Totgesagt wurde er schon öfter. Gesundheitlich angeschlagen, musste sich Silvio Berlusconi in den vergangenen Jahren wiederholt in stationäre Behandlung begeben. Doch immer wieder rappelte sich der „Cavaliere“, wie er von den hiesigen Medien meist genannt wurde, wieder auf. Ein Stehaufmännchen auch in der Politik: Vier Regierungen saß er als „Presidente“ vor, kein Regierungschef prägte das politische Italien so wie der am 29. Mai 1936 in Mailand Geborene. Nicht umsonst nannte man die zwanzig Jahre seiner Machtausübung „Berlusconismo“ – der Unternehmer und Medienmogul prägte nicht nur die politische, sondern vor allem auch die kulturelle und medienpolitische Welt Italiens im letzten Jahrzehnt des vergangenen und ersten des aktuellen Jahrhunderts. Ob Privatsender oder öffentlich-rechtliche, alle wurden auf eine Linie gebracht, die dem frohlockenden Gemüt des Herrschers über dem Fininvest-Imperium entsprach.
Wer einem so bürokratischen Staat trotzt und seinem Steuerdruck entflieht, kann nur mein Verständnis haben
Begonnen hat er seine berufliche Karriere als Unterhaltungskünstler auf Vergnügungsschiffen. Schon damals probierte er seine Ausstrahlungskraft an den Gästen, testete, wie weit er manipulieren und dabei noch als charmant gelten könne – eine Erfahrung, die ihm als Politiker zu Gute kommen sollte. In seiner Heimatstadt profilierte er sich in den siebziger und achtziger Jahren als Baulöwe, bis er schließlich sein Medienimperium Fininvest gründete. Mit einem gewaltigen Vermögen im Hintergrund – Berlusconi galt zeitweise als reichster Mann Italiens – stieg er zu Beginn der neunziger Jahre in die Politik ein. Es war die Zeit des Niedergangs der Democrazia cristiana unter Führung Giulio Andreottis, die Zeit der militanten Auseinandersetzungen zwischen Mafia und Staat.
Aus den Ruinen dieser Machtkämpfe tauchte Berlusconi an der Seite seiner „ewigen“ Grauen Eminenz Marcello Dell’Utri mit einer neuen Partei auf, die ihren Namen dem Schlachtruf des italienischen Fußballs entlehnte: „Forza Italia“. Mit ihr gewann er den Wahlkampf 1994 und wurde zum ersten Mal Ministerpräsident. Und obwohl die Justiz während seiner gesamten politischen Karriere immer wieder ein Auge auf ihn gerichtet hatte, schadete ihm dies in keiner Weise. Trotz der mehr als zwei Dutzend Prozesse, die gegen den Cavaliere angestrebt wurden, wählten ihn die Italiener 2001 und 2008 erneut zum Premier. 3.336 Tage lang besetzte Berlusconi den Sessel im Palazzo Chigi, so lange wie kein anderer Premier im Nachkriegs-Italien. Nicht einmal der ständige Verdacht, er könne unter der Regie der Cosa Nostra an die Macht gekommen sein, konnte ihn stoppen.
Er hatte die Sympathie seiner Landsleute
Sein Erfolgsrezept: Publizisten bestätigten, dass Silvio Berlusconi alle Laster und Tugenden der Italiener in sich vereinte. Er verstand diejenigen, die illegal bauten, Steuern hinterzogen, kleine alltägliche Betrügereien machten. „Wer einem so bürokratischen Staat trotzt und seinem Steuerdruck entflieht, kann nur mein Verständnis haben“, erklärte er einmal öffentlich. Und gewann damit die Sympathie seiner Landsleute. „Furbismo“ nennt man dies im Belpaese: Schlaumeierei – und Berlusconi war ein Meister darin. In nur einem Verfahren wurde er zur Ableistung von Sozialleistungen verurteilt – und nahm diese mit seinem eigenen Humor wahr.
Politisch und wirtschaftlich brachte er das Land 2011 fast an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Nachdem dann der Wirtschaftsprofessor Mario Monti als Interimsregierungschef die Geschäfte übernahm, dachte man schon, die Ära Berlusconi sei vorbei. Doch weit gefehlt: Bereits während seiner letzten Amtszeit machte er die Postfaschisten der Alleanza Nazionale salonfähig und nahm sie in sein Parteienbündnis Popolo della Libertà auf. Und selbst als die ultrarechten Fratelli d’Italia unter Giorgia Meloni zur Regierungsmacht strebten, war Berlusconi als Juniorkoalitionspartner Königsmacher. Zwar war es um ihn selbst – nicht zuletzt wegen der Ruby- und Bunga-Bunga-Affären – ruhiger geworden und es erfüllte sich nicht sein Traum, Staatspräsident zu werden. Doch galt sein Wort bei den Regierenden und im Wahlvolk immer noch. Auch infolge seines mächtigen Medieneinflusses, sowohl im Funk- als auch im Printsektor, bestimmte der Cavaliere die veröffentlichte und öffentliche Meinung. Die Tageszeitung La Repubblica, die stets eine kritische Distanz zu Berlusconi wahrte, titelte: „Das Ende einer Ära“.
Am kommenden Mittwoch wird Silvio Berlusconi ein Staatsbegräbnis in Anwesenheit des Präsidenten Sergio Mattarella erhalten. Der russische Präsident Putin telegrafierte, er habe einen „wahren Freund“ verloren.
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