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Brüssel bedingt abwehrbereit

Brüssel bedingt abwehrbereit

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Von unserem Korrespondenten Eric Bonse

Mit dem amerikanischen Ausstieg aus dem Iran-Abkommen hatten die Europäer gerechnet, mit neuen Sanktionen offenbar nicht. Jedenfalls zeigt man sich bei der EU-Kommission in Brüssel überrascht von der Härte, mit der US-Präsident Donald Trump künftig gegen Geschäfte mit Iran vorgehen will.

Das volle Ausmaß der US-Sanktionen sei noch nicht absehbar, sagte die Sprecherin der Außenbeauftragten Federica Mogherini. Auch die Folgen für europäische Unternehmen müssten noch geprüft werden. Erst danach könne man über mögliche Schutzmaßnahmen nachdenken. Die erste Gelegenheit bietet sich beim Westbalkangipfel in Sofia am 16. Mai.
Ratspräsident Donald Tusk hat die Iran-Krise bereits auf die Tagesordnung des «Leader’s Dinner» am Vorabend des EU-Gipfels gesetzt. Allerdings sind noch keine Beschlüsse zu erwarten. Ähnlich wie im Streit um die US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium hofft die EU auf Ausnahmen in letzter Minute – und auf Schadensbegrenzung.

Die meisten EU-Staaten wollen keine direkte Konfrontation mit Trump. Vielmehr setzen sie auf die «transatlantische Karte» – nach dem Motto: die besten Verbündeten (sprich: Europa) straft man doch nicht! Allerdings ist man sich in Brüssel nicht mehr sicher, dass dieses Argument in Washington noch verfängt.

Juncker: Sich auf alles gefasst machen

So äußerte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Zweifel an der Bündnistreue der USA. Unter Trump kehre das Land multilateralen Beziehungen und freundlichen Kooperationen den Rücken, «mit einer Heftigkeit, die uns nur überraschen kann», sagte Juncker. Man müsse sich auf alles gefasst machen, so der Luxemburger.

Allerdings ist die EU nur bedingt abwehrbereit. Während sie im Zollstreit mit den USA bereits seit Wochen mögliche Vergeltungsmaßnahmen plant, steckt sie bei der Abwehr der Iran-Sanktionen noch in den Vorbereitungen. In Brüssel werden nur Optionen diskutiert, ein fertiges Maßnahmen-Paket gibt es noch nicht.

Abwehrgesetz aus 1996

Eine Möglichkeit wäre, ein Abwehrgesetz aus dem Jahre 1996 zu reaktivieren. Das so genannte «blocking statute» war damals im Streit um Sanktionen gegen Kuba, Iran und Libyen erlassen worden. Damit könnte die EU die US-Strafen gegen Iran blockieren und davon betroffene europäische Firmen entschädigen.

Allerdings hat die EU diese Abwehrwaffe noch nie getestet. Ob sie im aufgeheizten Iran-Streit funktionieren würde, ist offen. Recht vage ist auch die Idee, die Europäische Investitionsbank (EIB) zum Schutz von Investitionen einzusetzen. Da sie nicht in den USA aktiv ist, könnte die EIB Geschäfte in Iran fördern, ohne Sanktionen fürchten zu müssen.
Vorher wären aber noch diverse praktische und juristische Hürden zu überwinden. Während Trump mächtig Druck macht, muss sich die EU erst noch sortieren.


Bär und Tiger

In Syrien gilt für die Chinesen bislang, dass die Konfliktlinie im UN-Sicherheitsrat zwischen Russland und den USA verläuft. China hat die russischen Vetos im Sicherheitsrat bislang entweder durch Enthaltung oder ein eigenes Veto mitgetragen, um Sanktionen gegen Assad zu verhindern. Auch im Iran-Dossier verfolgt Peking die gleiche Strategie wie Moskau: Neben der EU, darunter Deutschland, Frankreich und Großbritannien, versichern auch China und Russland, an dem Nukleardeal mit dem Iran festzuhalten. Sie erwarten im Umkehrschluss das Gleiche vom Iran. Weshalb, hat wie immer mit Business zu tun: Russland und China machen oder planen Geschäfte mit dem Iran in Höhe von mehreren Hundert Milliarden Dollar. Alleine die Chinesen wollen 124 Milliarden Dollar in Schienen und Straßen investieren. Zurzeit ist Peking der wichtigste Geschäftspartner des Irans. China wird sich seinen Einfluss auf den Iran sicherlich nicht von den USA rauben lassen. Russland hat wiederum letzten März einen Öl-Liefervertrag mit Teheran über 742 Millionen Dollar abgeschlossen. Der Konflikt mit Trump ist vorprogrammiert.


