen Schluss. „Friedrich Merz ist vom Jäger der Ampel-Koalition zum Gejagten der eigenen Partei-Freunde geworden.“ Die letzten Wochen hätten gezeigt, dass ihm der entscheidende Rückhalt in der Union fehle. Die einzige Chance, die Werte der Union wieder zu verbessern, bestehe nun in einer Doppelstrategie. Einerseits müsse man die Ampel „weiter frontal bei ihren Schwächen attackieren“, andererseits die AfD. „Deren jüngster Europa-Parteitag war insofern eine Steilvorlage für Merz“, sagt der Experte. Und wohl auch für Linnemann.
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