Wahl im Irak

Morgen stehen im Irak Parlamentswahlen an. Für Sicherheitskräfte aus dem Militär und Gefangene hat die Wahl bereits gestern begonnen. Durch Trumps Rückzug aus dem Nukleardeal mit dem Iran stellt sich die Frage, welchen Effekt dieser Schritt auf die Wahl im Irak haben wird. Denn der Einfluss des Irans ist spätestens seit dem amerikanischen Rückzug aus dem Irak gewachsen. Erst als die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) den Irak an sich reißen wollte, versuchten die USA offen und über lange Strecken mit verdeckten Operationen den IS, aber auch den Einfluss des Irans zu bekämpfen. All dies geschah aber vor dem Hintergrund der andauernden Verhandlungen über den Nukleardeal, weshalb die Obama-Administration in vielen Fällen ein Auge zudrückt, um die Iraner nicht zu brüskieren und einen wichtigen diplomatischen Erfolg für sich zu erzielen. All dies ist nun passé. Bei den Wahlen ist Premier Haider Al-Abadi der Favorit. Sein Etappensieg gegen den IS und die Wahrung der Einheit des Iraks – trotz kurdischer Unabhängigkeitsbestrebungen – könnten seine Wiederwahl sichern. Offen ist, ob der Iran in den US-iranischen Machtkampf gerät.


Luxemburg

Luxemburg versucht das Wirtschaftspotenzial des Irans für sich zu nutzen. Die Regierung hat seit dem Nukleardeal mit dem Iran den Dialog mit Teheran gesucht. 2016 fand bereits ein Seminar mit 115 Teilnehmern im Iran statt, das von der luxemburgischen Handelskammer organisiert wurde. 2016 wurde ebenfalls eine luxemburgische Wirtschaftsmission in den Iran eingeladen. 80 Businessvertreter nahmen daran teil. 2017 reiste im Juli eine Delegation der iranischen Handelskammer nach Luxemburg. Der luxemburgische Finanzsektor ist für den Iran interessant. „Ich sehe sehr viel Potenzial in Luxemburgs Bankensektor“, betonte Irans Außenminister Javad Zarif 2014 gegenüber dem Tageblatt, als Luxemburg nicht-ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats war und eine luxemburgische Delegation nach Teheran reiste. Bereits vor Trumps Rückzug aus dem Nukleardeal weigerten sich allerdings viele Banken, teilweise schon ausgehandelte Iran-Deals mit Europa zu finanzieren. Da immer noch Sanktionen außerhalb des Deals und damit US-Strafmaßnahmen in Kraft sind, vermeiden europäische Großbanken es, mit dem Iran zu kooperieren.


Es wird teuer

Der Iran benötigt Kredite, um zentrale Projekte zu finanzieren. Diese Kredite sind jedoch auf dem internationalen Finanzmarkt zurzeit nicht erhältlich, weshalb Teheran seine Aufträge aus Eigenmitteln finanzieren muss. Dies führt wiederum dazu, dass viele Großprojekte nicht umgesetzt werden können. Es bleiben zudem verschieden Geschäfte für EU-Unternehmen und deren Finanzierung durch europäische Banken ohnehin verboten bzw. genehmigungspflichtig. Verboten sind etwa Deals mit Firmen, die mit den iranischen Revolutionsgarden in Verbindung gebracht werden können. Sie machen immerhin ein Drittel der iranischen Wirtschaft aus und sind auch nur schwer zu umgehen. Es drohen somit internationalen Firmen, die Geschäfte mit den USA und über US-Finanzinstitute abwickeln – und das sind die meisten – bei einem Verstoß Strafzahlungen. Dass die USA mit ihren Sanktionsgesetzen nicht zaudern, zeigen zwei Beispiele: Die deutsche Commerzbank musste 2015 wegen Verstößen gegen amerikanische Sanktionen bei Deals mit dem Iran 1,45 Milliarden Dollar an US-Behörden zahlen. Auch die französische Bank BNP Paribas wurde zur Kasse gebeten.